
Man(n) hat Mut zum Hut: Das Comeback der Männer-Kopfbedeckung
Sie sind wieder da! Männer tragen Hüte mit Stil und Esprit. Die freizeit sprach mit einem Wiener Hutmacher, der auch Brad Pitt beliefert.
Humphrey Bogart ließ seinen Fedora nicht aus den Augen (oder vom Kopf), Winston Churchill wusste, dass kein Zigarrezupfen ohne Homburg komplett ist, und Helmut Schmidt hätte vermutlich eher seine SPD-Mitgliedschaft abgegeben als seinen Elbsegler.
JR wäre ohne seinen Stetson undenkbar gewesen – und auch der King of Cool, Frank Sinatra, trug, außer auf der Bühne oder zuhause, konsequent die Kopfbedeckung, die ganz einfach zum Mann gehörte. Mal gangstermäßig, dann wieder unschuldig jungenhaft – aber dazu später mehr.
Jedenfalls: Hüte waren ein Statement. Und dann, Ende der 60er, verschwanden sie fast völlig. Wie das kam?
Zum einen: Rebellion, Schätzchen. Die Haare wurden länger, die Frisur wichtiger, ein Statement sozusagen. Das versteckt man ganz einfach nicht unter einem Hut, außer man hat eine Glatze zu verbergen, was einen ganz offensichtlich in die verachtenswerte Kategorie Alter Mann verfrachtete...

Humphrey Bogart mit einem absoluten Klassiker in einem Klassiker. Sein Hut, der Fedora, war lange Zeit das Markenzeichen "richtiger" Männer
©WarnerBrosAußerdem lest ihr in dieser Geschichte noch:
- Warum Hüte WIRKLICH plötzlich out waren
- Borsalino, Stetson & Co.: Diese "Modelle" gibt es nicht
- Welche Hüte Brad Pitt in Wien bestellt
Der andere Grund war eher praktischer Natur: Die Autos wurden immer niedriger, windschlüpfiger, der Hut hatte zwischen Kopf und Himmel – so heißt die offizielle Bezeichnung der "Autodecke" tatsächlich – ganz einfach keinen Platz mehr.
Abgesehen von einem Nischendasein als Accessoire für Kerle wie Michael Jackson und Boy George hatten Hüte im ausgehenden 20. Jahrhundert also keinen Platz auf den Köpfen von Männern. Richtigen Männern.
Hipster und schräge Vögel, die in Jarmush-Filmen Hüte trugen oder Rocker wie Slash, die mit nacktem Oberkörper und einem Zylinder auf dem Wuschelkopf ihre Gitarre würgten, blieben über Jahrzehnte die Ausnahme.

Der Pork Pie Hat hat eine schmale, runde Krempe und war lange der Hut der Jazzer (188 € von Mühlbauer)
©MühlbauerMit dem neuen Jahrtausend aber kamen sie Schritt für Schritt zurück. "Auch Bruce Springsteen hat mit seinem Pork Pie sehr früh ein Zeichen in Richtung Hut gesetzt", sagt Klaus Mühlbauer, Wiener Hutmacher in vierter Generation.
Pork Pie? Klingt nach deftiger Hauptspeise und nicht unbedingt nach Hut, oder? Und tatsächlich hat die Kopfbedeckung, die Buster Keaton in den 1920ern weltbekannt machte, in Österreich den Spitznamen Reindl. "Ab den 1930ern bis weit in die 50er war das der Lieblingshut vieler Jazz- und Blues-Musiker", nennt Mühlbauer nähere Details.
Erst seit zehn, 15 Jahren jedoch, so der Experte, dessen Familie sagenhafte 122 Jahre im Hutmacher-Geschäft ist, habe vor allem eine jüngere Generation von Männern ihre Scheu vor dem zum Symbol einer konservativen Ära gewordenem Hut abgelegt.
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Der Homburg war der Hut des echten Gentlemans. Hat er eine Chance auf ein Comeback? (ca 300 € von Hutwerkstatt Risa, Basel)
©RISA HUTWERKSTATT AGUnd jetzt sind sie plötzlich wieder da, die Fedoras, Trilbys, Pork Pies und wie sie alle heißen. Wie stehen die Chancen für den edlen Homburg, den Hut der Kanzler und Könige, der nach einem letzten Highlight auf Al Pacinos Kopf in Der Pate fast völlig von der Bildfläche verschwunden ist?
"Eher schlecht derzeit. Der Trend geht doch in Richtung leicht und lässig", gibt Mühlbauer, dessen eigene Hut-Kreationen auf der Pariser Fashionweek regelmäßig für Begeisterung sorgen, der geheimen Hoffnung des Autors eine Absage.
Der heiße Hut der Väter
Stattdessen dick da: der Bucket Hat, ausgerechnet. Ein Accessoire, das vor gar nicht allzu langer Zeit noch als finale Stufe der modischen Selbstaufgabe galt, der Anglerhut, den neben österreichischen Teamchefs des alten Jahrtausends nur Touristen und modisch schmerzbefreite Väter zu unförmigen Shorts kombinierten, ist das heiße Ding der Stunde.
Alles wegen Jeremy Strong, der bei den Golden Globes (Foto ganz oben) ein Exemplar aus mintgrünem Samt auf dem Kopf hatte? "Nein, der hatte ihn auf, WEIL er eben seit einiger Zeit wirklich angesagt ist", stellt Mühlbauer richtig. Und tatsächlich, von Gangster-Rappern bis zum Filmstar der Stunde, Jacob Elordi: Alle reißen sich um Bucket Hats!
Das gilt im Zuge des anhaltenden Cowboy-Hypes auf Netflix auch für den zuletzt von J. R. Ewing so heiß geliebten Stetson. Der ist dank Beyoncé und Lil Nas X endgültig auch in den Großstädten zurück. In den USA und Südamerika – in Europa tut sich der Cowboyhut doch noch einigermaßen schwer. "Wobei Stetson die Firma bezeichnet, nicht das Modell. Die stellen auch, oder eigentlich hauptsächlich, Trilbys und Fedoras und sämtliche gängigen Hut-Modelle her", erklärt Klaus Mühlbauer.

