Weekender

Ein Wochenende in Rom: Einfach einmal treiben lassen

Braucht man für so eine Stadt Geheimtipps? Guido Tartarotti zeigt, wie er die Ewige Stadt mehr als einmal für sich entdeckt hat.

Überblick

Beste Reisezeit

April, Mai, September & Oktober

Währung

Euro

Einwohner

ca. 2,8 Mio.

Auskunft

turismoroma.it

Ich war zwar schon oft in Rom – zum ersten Mal 1982, zum bisher letzten Mal 2019 – aber ich habe keine Geheimtipps. Ich bin der Typ Besucher, der ziellos durch die Stadt wandert und schaut und staunt, was ihm so begegnet.

Reden wir übers Essen, das interessiert Städtereisende immer am meisten. Ich kenne kein einziges außergewöhnliches Lokal in Rom. Das Erste, was ich dort jemals gegessen habe, war ein Thunfisch-Tramezzino. Wir waren auf einer Schülerreise, die ganze Nacht saßen wir im Zug (ich glaube, es war der berühmte Romulus), auf dem Weg zu unserer Jugendherberge in der Via Ottaviano gingen wir in irgendein Kaffeehaus hinter dem Vatikan und aßen Tramezzini. Mir hat nie wieder etwas so gut geschmeckt. Ich habe dieses Kaffeehaus später nicht mehr gefunden.

Dafür entdeckte ich auf der Suche danach eine völlig unscheinbare Trattoria gleich an der vatikanischen Mauer, wo ich sensationelle Pasta bekam. Unnötig zu erwähnen, dass ich auch dieses Lokal nie wieder fand. Ich weiß nur noch, dass am Nebentisch ein Paar aus Ried saß und in breitem Oberösterreichisch sehr laut miteinander stritt.

Einmal fand ich in der Via Di Quattro Fontane ein Fischlokal. Es sah aus wie irgendeine Billig-Tschumsen, aber überall an den Wänden hingen Fotos des deutschen Lazio-Spielers Miroslav Klose, was ich amüsant fand. Ich aß dort sensationell guten Fisch, aber fragen Sie mich nicht mehr, wie das Lokal hieß.

Spaghetti in der Touristenfalle

Wunderbar gegessen habe ich auch in einem winzigen Restaurant in der Nähe des Campo de’ Fiori. Es gab keine Speisekarte, man musste essen, was dem Koch gerade einfiel, und es fiel ihm einiges ein: Es gab typisch römische Küche, also viel Fleisch, viel Teig, viel Käse, viel Fett.

Die besten Spaghetti gab es in einer Touristenfalle (zumindest sah sie so aus) bei der Piazza Venezia. Sehr empfehlenswert für gastronomische Entdeckungen ist die Subura, das ehemalige Rotlichtviertel rund um die Via Urbana (dort aß ich einmal sensationelle Wildschwein-Lasagne, aber auch die fetteste Pasta meines Lebens), das jüdische Viertel mit seinen Bäckereien unten am Fluss und natürlich Trastevere, das romantische Viertel jenseits des Tiber, wobei das Essen dort vor allem deshalb so gut schmeckt, weil die Gegend so schön ist.

 Buon Appetito! Frische Pasta

©Getty Images/Photo Beto/iStockphoto

Vielleicht liegt es an meiner komischen Art – wie schon erwähnt, gehe ich gern ohne festes Ziel durch Städte und schau, wohin mich der Zufall treibt und was ich dabei entdecke – aber ich denke, Rom erkundet man am besten auf gut Glück.

"Buongiorno, Signore Girotti"

Meine aufregendste Entdeckung machte ich in der Nähe des Pantheon: Aus einem sehr alten und sehr nobel wirkenden Wohnhaus trat der leibhaftige und echte Terence Hill. Er sah genauso großartig aus wie in seinen Filmen, ich war nur ein wenig enttäuscht, dass er zu Fuß unterwegs war und nicht auf einem Pferd. Gerade als ich höflich grüßen wollte "Buongiorno, Signore Girotti", sprangen zwei ältere, wuchtige Damen aus Deutschland kreischend auf ihn zu und bettelten um Autogramme und Selfies, worauf ich mich zurückzog. Und in der Nähe der Lateransbasilika sah ich einmal Xavier Naidoo, zumindest sah er so aus, aber ich verzichtete darauf, ihn anzusprechen und über seine wirrköpfigen Ideen zu diskutieren.

