Routen für Genießer: Emilia-Romagna und Marken
Von Kaiser Augustus über die letzte Hauptstadt des weströmischen Reichs bis zu den Hotspots der Renaissance. Mit anderen Worten: Wir besuchen Ravenna, Rimini und Urbino.
Gut 1.500 Jahre sollte unsere Reise dauern. Natürlich nicht in Echtzeit, der Hyperschlaf in galaktischen Raumgleitern ist ja zum Glück noch nicht erfunden worden. Gemeint sind die Epochen, die wir in unseren Tagen an der Adria abschreiten wollen: von der Zeit rund um Christi Geburt über die letzten Tage des Weströmischen Reichs bis hin zur Blütezeit der Frührenaissance. Dass wir dabei nicht mit chronologischem Ernst vorgehen und nebenbei auch höchst aktuelle Genüsse nicht auslassen wollen, liegt auf der Hand und entspricht ja auch dem Motto dieses Magazins.
Unsere erste Station soll Ravenna sein, die letzte Hauptstadt des Weströmischen Reichs. Doch schon auf der Anreise müssen wir unsere Flexibilität beweisen: Comacchio wurde uns als vielversprechender Halt kurz vor dem Erreichen Ravennas empfohlen, kaum ein Umweg, obwohl auch einen solchen wert.
Recht hatten unsere Ratgeber. Comacchio liegt sozusagen in den Feuchtgebieten des Po-Deltas, eines Gebiets, das munter von Kanälen durchzogen ist, gespickt mit Teichen und noch immer einigen Sümpfen.
Diese speziellen Attribute der Region waren übrigens auch der Hauptgrund, warum man in der letzten Phase des weströmischen Reichs entschied, den Regierungssitz nach Ravenna zu verlegen: Die kleine Stadt inmitten der sumpfigen Weite (in der große Heere schlecht lagern konnten) war viel leichter zu verteidigen als beispielsweise Mailand, wo der Kaiser zuvor residierte.
Comacchio ist im Kern eine winzige Stadt, sehenswert sind nur ein paar Straßenzüge, aber die lassen einen schon in vergangene Zeiten eintauchen. Man flaniert entlang von Kanälen, die von bunten Häuserzeilen gesäumt sind, und staunt über eine imposante, aus Ziegeln gemauerte Brückenanlage, die gleich zwei Kanäle gleichzeitig überspannt.
Eine Spezialität des Ortes kennen alle Italiener aus dieser Region: Aale. Man kann sie hier quasi in allen Aggregatzuständen, zumindest aber in verschiedensten kulinarischen Erscheinungsformen genießen.
Eine kurze Etappe führt uns dann nach Ravenna. Aus der unbedeutenden Hafenstadt – ja, Ravenna befand sich vor 1.500 Jahren noch am Meer, ehe die Verlandung zugenommen hat – wurde um das Jahr 400 mit einem Schlag das Zentrum der westlichen Welt. Das Römische Reich lag zwar schon in den letzten Zügen, hatte aber noch genügend Kraft, um die Kleinstadt mit kaiserlichem Gepränge zu überziehen. Und dies endete nicht – so wie das weströmische Imperium – mit der Invasion der Goten, denn auch die neuen Machthaber wählten Ravenna zu ihrer Residenzstadt; allen voran der berühmte Theoderich, dessen Mausoleum man heute noch hier am Rand der Altstadt bewundern kann.
Als die Goten wieder abgelöst wurden, war es das noch bis ins 15. Jahrhundert aktive „Bruderreich“ Ostrom mit seiner schillernden Hauptstadt Byzanz, das Ravenna als Brückenkopf im Westen nutzte. So erklärt sich auch der starke byzantinische Einfluss, den man in den Kirchen und Kunstwerken der Stadt sieht.
Ein Spaziergang durch Ravenna und speziell der Besuch seiner Sakralbauten kommt daher einem Eintauchen in die Zeit des Frühchristentums gleich. Eine Vielzahl an Unesco-Weltkulturerbestätten ist hier in kleinstem Umkreis zu erreichen, deren in Gold und kräftigen Farben strahlende Mosaike haben schon Kaiser Karl den Großen sprachlos gemacht und für seine eigene Residenz in Aachen inspiriert.
