Sollen Frauen öfter Sex wie Männer haben?

Warum es keine gute Idee ist, Sex "wie" jemand zu haben. Und warum es besser ist, auch in Sachen Sexualität authentisch zu bleiben.

Freundin R redete sich unlängst in Rage. Wie satt sie es habe, und dass nun endlich der Moment gekommen sei, Sex wie ein Mann zu haben. Um eben nicht mehr darauf zu warten, dass so ein „Supersäusler“ mit Charmegarantie erst die Komplimente-Masche auspackt, um anderntags mit Bussi-Bussi wieder dezent aus ihrem Leben zu verschwinden. Motto „Man sieht sich, nett war’s. Wurscht“. Während sie anderntags im Stundentakt auf ihr Smartphone schaut, ob der Gute nicht doch ein pochendes Herz-Emoji schicken würde, zumindest aber eine Botschaft mit irgendeiner Prise Sentiment. Ab sofort also nur mehr „Casual Sex“: Ciao, Herzalarm.

Mich erinnert das an eine der ersten Episoden von „Sex and the City“, in der Protagonistin Samantha erzählte, dass sie Sex ohne Gefühle präferiere, O-Ton: „Who cares? Just fuck.“ Schließlich fragte auch Carrie als zentrale Figur der Serie: „Sollten wir Sex wie Männer haben?“. Das ist zwar lange her, 22 Jahre nämlich, aber nach wie vor ein Thema.

Etwa, weil sich der Gedanke, dass sich Frauen sexuell gönnen würden, worauf sie spontan Lust haben, gesellschaftlich noch immer nicht durchgesetzt hat. Zügig wird der „Schlampen“-Beleg gezückt, da und dort hält sich immer noch das hartnäckige Image des „braven Mädchens“, das der Erfahrung wegen, schon ein bisschen „rummachen“ darf – aber bitte in Maßen. Andererseits stecken wir mitten im Umbruch, Rollenbilder und Klischees betreffend.

Wenn in diesem „Spüren“ eine Frau „einfach so“ Sex haben möchte – ohne weltumspannende Emotionen und Verlobungsfantasien – ist das völlig okay. Sie hat aber dann nicht Sex wie ein Mann, sondern wie sie selbst.

Sex leben, wie es sich fein anfühlt

Längst geht es nicht mehr darum, in Gut und Böse, in Schwarz und Weiß und in streng weiblichen, streng männlichen Kategorien zu denken, sondern Sexualität so zu leben, wie es fein ist und es sich gut anfühlt. Auf Augenhöhe – aus dem Bauch, aber auch aus dem Herzen heraus. Dazu gehört, sich selbst gut zu spüren.

Wenn in diesem „Spüren“ eine Frau „einfach so“ Sex haben möchte – ohne weltumspannende Emotionen und Verlobungsfantasien – ist das völlig okay. Sie hat aber dann nicht Sex wie ein Mann, sondern wie sie selbst. Nein: Wir müssen nichts und niemanden nachahmen, um uns besser oder anders zu fühlen, sondern das tun, wonach uns ist und was für den Moment gut passt. „So sein wie“: verdammt schlechte Idee, stopp.

Und so ist auch ein Mann kein Weichei, wenn er sich nicht als stählerne Sex-Maschine durchs Leben vögelt, sondern etwas empfindet. Gefühle, vielleicht den Wunsch nach Verbindung. Weg mit den Konditionierungen, raus aus dem Abgrenzen, Kontrollieren und Abzwicken von Emotionen. Der Mann ist dann ebenfalls nur er selbst – und nicht „wie eine Frau“ oder gar „verweiblicht“. Sondern ein Mensch, der sich ernst nimmt, jenseits von Wollen, Sollen, Müssen, Dürfen.

Im Einklang damit, was sich gut anfühlt, was er möchte – und was nicht. In diesem Sinn ist es wichtig, nichts und niemanden auszugrenzen, nur weil sich in uns kulturell vorgegebene Rollenbilder manifestiert haben, die längst überholt sind und sich als Blödsinn entpuppen. Männer dürfen nicht weich sein, Frauen müssen es: Bullshit. Jeder einzelne Mensch ist eine eigene sexuelle Persönlichkeit mit einem eigenen sexuellen Skript und einmaligen Bedürfnissen, Wünschen sowie einem individuellen Begehren.

Abgesehen davon sollte die Idee des „Casual Sex“ niemals gänzlich ausschließen, dass sich die Sexualpartner trotzdem herzvoll aufeinander einlassen – im Sinne von Präsenz, einer Einstimmung auf den anderen Menschen und einer Leidenschaft, die auf Bindung und Miteinander basiert.

Zumindest für diesen einen Moment und diese eine gemeinsame erotische Reise. Dazu müssen wir aber wissen, was wir mögen. Und wer wir sind.

Ja zu mir

Apropos „Sex and the City“: In der Serie gab sich Carrie Bradshaw eines Tages  selbst das Ja-Wort und heiratete sich selbst. Das war zirka 2003. Zehn Jahre später liegt „Sologamie“ offenbar immer noch im Trend, mit eigenen „I married me“-Geschenkboxen, zum Beispiel. Prominente gelten als Vorbilder – wie etwa die  Schauspielerin und Sängerin Selena Gomez oder Topmodel Adriana Lima. 

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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