Neuer Film: Warum Hollywoods wildes "Brat Pack" der 80er ein Trauma erlitt
Rob Lowe, Demi Moore & Co waren die aufregendste Freundesclique der Welt. Einer der ihren drehte jetzt eine Doku über sie.
Ein Abend mit den größten Filmstars der Welt. Schön sind sie, jung sind sie, begehrt sind sie, Rob Lowe, Demi Moore, Emilio Estevez und all die anderen. Der Journalist David Blum tauchte mit ihnen in den Achtzigern für eine einzige glitzernde Nacht ein in diese abgehobene Parallelwelt, den Götterolymp von Hollywood. Im Hard Rock Café erlebt er, wie die hübschen Mädchen hemmungslos die Stars anflirten, irgendwann sitzt ein Playmate des Monats am Tisch, Star-Autor Jay McInerney kommt dazu, getrunken wird bis zwei Uhr nachts. Am nächsten Tag ist Blum verkatert – und schreibt seine Story.
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Beinahe 30 Jahre später sitzt der Schauspieler Andrew McCarthy, damals Teil der Truppe, auf der Stiege eines Hauseingangs in New York, hat nervös die Hände ineinander verschränkt und sieht insgesamt sehr nachdenklich aus. Die alten Zeiten, stellt sich heraus, waren doch nicht die guten. „Ich erinnere mich nur daran, dass ich die Titelseite gesehen und gedacht habe: Oh, f****!“
Alle wollten sie sein – nur sie nicht
Die Rede ist vom New York Time Magazine. „Hollywoods Brat Pack“ stand da im Juni 1985 in großen Lettern am Cover. Brat, das heißt übersetzt Gör, ein Pack ist ein Rudel – der Journalist Blum hatte einen Spitznamen erfunden, der an das feierwütige „Rat Pack“ mit Frank Sinatra, Dean Martin und Sammy Davis jr. gemahnte. Ein wenig schmeichelhaftes Label, das sich hielt. Und eine Gruppe von Filmstars einfasste, der in den Achtzigern die Welt zu Füßen lag: neben Lowe, Estevez, Moore, McCarthy zählten dazu auch Judd Nelson, Molly Ringwald, Ally Sheedy, Anthony Michael Hall. Und im erweiterten Kreis Charlie Sheen, Jon Cryer, Tom Cruise, Robert Downey Jr., Jami Gertz oder Lea Thompson sowie die Schriftsteller McInerney und Bret Easton Ellis. Die heißeste und coolste Clique des Planeten, die es liebte, wilde Partys zu feiern, nebstbei epocheprägende Jugendfilme der Yuppie-Ära drehte und bei der jeder dabei sein wollte – außer die Mitglieder des Brat Packs selbst.
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„Ich habe Jahrzehnte gebraucht, um damit klarzukommen und es als etwas Schönes zu sehen“, sagt Andrew McCarthy. Damals mittendrin im Hype, drehte er jetzt die Doku „Brats“, die beim Tribeca Film Festival Premiere feierte und für die in Österreich ein Kinostart aussteht, über das kulturelle Zeitphänomen. Eine schöne Sache, eigentlich, jedoch: „Für viele von uns war es karrieremäßig ein Klotz am Bein und wir hassten es.“
Ernsthafte Rollen blieben aus, renommierte Regisseure wie Martin Scorsese mieden es, sie anzurufen, klagt McCarthy. Die Bedeutung der Filme jener Zeit wurde ihm erst spät bewusst. „The Breakfast Club“ über eine Gruppe zum Nachsitzen verdonnerter Teenager etwa gilt als einflussreiches Kultwerk, für das Entertainment Weekly der „beste Highschool-Film aller Zeiten“. Der Titeltrack „Don’t You (Forget About Me)“ der Simple Minds ist die Hymne einer Generation.
„Pretty Pink“ und „Sixteen Candles – Das darf man nur als Erwachsener“ sind mit den Helden der Hochschaubahn Pubertät mitfühlende Streifen mit Tiefgang und Witz. Entsprungen sind sie dem spät anerkannten Genie des viel zu früh verstorbenen John Hughes, der entweder das Buch schrieb oder Regie führte, für viele „Brat Pack“-Filme verantwortlich war – und danach mit „Kevin allein zu Haus“ einen Megaerfolg landete. Andere Filme, welche die Ära prägten waren „Die Outsider“, „Class“, „St. Elmo’s Fire“, „Ferris macht blau“, „Unter Null“, „The Lost Boys“ oder „Ist sie nicht wunderbar?“
Abgestürzt und oscarprämiert
Für seine Doku nahm McCarthy wieder Kontakt mit seinen alten Eidgenossen auf. Rob Lowe hatte er seit 30 Jahren nicht mehr gesehen, Emilio Estevez, der als Boss der Bande galt, seit 35. Nach dem „Brat Pack“-Stigma wollten viele nichts mehr miteinander zu tun haben. McCarthy und Jon Cryer hegten lange Groll gegeneinander, weil der erste den zweiten böse behandelte. Estevez sagte einst einen Film ab, nur um nicht wieder mit McCarthy zu arbeiten. Heute stehen die Zeichen auf Versöhnung. Demi Moore philosophiert über den Leichtsinn der Jugend. Rob Lowe behauptet selbstbewusst vom „Brat Pack“: „Es hat verändert, was Entertainment ist.“ Und Molly Ringwald? Die kommt gar nicht vor, sie hat sich einer Teilnahme am Film nämlich verweigert.
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Mit altersmildem Blick wird die wilde Vergangenheit beäugt. Der rebellische Judd Nelson. Der sanft-rustikale Estevez. McCarthy, der Melancholiker. Rob Lowe, der Herzensbrecher. Demi Moore, die schöne Wilde. Ally Sheedy, der Nerd. Die Filme und Bilder, die doch noch gar nicht so lange zurückliegen, lassen nostalgisch werden. Sie berichten von den Herrschern über eine Zeit, in der es weder Internet noch Smartphones oder Kim Kardashian gab und von der Jugendblüte vor manch Sündenfall.
Drogensucht und Oscar
Schönling Lowe zerlegte seine Karriere dank eines Videos, das ihn beim Sex mit einer 16-Jährigen zeigte. Erst in den Neunzigern hat er wieder Fuß gefasst. Estevez, der als Aussichtsreichster auf eine nachhaltige Karriere galt, landete mit „Young Guns“ nochmal einen Hit, spielte danach aber keine erwähnenswerten Rollen mehr und verlegte sich aufs Regieführen. Molly Ringwald wurde die Punzierung als Teenie-Queen nie mehr los. Anthony Michael Hall quälte sich wie McCarthy mit einem Alkoholproblem, Ally Sheedy mit einer Schlaftablettensucht. Judd Nelson? Heimste zwei Goldene Himbeeren als schlechtester Schauspieler ein.
Doch es gab auch Brat-Packer, die sich hielten: Bei Robert Downey Jr. folgte auf den Drogen-Absturz ein Comeback und dieses Jahr der Oscar. Matthew Broderick und John Cusack wurden respektierte Schauspieler. Und von den Frauen war es Demi Moore, die große Karriere machte. Kein Wunder, dass sie in der neuen Doku dem einstigen „Brat Pack“ gutwillig gegenübersteht. „Warum haben wir es als Beleidigung aufgefasst?“, fragt sie. „Warum als etwas Schlechtes?“
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