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Man plant hier am besten mindestens zwei Tage ein, um all die Kirchen, Baptisterien, das erzbischöfliche Museum und viele weitere Sehenswürdigkeiten zu bestaunen, die im überschaubaren Zentrum fußläufig erreichbar sind. Dort findet man auch die letzte Ruhestätte von Dante Alighieri.
Gespickt mit kulturellen Eindrücken geht’s dann weiter nach Süden, wo sich einst der engste Machtbereich der Stadt ausbreitete: Zur sogenannten Pentapolis, also der Gemeinschaft der fünf Städte, gehörten Rimini, Pesaro, Fano, Senigallia und Ancona.
Pflichtstopp gleich außerhalb von Ravenna ist die Kirche Sant’Apollinare in Classe, ebenfalls reich mit Mosaiken ausgestattet. Hier befand sich in der Römerzeit ein gewaltiger Hafen, das Ende der Nabelschnur, die den Westen mit Byzanz verband.
Wer heute ans Meer will, muss ein paar Kilometer weiter nach Osten fahren; ein empfehlenswerter Abstecher von der Schnellstraße befindet sich in Cervia, wo das berühmte "süße Salz der Päpste" gewonnen wird. Die Salinen liegen in eigenen Becken im Landesinneren, etwas abgeschieden von den weiten, feinkörnigen Sandstränden direkt an der Adria.
Rimini ist schnell erreicht und kennt man natürlich hauptsächlich genau dafür: die kilometerlangen Strände; außerdem für Sonne und Partys, für Myriaden von Sonnenschirmen, dicht an dicht gestaffelt wie die Fußsoldaten der römischen Armee. Tatsächlich ist Rimini aber auch reich an Geschichte und mit einer fantastischen Altstadt beschenkt.
Sie erkundet man am besten außerhalb der Saison, wenn eine geruhsame Begutachtung der teilweise über 2.000 Jahre alten Bauwerke möglich ist: den Triumphbogen des Kaisers Augustus (aus dem Jahr 27 vor Christus!), die imposante Brücke des Kaisers Tiberius (vollendet 47 Jahre nach dem Bogen), das mit Bodenmosaiken geschmückte „Haus des Chirurgen“ und natürlich all die prächtigen Zeugen aus der Renaissance.
Der damalige Fürst Sigismondo Malatesta war als Heerführer eine der schillerndsten Gestalten Mitte des 15. Jahrhunderts, die Fehde mit der zweiten Kultfigur jener Jahre, dem Herzog von Urbino, füllt heute noch Geschichtsbücher und Romane.
Malatesta ließ nicht nur seine Stadtburg zur starken Festung ausbauen, sondern unter anderem auch eine berühmte Kirche, den Tempio Malatestiano, errichten. Das Gotteshaus gilt als eines der rätselhaftesten Gebäude der Frührenaissance und zeigt seinen Stifter in einem Bildnis von Piero della Francesca. Must-See für Kunstliebhaber, genauso wie das kürzlich eröffnete Fellini-Museum in der renovierten Burg und einem Nebengebäude in der Altstadt. Selbst wenn man kein Experte für den hier in Rimini geborenen Star-Regisseur ist – einen Spaziergang zumindest durch den charmant eingerichteten Museumsteil in der Burg können wir dringend empfehlen.
Wer stattdessen lieber Meer, Natur und weite Ausblicke schätzt, der setzt die Reise an der Küstenstraße fort. Kurz nach Cattolica erhebt sich bis Pesaro ein kleiner Bergrücken direkt an der Küste, gekrönt von einer kleinen, geschlängelten Straße. Am Wochenende wird hier stundenweise ein Fahrverbot für Autos und Motorräder verhängt, dann gehört die pittoreske Strecke den vielen Radfahrern – also aufpassen bei der Routenplanung!
Wir genießen den Rhythmus dieser Kurven in unserem Suzuki Vitara, den Blick aus dem Blau aufs Blau, die kleinen Ortschaften, die sich an die Hänge oder in die Falten dieses kleinen Höhenrückens schmiegen, windzerzaust auf der einen Seite, geschützt und daher mit üppig blühender Vegetation bewachsen auf der anderen.
Pesaro ist bald erreicht, wir entscheiden uns aber für den nächsten Halt in Senigallia, einer eher unbekannten Schönheit innerhalb der Pentapolis.
