Warum bekommt man heute kaum Filme unter zwei Stunden zu sehen?

Filme scheinen heute immer länger zu dauern. Warum wir das so empfinden und wer Schuld daran ist.

Unter drei Stunden macht’s Scorsese nicht mehr. Dreieinhalb davon vergehen, wenn man Leonardo DiCaprio und Robert De Niro bei seinem letzten Werk „Killers of the Flower Moon“ beim Morden zusieht. Das Epos hätte leicht als Mini-Serie für Netflix getaugt und, meiner bescheidenen Meinung nach, gut und gern eine Stunde Kürzung vertragen. 

Es steht stellvertretend für ein Phänomen: 

Gleich, ob „Oppenheimer“, „Tár“ oder „Napoleon“ – die meisten Filme scheinen seit einiger Zeit unsagbar lang zu dauern. Zwei Stunden gelten als Minimum. Als Seher überlegt man sich sein Zeitmanagement rund um jeden Film daher genau. 

Ricky Gervais scherzte, bei solchen Laufzeiten käme der jungen Damen zugeneigte DiCaprio aus dem Kino und sein Date sei mittlerweile zu alt für ihn. Und auch die Branchenbibel Vanity Fair verzweifelte: „Kann irgendjemand noch einen 90-minütigen Film machen?“

Superhelden sind Schuld

Dass Filme länger dauern, ist zwar objektiv nicht wahr, sondern eher gefühlte Wahrheit. Schuld sind aber jedenfalls die Superhelden. Das Marvel-Personal lässt sich gerne Zeit, um aufsehenerregend die Welt zu retten. Gleichzeitig sind diese Action-Spektakel der Grund, wie sich das Publikum heute am ehesten ins Kino locken lässt. Wenn schon kein Heimkino ansteht, soll sich der Abend auswärts auch richtig lohnen. 

Dazu kommt, dass Regisseure wie Tarantino oder Nolan von Netflix & Co meist einen künstlerischen Freibrief bekommen, damit ihre Kunst auf diesen Plattformen gestreamt werden darf. Dazu gehört auch die Laufzeit. Begünstigt wird sie durch den Reflex, ein langer Film bedeute, es handle sich um einen guten Film. An dieses Dogma glauben beide – Filmemacher wie Zuschauer.

Wenn jemand beim Filmschauen bald beginnt, auf dem Sessel umherzurutschen, kann das aber auch an einer gesunkenen Aufmerksamkeitsspanne liegen. Wir sind es inzwischen gewöhnt, mehr Serien als Filme zu glotzen. Und auch wie gut uns die kurzen Clips in den Sozialen Medien gefallen, tat uns diesbezüglich kaum gut. Und doch, mit der Bühne kann es das Kino noch lange nicht aufnehmen. Siehe Burgtheater. Die Dauer des „Heldenplatz“ dort: satte fünf Stunden.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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