
Recht kompliziert: Sind getrennte Betten eine Eheverfehlung?
Zwei Anwälte, zwei Ansichten, eine Rechtslage: Das Wiener Duo erzählt Geschichten aus seiner Ehe, beantwortet Fragen, die uns im Alltag beschäftigen, erklärt, was vor Gericht zählt – und wie er oder sie die Causa sehen.
Der Fall: Bereits die ersten Übernachtungen am Anfang unserer Beziehung waren ein Albtraum trotz akuter Verliebtheitsphase. Schnarchgeräusche und Tiefkühlatmosphäre haben mich keine Sekunde in seiner Wohnung schlafen lassen, umgekehrt hat er sich in meiner Wohnung mit tropischer Raumtemperatur und zehn Decken vor einem Kreislaufkollaps gefürchtet. Daher war nach kurzer Überlegung klar – zusammen werden wir vielleicht alt, aber definitiv nicht in ein und demselben Schlafzimmer. Seit Beginn der Ehe sind getrennte Schlafzimmer daher ein unverrückbares Fundament unserer bereits zehn Jahre dauernden Ehe. Doch was, wenn sich Paare nicht einig sind? Wenn einer Nähe sucht, der andere Abstand will? Kann ein getrenntes Schlafzimmer dann zur Eheverfehlung werden? Sind getrennte Schlafzimmer gleichzusetzen mit einem Auszug nach der Trennung und hat man dadurch Nachteile in einem Scheidungsverfahren?
Mag. Carmen Thornton:
Auch wenn der Luxus von zwei Schlafzimmern für viele schlicht nicht finanzierbar ist, ist es verständlich, dass ein erholsamer Schlaf wesentlich zum allgemeinen Wohlbefinden beiträgt. Chronischer Schlafentzug führt bekanntlich zu einer erhöhten Reizbarkeit und Verstimmungen, die eine Ehe nachhaltig belasten können. Und dass die nächtlichen Schnarchgeräusche die Attraktivität des Ehemannes nicht gerade erhöhen, ist auch kein allzu großes Geheimnis. Wenn die Nächte regelmäßig zu Streit führen, sollte jeder Partner den Wunsch des anderen nach Ruhe und Privatsphäre respektieren. Die gesellschaftliche Erwartungshaltung führt leider oft dazu, dass sich keiner traut, dass auszusprechen, was beide empfinden: dass man zwar gerne gewisse Zeiten gemeinsam im Schlafzimmer verbringt, aber in der Nacht seine Ruhe haben möchte. Dass der Wunsch der Anfang vom Ende jeder Ehe ist, kann ich aus meiner Erfahrung als Scheidungsanwältin nicht bestätigen.

Carmen Thornton ist Rechtsanwältin in Wien.
Keine Pflicht
Alle, denen es so geht, kann ich beruhigen: Es gibt zwar die Pflicht zum gemeinsamen Wohnen. Die Befürchtung, dass es als Eheverfehlung gewertet wird, weil man nicht jede Nacht im gemeinsamen Bett schläft, ist meist unbegründet. Getrennte Schlafzimmer verletzen die Pflicht zum gemeinsamen Wohnen nicht, solange man im selben Haushalt lebt. Man muss nicht jedes Zimmer gemeinsam benützen, so werden Arbeitszimmer auch oft nur von einem Ehepartner genutzt. Solange man die Wohnung gemeinsam nutzt und gemeinsam den Alltag bewältigt, Unternehmungen macht, einander unterstützt und liebevoll behandelt, sind getrennte Betten oder getrennte Schlafzimmer völlig in Ordnung.
Entscheidend ist, ob der Wunsch nach getrennten Betten einen sachlichen Grund hat. Das können berufliche, gesundheitliche oder auch sonstige nachvollziehbare Gründe sein. Ein nächtliches Schnarchkonzert des Partners, das dazu führt, dass man kein Auge zumachen kann, wird auf Dauer zu einem gesundheitlichen Problem werden und auch die berufliche Leistung beinträchtigen, sodass der Wunsch nach ein wenig Abstand keine Eheverfehlung ist. Eine gänzliche Abwendung vom Ehepartner und die Ablehnung jeder körperlichen Nähe kann hingegen sehr wohl eine Eheverfehlung sein. Problematisch wird es daher, wenn die räumliche Trennung vom anderen nicht mehr dem erholsamen Schlaf dient, sondern als Rückzug, Kränkung oder als Zeichen emotionaler Distanz empfunden wird. Zwar kann kein Partner den anderen zur Übernachtung im Ehebett und schon gar nicht zu bestimmten Handlungen zwingen, aber wenn aus den getrennten Schlafzimmern vollständig getrennte Wohnbereiche werden, die Ehepartner nur mehr nebeneinander und nicht mehr miteinander leben oder einer gar auszieht, dann ist das sicherlich der Anfang vom Ende.