Wer Borsalino sagt, meint oft den Hut-Klassiker schlechthin: den Fedora. Der wurde aber weder von der italienischen Hutmacher-Firma erfunden, noch exklusiv produziert. Fedoras gibt es von vielen Herstellern, wie dieses wunderbare Modell von Alessandria Brauner (ab 100 €)
©HerstellerEine Deonymisierung also, wie bei Uhu oder Tempo. Genau das trifft auch auf "den" Borsalino zu, der oft genannt wird, wenn man eigentlich Fedora meint. Tatsächlich ist Borsalino aber eine 1857 im italienischen Alessandria gegründete Marke.

Der Traveller ist ein Fedora mit nach unten geknickter Krempe (hier in "Panama-Qualität", 245 € von Mühlbauer)
©MühlbauerUnd auch "den" Panamahut gibt es nicht wirklich. Panama bezeichnet nur das Material. Der Hut wird aus den feinen Fasern der Toquilla-Palme geflochten, die übrigens aus Ecuador stammt – nicht aus Panama! Die Verwirrung entstand, weil viele dieser Hüte über den Panamakanal exportiert wurden und sie Arbeiter beim Bau des Kanals trugen.
US-Präsident Teddy Roosevelt machte ihn seinerzeit weltberühmt, Ernest Hemingway ist untrennbar damit verbunden – die Modelle, die sie und später auch Paul Newman so gerne trugen, waren allerdings ebenfalls Fedoras, während Brad Pitt Panama-Trilbys bevorzugt.

Der Trilby wirkt durch die kleine Krempe jugendlicher als der Fedora (ca. 80 € von Hut Styler). Angeblich hatte auch der Tiroler-Hut einen gewissen Einfluss auf ihn. Er war lange der Lieblingshut Frank Sinatras, heute tragen ihn auch Brad Pitt und Justin Timberlake
©HerstellerWobei Trilby im Prinzip ein Fedora mit kürzerer, aufgebogener Krempe ist. Den Fedora wiederum hat Klaus Mühlbauer zum Traveller weiterentwickelt, indem er die Krempe leicht nach unten knickte, und ihn so ein wenig an den Markenhut unseres Lieblingsarchäologen Indiana Jones erinnern lässt.
Brad Pitt: Großbestellung in Wien
Aber noch einmal zurück zu Brad Pitt: Kauft er wirklich seine Hüte in Wien? "Einige davon, würde ich sagen", sagt Klaus Mühlbauer lachend. "Er hat vor Kurzem erst wieder 20 oder 30 Hüte bestellt. Wobei er sie offenbar auch ganz gerne an seine Freunde und Freundinnen verschenkt. Es sind immer auch etliche Damenhüte dabei." Welche Modelle genau der Hollywood-Beau geordert hat, darüber lässt sich der diskrete Hutmacher nicht aus.
Nur so viel: Ein Bucket-Hat ist dabei. Ausgerechnet!
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