Ganz viele Winkekatzen stehen zusammen

Maneki-neko: Die wahre Bedeutung der asiatischen "Winkekatze"

Die kleinen Katzenfiguren heben und senken freundlich schauend ihren Arm. Doch viele wissen nicht, dass sie gar nicht winken. Was sich hinter der Geschichte des Glücksbringer verbirgt.

Fast hypnotisierend bewegen die kleinen Katzenfiguren ihre Pfoten auf und ab. Sie brauchen weder Batterien noch Strom, um unermüdlich der Bewegung nachzugehen. Doch anders, als die meisten annehmen, stammt die Winkekatze nicht aus China, sondern aus Japan. Seit wann sie sich auch auf dem europäischen Markt zu Hause fühlt, ist nicht bekannt. Genauso unbekannt ist der Fakt, dass die Katzen gar nicht winken. Was ihre Armbewegung wirklich bedeutet und wer die Figuren einst erfunden hat, lest ihr hier.

Hier mehr lesen: Das sind die glücklichsten Länder der Welt

Die internationale Ausgabe von "National Geographic“ widmete der Winkekatze einen ausführlichen Artikel. Darin räumten sie mit diversen Mythen und Missverständnissen auf. Demnach heißen die kleinen Figuren im Japanischen "maneki-neko“ – wörtlich: winkende Katze. Die Wink-Bewegung hat allerdings eine andere Bedeutung als in den westlichen Kulturen. In Japan lockt man nämlich jemanden zu sich, indem man die Handfläche nach vorne hält und die Finger nach unten zeigen.  

Es gibt unterschiedliche Ursprungsgeschichten. Was sie alle eint: Mit einer erhobenen Pfote, spitzen Ohren, Münzen und anderen Accessoires bringen Maneki-neko dem Glauben nach seit Jahrhunderten Glück und Wohlstand. Allerdings ändert sich die Bedeutung, je nachdem welche Pfote die Katze hebt. Die rechte Pfote zieht Geld und Glück an. Die Linke lädt zu Freundschaft und Kunden ein. Die ovale japanische Münze dient der Darstellung von Reichtum und die historisch originalgetreuen Accessoires wie Lätzchen und Glocke weisen darauf hin, wie Hauskatzen in der japanischen Gesellschaft angesehen und gepflegt wurden.

weiße rote und gelbe Keramik Glückskatzen Figuren

Je nachdem welche Pfote die Katze nach oben hält, hat die Haltung eine andere Bedeutung

©Puck Milder/Unsplash

Eine Katze, aber unterschiedliche Ursprungsgeschichten

Eine der Entstehungslegenden beginnt mit einer Katze, die während der Edo-Zeit (1603-1868) im Gotoku-ji-Tempel in Tokio geboren wurde. Der Erzählung nach habe die Hauskatze des Abtes, Tama, den Regionalherrscher Ii Naotaka bei der Jagd mit Falken vor einem Blitzschlag gerettet, als sie ihn nach Gotoku-ji lockte. Der Herrscher sei so dankbar gewesen, dass er die Hauskatze zum Schutzpatron des Tempels machte, wo sie seitdem in einem eigenen Schrein verehrt wird.

Eine andere beliebte Anekdote erzählt von einer Reitergruppe schwer bewaffneter Samurai, die den Tempel Gotoku-ji aufsuchten und dort am Eingang eine kleine Katze sitzen sahen. Die Katze wusch sich gerade das Gesicht. Als sie mit ihren Pfoten über ihre Ohren fuhr, sah es für die Samurai so aus, als winke die Katze ihnen zu. Daraufhin betraten die Krieger den Tempel friedlich und ließen die Bewohner in Frieden.

Weiße Winkekatze

Auch heute noch stehen im Gotoku-ji-Tempel zahlreiche "Winkekatzen"-Figuren

©Luke Jones/ Unsplash

Ebenfalls aus dieser Zeit stammt auch die Überlieferung, laut der eine wunderschöne und wohlhabende Geisha die Toilette aufsuchte und von ihrer Katze angefallen wurde. Das Tier kratzte sie und schrie so fürchterlich, dass man Angst bekam, es sei tollwütig geworden. Der zur Hilfe eilende Hausbesitzer schlug der Katze mit einem Schwert den Kopf ab. Doch während der Kopf in hohem Bogen in die Toilette flog, biss er einer dort lauernden Giftschlange in den Kopf und rettet so die Geisha. Sie war über den Verlust ihres Haustieres so betrübt, dass der Hausbesitzer ihr zum Trost eine Keramikfigur in Gestalt des verstorbenen Tieres schenkt. 

Eine andere Überlieferung handelt von der marushime no neko, was übersetzt ungefähr so viel wie Glückskatze bedeutet. Die Legende stammt aus der Nähe von Asakusa. Die Glückskatze des Imado-Schreins ist eine Variation der lockenden Katze, die seitwärts sitzt und den Kopf nach vorne zeigt. Der Überlieferung nach war eine alte Frau im Jahr 1852 in Imado so arm, dass sie ihre Hauskatze nicht mehr füttern konnte. Sie sah sich gezwungen, sie gehen zu lassen. In der Nacht sei ihr das Tier erschienen und sagte: "Wenn du Puppen nach meinem Bild machst, werde ich dir Glück bringen“. Die alte Frau folgte der Anweisung und fertigte Figuren aus Imado-Yaki-Ware an. Dann zog sie zu den Toren des Schreins und verkaufte die Glückskatzen dort. Die Keramikfiguren erfreuten sich schnell großer Beliebtheit, und die alte Frau wurde aus der Armut gerettet.

