Wenn im Bett nichts mehr läuft: Eine Sexualberaterin gibt Tipps
Woher kommt diese Lustlosigkeit und wie kann ich dafür sorgen, dass mein Liebesleben wieder aufregender wird? Wir haben eine Sexualberaterin dazu befragt.
Mit dem Partner gar keinen oder nur langweiligen Sex zu haben, kann frustrierend sein. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. "Wenn das in Beratungsgesprächen Thema ist, stellt sich erstmal die Frage: Geht es um die partnerschaftliche Sexualität oder auch um die Solo-Sexualität, also Selbstbefriedigung? Oder hätte man prinzipiell Lust auf Sex, aber eben nicht mit dem oder der Partner*in?“, so Sexualberaterin Christine Hofstätter gegenüber freizeit.
Grundsätzlich hat jeder Mensch "Lust". "Das beginnt mit der Geburt. Ohne die Lust auf etwas würde man sich als Mensch nicht weiterentwickeln. Kinder haben eine natürliche Entdeckungslust, die ihnen beispielsweise bei den ersten Gehversuchen ermöglicht, nach jedem Hinfallen wieder aufzustehen – sie wollen die Welt entdecken." Ob man der Lustsuche auch in der Sexualität nachgehen kann, hängt damit zusammen, wie man Sexualität erfahren hat.
Was euch in dieser Geschichte erwartet
- Wie Lustlosigkeit entsteht
- Warum Emotionen beim Sex eine wichtige Rolle spielen
- Was bei einer harmonischen Beziehung oft das Problem ist
- Was man gegen Lustlosigkeit tun kann
Was löst Lustlosigkeit aus?
"Es ist immer ein Ergebnis von Lernerfahrungen. Wenn etwa Mädchen in der Kita lustvoll ihre Genitalien erkunden, kommt es im Vergleich zu Buben häufiger vor, dass Fragen auftauchen, wie: Ist das normal? Hat sie das irgendwo gesehen? Hat sie vielleicht sexuellen Missbrauch erlebt? Wenn Kinder bei Ihrer Lusterkundung und Körperentdeckung aufgrund der Reaktionen aus ihrem Umfeld lernen, dass der Kontakt mit ihren Genitalien, Körperflüssigkeiten oder damit zusammenhängender Lust und Neugierde auf negative Reaktionen stößt, wird diese vielleicht eingestellt oder schamhaft besetzt."
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Diese Erfahrungen drücken sich dann bei sexuellen Kontakten mit sich oder anderen aus, beispielsweise durch wenig Empfindung bei vaginaler Penetration oder Unsicherheit im Umgang mit der eigenen Erektion. Betroffene Personen erleben dann häufig das Gefühl, dass das nicht "normal" ist – dabei ist es Ausdruck ihres bisherigen Lernweges, der nicht fest ist, sondern durch neue Lernerfahrungen weiterentwickelt werden kann.
Warum Emotionen beim Sex eine wichtige Rolle spielen
Sexuelle Lust und Erregung findet aber nicht nur über die Genitalien statt, sondern auch über Emotionen. "Wenn es etwa im Bett nicht rund läuft, kann das an der Qualität der Beziehung liegen. Lässt der oder die Partner*in immer das Geschirr liegen oder ich fühle mich nicht ernst genommen, habe ich keine Lust auf meine*n Partner*in, aber vielleicht trotzdem auf Sex", stellt die Expertin fest.
Lustlosigkeit bei einer harmonischen Beziehung
Aber auch in einer harmonischen Beziehung können Schwierigkeiten in der Sexualität entstehen. So kann sich nach einer Phase der Verliebtheit mit starker sexueller Anziehung nach Abschwächen dieser Emotion auch sexuelle Langeweile oder Frustration einstellen.
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Das kann daran liegen, dass Paare sich nicht über ihre sexuellen Wünsche und Fantasien austauschen. Es geht darum, auf sich gegenseitig zuzugehen und dabei über die Dinge zu sprechen, die man will und die man nicht mag: "Druck sollte dabei keiner entstehen." Schnell zum penetrativen Sex überzugehen sei alles andere als hilfreich, betont Hofstätter: "Man braucht Zeit, um in den Zustand der Präsenz zu kommen." Ein wichtiger Punkt beim befriedigenden Sex ist zudem die erotische Intimität: "Intimität entsteht nicht dadurch, dass jemand sagt: Ich will jetzt Sex, sondern sagt: Ich will Sex mit dir."
Verliebtheit kann eine Stütze sein in sexuelle Erregung zu kommen, wenn diese abnimmt, so auch die sexuelle Lust aufeinander. Wenn Paare an ihrer Beziehung festhalten und sich dem Druck hinzugeben, dass es wieder Zeit für Sex wäre, aber in dem Moment eigentlich gar keine Lust empfindet, kann der Widerstand immer größer werden oder sich auch körperlich durch Schmerzen beim Verkehr ausdrücken: "Das sind Strategien, die dazu führen, dass man noch weniger Lust hat, noch weniger Erregung spürt und noch weniger Leidenschaft empfindet."
Oder aber: Man ist zu sehr abgelenkt von Gedanken wie "Habe ich die Herdplatte ausgeschaltet?" oder "Hat sich jetzt mehr Cellulite an meinen Beinen angesammelt?"
Ratgeber lösen oft nicht das Problem
Das große Problem dabei ist die Abwesenheit. "Ich kann viele Ratgeber lesen, was ich quasi technisch richtig machen kann, aber in dem Moment, wo ich nicht präsent bin, hat die andere Person gar keine Chance, irgendwas richtigzumachen", sagt die Sexualberaterin. Auch (chronischer) Stress kann begünstigen, dass man Probleme mit der Präsenz hat und wenig von der Begegnung oder Berührung in der Sexualität wahrnimmt.
Was man gegen Lustlosigkeit tun kann
Die gute Nachricht: Achtsam und präsent zu sein, kann man üben. Hofstätter macht das in ihrer Beratung meist in Form von Achtsamkeitstraining, Bodyscans und dem Ansatz nach Sexocorporel. Dabei geht es in erster Linie darum, sich selbst, den anderen Menschen und die Situation an sich wahrzunehmen – sowie dabei auftauchende Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen.
Auch geregelte Zeiten können helfen: "Das heißt, man nimmt sich Zeit für die Achtsamkeit." Wer langfristig etwas verändern möchte, sollte eine Sexualberatung in Erwägung ziehen. "Wir bringen alle unser Auto jährlich in die Werkstatt oder engagieren einen Mechaniker, wenn unser Waschbecken verstopft ist. Aber warum gehen wir nicht zur Sexualberatung, wenn wir Probleme in unserer Sexualität haben oder uns sexuell weiter entwickeln wollen?", so die Expertin.
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