Auch hier formte das Meer die Stadt, drückte ihr den Stempel auf. Die zwischen dem Fluss Misa und der Küste eingezwickte Altstadt kann mit den spektakulären architektonischen Erbgütern von Ravenna und Rimini zwar nicht mithalten, ermöglicht dafür einen schönen Nachmittagsspaziergang ohne Pflichtbesuche. Man flaniert entlang der turmbewehrten Trutzburg des Giovanni della Rovere, durch kleine Gassen, die das Zentrum nahezu zum Labyrinth machen, bis sich ein geräumiger Platz öffnet – die heutige Piazza Garibaldi ist ein urbaner Raum, der von der Größe ehemaliger Herrschaft kündet.
Über kleine, wenig befahrene Straßen geht’s nun landeinwärts, Richtung Apennin, bis wir auf die berühmte Via Flaminia stoßen – bis weit ins Mittelalter eine der wenigen Möglichkeiten, auch mit großem Tross oder Transportmittel den langen, italienischen Gebirgszug zu queren. Eine atemberaubende Kulisse liegt dabei noch auf unserem Weg zu unserer letzten Station: die Gola del Furlo, eine tief eingeschnittene Schlucht, an deren Flanken sich die blanken Steinwände hunderte Meter hoch auftürmen. Ganz unten eingezwickt ist gerade noch Platz für den Fluss Candigliano und die kleine Straße.
Wer rasch noch ein paar Trüffel in den Kofferraum laden will, besucht kurz nach der Schlucht die Ortschaft Aqualagna: Kleine Shops verkaufen die in den umliegenden Wäldern gesammelten Delikatessen, auch die Restaurants stehen im Zeichen der Knolle.
Wir wenden uns gegen Norden, dem letzten Ziel zu: Urbino. Die kleine Stadt auf den Hügeln mit weitem Blick auf die hohen Spitzen des Apennin gilt als Musterstadt der Renaissance, als Hort der Kultur und Bildung. Hier residierte Federico da Montefeltro, der Gegenspieler Malatestas, ebenfalls einer der bestbezahlten Heerführer seiner Zeit. Kunst und Kultur wurden also aus Kriegskassen finanziert, der offenbar keineswegs zimperliche Federico konnte so mit schmutzigem Geld an seinem strahlenden Nachruhm als führender Fürst des Humanismus bauen.
Bis heute erhalten sind die sichtbaren Zeichen seiner Herrschaft: ein großartiges Renaissance-Schloss, das sowohl in seiner Architektur als auch der zugrunde liegenden Philosophie einzigartig ist und die Konzeption von Fürstensitzen nachhaltig verändert hat. Heute befindet sich in den weitläufigen, großartig ausgestalteten Räumen das Kunstmuseum der Region Marken, man kann hier also gleich zweimal staunen: über die Malerei und das Gebäude selbst. Apropos Malerei: einer der größten Künstler der Hochrenaissance, Raffael, wurde auch hier in Urbino geboren, sein Geburtshaus kann ebenfalls besichtigt werden.
Der schönste Blick auf das einmalige Ensemble der Stadt lässt sich über ein paar Serpentinen mit dem Auto ansteuern oder ist etwas mühsamer – aber auch reizvoller – per pedes direkt aus der Altstadt zu erreichen.
So oder anders: Nach dem Erklimmen des höchsten Punkts spaziert man am Kamm zum Nachbarhügel, Richtung Fortezza Albornoz. Die dort gebotene Aussicht auf eine fast 600 Jahre alte Prachtstadt ist am Ende beides: hoch – und ein Genuss.
Hotel- und Restauranttipps für eine gelungene Reise
Zentral, aber doch ruhig gelegen ist der schicke Palazzo Bezzi ein idealer Ausgangspunkt für einen Ravenna-Besuch. Die modern, aber gemütlich eingerichteten Zimmer verfügen über allen Komfort, das Frühstück ist üppig und vielfältig. Obendrein gibt es auch noch einen kleinen Wellnessbereich.
Hotel Palazzo Bezzi, Via di Roma 45, 48121 Ravenna
www.palazzobezzi.it
Die luftige überdachte Markthalle von Ravenna hat sich mit den Jahren in eine kleine kulinarische Erlebniswelt verwandelt. Hier findet man heute verschiedene Delikatessläden, die Fleisch, Fisch, hausgemachte Pasta oder die typischen Piadine bieten und ein Restaurant, das sich ebenfalls ganz den Genüssen der Romagna widmet. Gut besucht, daher für den Abend unbedingt reservieren.