An der Piazza della Rotonda: Wasserspiele aus dem Fontana del Pantheon und dahinter der Säuleneingang zur Vorhalle des   Pantheon  

©Getty Images/ROMAOSLO/iStockphoto

Mein Lieblingsort in Rom sind die Caracalla-Thermen, ungefähr zehn Minuten zu Fuß vom Circus Maximus entfernt. Die Ruinen der 217 nach Christus eröffneten Badeanlage sind so imposant, dass man eine gute Ahnung davon bekommt, wie großartig der Komplex einmal ausgeschaut haben muss. Heute ist dort eine Art archäologischer Park mit vielen alten Bäumen, möglicherweise ist es der stillste Ort Roms, und schon deshalb liebe ich ihn. Vor 40 Jahren, auf unserer Schülerreise, sind wir dort durch irgendeinen halb verfallenen Eingang in die Unterwelt hinabgestiegen und fühlten uns wie die Altertumsforscher. In den Caracalla-Thermen kann man, wenn man sich ruhig verhält, die Geschichte hören.

Apropos hören: Auf der Wiese zwischen den Ruinen habe ich damals zum ersten Mal Neil Young gehört, der später mein Lieblingssänger wurde. Deshalb verbinde ich, absurderweise, die Musik von Neil Young bis heute mit der Stadt Rom.

Ganz in der Nähe der Caracalla-Thermen liegt der Aventin, ein Stadtteil, den ich, natürlich, zufällig entdeckt habe, und den ich heute ganz besonders schätze. Der Aventin ist der ruhigste Hügel Roms. Er ist mehr Wohnviertel als archäologische Sehenswürdigkeit, man sieht vor allem alte Bäume, alte Häuser, blühende Büsche. Vom Aventin aus hat man den schönsten Blick über den Tiber Richtung Trastevere und Vatikan.

Orangengarten auf einem der  der sieben Hügel Roms: dem Aventin.

©Getty Images/iStockphoto/georgeoprea9/iStockphoto

Oben auf dem Hügel steht eine wunderbare, frühchristliche Basilika, Santa Sabina, und gleich daneben die Kirche Santi Bonifacio e Alessio, ebenfalls uralt.

Leichtes Herz

Beide Gotteshäuser haben ein ganz merkwürdiges Licht und eine sehr eigenartige Stimmung, die, je nach Tagesverfassung, das Herz leicht macht – oder schwer auf die Seele drückt.Noch einmal ein paar Schritte weiter ist jenes berühmte Tor, durch dessen Schlüsselloch man genau auf den Petersdom sieht. Die Schlange davor ist aber meist länger als die vor einer Corona-Teststation am Freitagnachmittag. Und am Fuß des Aventin liegt der komischste Hügel Roms, der Monte Testaccio. Er ist 36 Meter hoch und im Prinzip eine altrömische Mülldeponie. Er vermittelt auf eine sehr eigenartige Weise einen Eindruck von der Größe und Macht des alten Imperiums. Rom ist ja in Wahrheit die Hauptstadt dreier Reiche: Des modernen Staates Italien, des untergegangenen römischen Imperiums und des unsichtbaren Reichs des Glaubens.

©Getty Images/iStockphoto/Tanaonte/iStockphoto

Vielleicht ist das ja die beste Methode, um Rom kennen zu lernen: Man geht auf gut Glück in irgendeine der Tausenden Kirchen der Stadt – und schlägt dann dort den Reiseführer auf. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass man ein Kunstwerk von Raffael oder Michelangelo zu sehen bekommt, oder zumindest ein, zwei Papstgräber.

Und solange die Caracalla-Thermen stehen und es in Rom noch Kirchen gibt, in die mich der Zufall noch nie hineingeführt hat, werde ich wiederkommen.

Ich packe meinen Koffer für Rom

Laufschuhe. Obwohl, oder gerade weil, Rom auf sieben Hügeln errichtet wurde, ist es eine ideale Stadt für gemütliches bis sportliches Jogging. Man kann den Tiber entlanglaufen, durch die Parkanlagen der Villa Borghese, oder einfach die atemberaubenden Ansichten dieser Stadt laufend genießen. Für sportliche Läufer sehr zu empfehlen: Der Rom-Marathon Anfang Mai.

Musik von Adriano Celentano. Der Entertainer stammt zwar aus Mailand, aber ohne seine Stimme ist Rom für mich unvollständig.

Bücher. Rom ist die perfekte Stadt, um im Freien sitzend zu lesen. 

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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