Bei Julian le Play im Feriencamp der Superhelden

Auf Hausbesuch bei Julian le Play. In der Villa Lala in Hietzing feiert, lebt und musiziert der Sänger. Sein neues Album hat auch mit Schamanen in Mexiko zu tun.

Eine Reise, die bei einem uralten, schamanischen Ritual in Mexiko beginnt. Sich auf mäandernden Wegen durch die Nacht in einem Ferienlager für Superhelden einpendelt. Und zuletzt, als irdisch vorweisbares Ergebnis sozusagen, in Melodien materialisiert. „Ich war von mir selbst ermattet“, sagt Julian le Play und lächelt. „Ich wollte mich wieder spüren.“

Verwirrt?

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Beginnen wir hier, in Österreich. Wir drücken den Knopf einer Sprechanlage in Wien-Hietzing. Ding-Dong bei Lala, der Villa Lala nämlich. Wenn eine Wohnstatt solch einen Namen trägt, ahnt man bereits: Platz für Erbsenzähler und Paragrafenreiter ist das keiner. Das historische, mit Efeu verzierte Haus diente einst als Botschaft für Neuseeland und hat viele Zimmer. In manchen davon sind jetzt Studios eingerichtet, nimmt der Sänger seine Musik auf, in anderen schreibt er Songs. Manchmal lässt er in den Räumlichkeiten hier auch einfach nur die Seele baumeln, spielt Tischtennis oder zockt Fifa. Ziemlich oft feiert er hier durch die Nacht.

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Im Oktober 2019 war es, als le Play sich mit der Villa Lala einen Traum erfüllte. Oder einer in ihm wachsenden Notwendigkeit nachgab, je nachdem. Dem Wunsch nach Gesellschaft beim Musikmachen, nach dem Motto: Schluss mit einsamer Wolf.

Mit seinen Kumpels, den Brüdern Elias, einem Musikmanager, und Matthias Oldofredi, einem Produzenten, widmete er die damals leer stehende Residenz kurzerhand zu einer Art Kreativ-WG um. Wände wurden an einer Stelle abgerissen, an anderer neu aufgebaut. Schallisolierte Türen wurden eingesetzt. Die Küche offen inszeniert. Ein begehbarer Kleiderkasten rausgerissen, aus dem Badezimmer ein Gaming-Room gemacht, aus dem Arbeitszimmer des neuseeländischen Botschafters eine Bibliothek.

Im Studio: Zwei Drittel von le Plays neuem Album „Tabacco“ entstanden in seiner Villa

©Kurier/Lukas Maier

Songwriting-Suiten sind entstanden, in insgesamt 15 Studios wird der Sound von morgen auf Band gebannt. Willkommen ist jeder, der seine Ruhe, aber doch Gesellschaft beim Einspielen seiner Songs haben möchte – und sich dafür einmietet. Dazu erfreut ein großer Garten mit hohem Gras, Rosenbeet, einer Liege, durch die Bäume streicht sanft der Wind.

Hietzing, der Nobelbezirk, das ist Schönbrunn, Historie, Wohlstand. Hier stehen auf der schattigen Steinterrasse vor dem Haus junge Musiker mit wuscheligen Haaren und Kinnbärten in Shirts und Hawaiihemden, rauchen und reden: eine Oase.

Alles im grünen Bereich: Julian le Play im Garten

©Kurier/Lukas Maier

„Ich mache hier Musik, aber hab hier auch ein Zuhause, wo ich schlafen kann“, sagt le Play. In der Bibliothek stehen nicht nur „Sofies Welt“ und „Madame Bovary“, sondern auch Gitarren und Piano. Im Turmzimmer hat der Sänger sogar einen Schreibtisch.

„Hier ist es für mich wie in einem Ferienlager für Superhelden“, sagt er. Wenn er spontan einen Schlagzeuger braucht, weiß er, Marian im Erdgeschoß ist sein Mann. Geige? Einfach Enzo fragen. Dazu: WG-Vibes eines Sommers, der nie aufhört zu enden.

Unterwegs im Nachtleben

Zwei Drittel von Julian le Plays neuem Album sind in der Villa Lala entstanden. „Tabacco“ heißt es, der Entstehungsprozess sei sehr exzessiv gewesen, erzählt er. Er berichtet von langen, durchgefeierten Nächten. Beim Nachhausekommen, noch halb mit dem Herzen im Klub, hätte er so manche Songidee benebelt aufgeschrieben. Man kann von einem gewissen Nachholbedarf sprechen, den die Corona-Krise mit seinen Ausgangssperren hinterlassen hat. „Ich habe mich voll reingestürzt in die Nacht und neue Begegnungen.“

Cool: le Plays kreative Heimstatt ist liebevoll mit Vintage-Möbeln eingerichtet

©Kurier/Lukas Maier

Eine private Trennung befeuerte diese Lust zusätzlich. Loslassen, ein Ventil finden, sich wieder spüren: Die vergangenen Jahre seien für ihn explosiv, dann exzessiv, schließlich expressiv gewesen. Le Play spricht von keiner Krise, was nicht heißt, man könne keine herauslesen.