Mercato Coperto, Piazza Andrea Costa 6, 48121 Ravenna
Bereits seit dem Jahr 1975 ist das Ca’ de Vèn eine Institution in Ravenna. In dem heimeligen Lokal, das nur einen Steinwurf von Dantes Grabmal entfernt liegt, treffen einander sowohl Einheimische als auch Reisende auf ein Glas Wein aus dem gut sortierten Weinkeller. Dazu gibt es herzhafte regionale Speisen: Piadine, Crescioni, frische Pasta oder Aufschnitt- und Käseplatten, die hier in den Mauern des historischen Palazzo Rasponi serviert werden.
Ca’ de Vèn, Via Corrado Ricci 24,
48121 Ravenna
www.cadeven.it
Designstar Ron Arad zeichnet für das ungewöhnliche Styling des sympathischen (und außerhalb der Hochsaison günstigen) Boutiquehotels im Stadtzentrum von Rimini verantwortlich. Besonders cool ist die Rezeption, die von einem großen leuchtenden Metallreifen umfasst wird. Die großen Zimmer sind nüchtern-modern, das Frühstück ist großzügig und die Lage ideal zum Erkunden der Stadt.
Eigene kleine Tiefgarage gleich nebenan!
Hotel Duomo, Via G. Bruno 28, 47921 Rimini
www.duomohotel.com
Unweit der Basilica di San Vitale findet man die kleine Osteria, die sich der Küche der Romagna verschrieben hat. Teigwaren werden selbstverständlich frisch von Hand, Gemüsegerichte nach alter Tradition zubereitet, Fleisch und Geflügel stammen von Bauernhöfen der Umgebung. Dazu werden kompetent die passenden Weine empfohlen.
Osteria dalla Zabariona, Via Argentario 19, 48121 Ravenna
www.osteriadallazabariona.com
Die weltberühmten Mosaike Ravennas, die sich auf mehrere Kulturschauplätze aufteilen, erkundet man am besten mit einem Sammelticket. Der Besuch des Galla-Placidia- Mausoleums und des Neoniano- Baptisteriums muss vorab reserviert werden. Das kann man gleich an einem der Ticketschalter machen oder schon vor Reiseantritt unter:
www.ravennamosaici.it
In den waldigen Rand der Furla-Schlucht gebaut, beeindruckt die Luxury Eco-Lodge nicht nur durch ihre Lage, sondern auch durch ihre Gestaltung: Die drei Zimmer, die großzügige Suite und das Apartment scheinen zwischen den Bäumen zu schweben. Nahezu rundum verglast bieten die Räume eine wunderbare Aussicht auf die Schlucht. Großer Wert wurde auf Nachhaltigkeit gelegt: Solarstrom, natürliche Baumaterialien und eine intelligente Energiesteuerung sorgen für eine geringe Umweltbelastung.
La Forestale, Via Monte Furlo 1, 61040 Acqualagna
www.laforestale.it
Die kulinarische Nähe zum Meer drückt sich im Kalumet durch seine außergewöhnliche Lage aus: Direkt an der nördlichen Mole liegt dieses in maritimen Farbtönen gehaltene Fischrestaurant, das sich ganz auf die Zubereitung von Fisch und Meeresfrüchten spezialisiert hat. Gehobene Preise, aber einer der schönsten Plätze, um Küste und Kulinarik zu verbinden.
Kalumet Molo Nord, Via Arrigo Boito, 48015 Milano Marittima
In der wehrhaften Burganlage von Sigismondo Pandolfo Malatesta, dem einstigen Herrscher von Rimini, ist heute das Museo Fellini untergebracht, das dem berühmten Regisseur und Sohn der Stadt gewidmet ist. Das sehenswerte Museum bietet nicht nur alle Infos zu den weltberühmten Filmen und ihrer Entstehungsgeschichte, viele Elemente der Ausstellung lassen sich auch interaktiv und spielerisch erkunden.
Museo Fellini, Castel Sismondo, Piazza Malatesta, 47921 Rimini
Küche unter dem Siegel des Slow-Food-Labels genießt man in der Osteria de Borg, die ganz nahe der Tiberius-Brücke etwas außerhalb des Stadtzentrums liegt. Regionale Produkte werden hier sorgfältig ausgewählt und zu traditionellen Gerichten mit modernen Akzenten kombiniert.
Osteria de Borg, Via Forzieri 12, 47921 Rimini
www.osteriadeborg.it
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