Eine modernere Sage wiederum handelt von einem verarmten Fischer, der schwer erkrankte. Eines Tages wurde er von einer herrenlose Katzen besucht, die von ihm hin und wieder Essensreste bekam. Die Katze trug eine kostbare Goldmünze im Maul, die dem Fischer viel Geld einbrachte.

Der Grund für ihre Verbreitung

Im Jahr 1602 ließ ein kaiserlicher Erlass alle Katzen in Japan frei. Sie sollten ihre natürlichen Fähigkeiten zur Schädlingsbekämpfung einsetzen – insbesondere in der Seidenraupenzucht. Auch nach dem Niedergang des Seidenhandels dienten die Katzen weiterhin als Talismane für Wohlstand eines Unternehmens. Laut Yoshiko Okyama, Professorin für Japanisch an der Universität von Hawaii in Hilo, ging es dabei aber um wesentlich mehr als eine einfache Schädlingsbekämpfung: "Die Bedeutung von Maneki-neko liegt in seiner mythologischen Kraft, dem Hausmeister Glück zu bringen.“ Weiter erklärt sie im Interview mit National Geographic: "Ein japanisches Sprichwort, neko wo koroseba nanadai tataru (Wenn du eine Katze tötest, wird sie deine Familie sieben Generationen lang heimsuchen) basiert auf dem Volksglauben, dass Katzen rachsüchtig sind und über ein menschliches Leben hinaus leben.“

Die Verbreitung der Katzenfiguren bleib in Japan nicht unbemerkt. 1927 beschreibt Katherine M. Ball in ihrem Buch "Animal Motifs in Asian Art“ die Glückskatzen als "eine einfache und beliebte Form der Magie“. "Dieses Bild wird als Amulett verwendet, um Geschäfte anzulocken und Wohlstand zu fördern. Man findet ihn am Eingang von Restaurants und Geschäften, wo er mit seinen einschmeichelnden Katzeneigenschaften und der erhobenen Pfote Kunden einladen und zum Eintreten auffordern kann“, so Ball.

Goldene Winkekatze auf einem Glasregal

Meist findet man die "Winkekatzen" vor Restaurants und Geschäften, wo sie Kunden hineinbitten

©Philip Waern/ Unsplash

Dennoch bleibt unklar, wie sich diese ikonischen Figuren über die japanischen Inseln hinaus verbreiteten und in ganz Asien und den Rest der Welt bekannt wurden. Laut einem Forschungsprojekt unter der Leitung von Bill Maurer, einem Professor für Anthropologie an der University of California, stammen die Figuren aus der Meiji-Zeit (1868-1912). Demnach haben die Japaner versucht gegenüber den konservativen Westlern eleganter zu wirken. Darum erließ die Meiji-Regierung 1872 die öffentliche Moralverordnung, laut der phallische Amulette verboten wurden. Die wurden oft an Orten der Prostitution zur Schau gestellt. Maneki-neko wurden als Ersatzschmuck verwendet. Die Einführung der Katzenfiguren als Glücksbringer verbreitete sich daraufhin auch in anderen asiatischen Ländern.

Durch den Boom der japanischen Popkultur in den 1980er und 1990er Jahren verankerten die Maneki-neko weiter in die Mainstreamkultur, sodass sich die Ikonen bald als multimediale Charaktere in Kunst, Mode und Videospielen manifestierte. Heute stammen die Katzenfiguren überwiegend aus der industriellen Massenproduktion und werden weltweit vermarktet als Lucky Cat ("Glückskatze“). Im europäischen Raum hat sich vor allem die goldlackierte Version der Maneki-neko durchgesetzt.

Goldene Glückskatze auf einer Tasse stehend

Im europäischen Raum erfreut sich besonders die goldene Glückskatze großer Beliebtheit

©Keanu K/ Unsplash

Die Beliebtheit schlägt sich auch in einem ausgeprägten, weltweiten Merchandise nieder. Eine Trickfilm-Version der Katzenfigur stellt Hello Kitty dar – sie ist ebenfalls eine Anspielung auf dem Glücksbringer. Ebenso wie die Pokémon-Figur Mauzi. Außerdem findet man das Katzenmotiv auf zahlreichen Handtaschen, Rucksäcken und Kleidungsstücken. Zudem existiert seit geraumer Zeit eine Kryptowährung namens Kittehcoin, die die Maneki-neko als Porträt benutzt.

➤ Hier mehr lesen: Weltkatzentag: Die einflussreichsten Miezen auf dem Planeten

Über Janet Teplik

Digital Producer bei freizeit.at. Nach dem Studium der Geschichte, Germanistik und Kunstgeschichte zog die gebürtige Deutsche nach Wien und studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaften. Zuletzt war sie stellvertretende Chefredakteurin bei der MG Mediengruppe.

Kommentare