Zu verkopft sei er gewesen, so le Play, immer am Nachdenken. Zusätzlich wäre die große 30 stetig bedrohlich näher auf ihn zugekommen. Wo war sie hin, die große Leichtigkeit, auch beim Musikmachen, an die er sich als 16-Jähriger, als Straßenmusiker in Australien, zurückerinnerte? Kein Halligalli mehr. Stattdessen das Gefühl, etwas Unerträgliches hätte sich eingeschlichen: angepasst geworden zu sein.

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Entspannt: Julian le Play beim Interview mit KURIER Freizeit-Redakteur Alexander Kern

©Kurier/Lukas Maier

„Tabacco“, das steht stellvertretend für „Sucht“, so etwas wie das Motto der neuen Platte. Aber auch für le Plays persönliche „Sucht danach, Emotionen zu spüren.“

Er sagt: „Liebe hat den größten Suchtfaktor.“ Sex natürlich auch. „Überall, wo man im Moment ist.“ Genau das sucht le Play mit neugierigem Ehrgeiz, weil er weiß, dass ihm das guttut. „In Momenten, in denen ich zum Nachdenken komme, werde ich immer relativ schnell unglücklich“, so Julian le Play.

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Befreiungsschlag in Mexiko

Der Mann benötigte also dringend ein Erweckungserlebnis. Und es wurde ihm gewährt: im mexikanischen Dschungel. Le Play hatte seine Schwester in ein Wellness Retreat in Tulum begleitet. Ein sehr alternatives, spirituelles Hotel. Am Plan: Kurse wie „Finde deine innere Bestimmung“ oder „Ekstatischer Tanz“. Dazu alle Formen von Yoga und Meditation, die man sich vorstellen kann. Nichts für ihn, hatte le Play vergnügt gedacht, „aber sicher coole Leute dort mit einem coolen Vibe.“

Aufnahmebereit: le Plays Villa Lala ist für ihn ein Refugium, um kreativ zu sein, Songs aufzunehmen, aber auch ideal für tolle Partys

©Kurier/Lukas Maier

Weil es zehn Tage durchregnete, entschloss sich der Sänger schließlich, doch etwas auszuprobieren. Kundalini-Yoga, so heißt es, öffne Chakren und befreie von Blockaden. Der Popkünstler war erstaunt: „Scheiße, das finde ich irgendwie geil.“

Er macht mehr. Spiegeltanz etwa. Und dann die Augen öffnende und von einem Schamanen geleitete Temazcal-Zeremonie: das mexikanische Ritual, das schon die Maya und Azteken kannten, soll Körper und Geist heilen und von Stress und Schmerzen reinigen. Man sitzt in einer Art Höhle, von draußen wird der Eingang mit einem riesigen Stein versperrt. Drinnen bringen einen heiße Vulkansteine und 50 Grad gewaltig ins Schwitzen. Gesänge und Gebeten des Schamanen begleiten das spirituelle Ritual. Die Ängste? Sollen vergehen.

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Plötzlich Spitzbub

Als es danach gilt, diese Selbsterfahrung in einem einzigen Begriff zu bündeln, kommt le Play auf das Wort „Picaro“, spanisch für „Spitzbub“. Dem Sänger dämmert: Das will er in Zukunft auch sein, das wird ihn retten. Tatsächlich passiert das auch, verrät er. Zurück zuhause besetzt er seine Band neu. Feiert die Nacht und wirft die Ernsthaftigkeit über Bord: „Es war eine Revolution gegen mich selbst.“

Auch seine alte Kleidung muss weichen: Der neue Julian le Play traut sich was, trägt türkise Glockenhosen, gelbe Kuba-Hemden, rosa Jeansjacken, die ihm eine Stylistin aus Köln aussucht. Fans fragen ihn, ob er spinnt, doch „ich habe mich nie mehr als ein Popstar gefühlt“, sagt er. Die neuen Songs wie „Porzellan“ oder „Schlafwandler“ sind super. Ziemlich bald wird in der Villa Lala darob wieder ziemlich gefeiert werden.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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