Gesamtbild ist entscheidend
Bevor man sich den Kopf zerbricht, wie viel Distanz eine Eheverfehlung darstellt, sollte man sich dessen bewusst sein, dass im Scheidungsverfahren immer das gesamte Verhalten in der Ehe zu würdigen ist. Es wird daher keine „Stricherlliste“ geführt, bei der am Ende derjenige gewinnt, der mehr Eheverfehlungen nachweisen kann, sondern es kommt auf den Gesamtzusammenhang an und darauf, inwieweit die einzelnen Eheverfehlungen einander beeinflusst und zum Scheitern der Ehe beigetragen haben. Wichtig ist, einen Kompromiss zu finden. Wenn man auf keinen grünen Zweig mehr kommt, wird man vor Gericht die eigenen Beweggründe erklären müssen. Dafür eignet sich eine Liste wiederrum ganz gut.
Mag. Johannes Kautz:
Ehrlich: Ich habe mich noch nie schnarchen gehört, so schlimm kann es also nicht sein. Und ich würde nicht im Traum behaupten, dass auch nur eine Nacht mit meiner geliebten Ehefrau ein Albtraum gewesen wäre. Trotzdem weiß ich die Vorteile eines erholsamen Schlafes durchaus zu schätzen. In die Sauna gehe ich gerne vor dem Schlafen, in der Nacht habe ich keine große Lust auf eine Schwitzkur. Und die gemeinsamen Nächte im Urlaub zu zweit, in denen die kleinste Bewegung und jeder Atemzug von einem wütenden Zischen, Tritten und lautstarken Beschwerden über die nächtliche Störung begleitet wird (von der Reaktion auf Niesen oder Husten möchte ich hier gar nicht berichten), erinnern mich immer wieder daran, dass getrennte Schlafzimmer bei uns eheerhaltend sind.
Eheliche Pflicht
Allerdings: Gerade wenn man beruflich sehr eingespannt ist und sich untertags kaum sieht, ist es nachvollziehbar, dass man zumindest die Nacht gemeinsam verbringen möchte. Immerhin ist auch körperliche Nähe ein wesentlicher Bestandteil einer funktionierenden Ehe. Nicht ohne Grund sieht das Gesetz eine eheliche Pflicht zum gemeinsamen Wohnen vor. Eine gesonderte Wohnungsnahme gegen den Willen des anderen ist nur zulässig, wenn das Zusammenleben mit dem anderen unzumutbar ist oder nachvollziehbare Gründe dafürsprechen. Ein ungerechtfertigter Auszug aus der gemeinsamen Wohnung stellt eine Eheverfehlung dar, die dazu führen kann, dass man seinen nachehelichen Unterhaltsanspruch verliert und damit finanzielle Nachteile erleidet. Dass ein getrenntes Wohnen in der Ehe nur in besonderen Ausnahmefällen gerechtfertigt ist, zeigt, welch hohen Stellenwert der Gesetzgeber dem Zusammenleben der Ehepartner einräumt. Der Begriff der Trennung von Tisch und Bett kommt nicht von ungefähr.
Getrennte Schlafzimmer sind zwar nicht mit einem Verlassen der Ehewohnung zu vergleichen, allerdings kann das grundlose Aussperren oder ein grundloser Auszug aus dem gemeinsamen Schlafzimmer vor Gericht durchaus als Eheverfehlung gewertet werden, es kommt immer auf den Grund an. Das Bedürfnis eines Partners nach mehr Nähe, aber auch gesellschaftliche Erwartungshaltungen oder traditionelle Wertvorstellungen können schnell dazu führen, dass sich ein Ehepartner zurückgewiesen fühlt. Das Gefühl der Sicherheit und der Zusammengehörigkeit ist ein wesentlicher Faktor in einer Ehe. Und bei jeder Trennung besteht auch die Gefahr, dass man sich auseinanderlebt. Es hat daher schon einen Grund, dass der unerwünschte Auszug aus dem gemeinsamen Schlafzimmer unter Umständen als Eheverfehlung gewertet werden kann, wenn er auf ein mangelndes Interesse zurückzuführen ist und es sich dabei nicht um eine Reaktion auf ein gravierendes Fehlverhalten des anderen handelt. Solange die Bedürfnisse beider nicht zu kurz kommen, ist gegen getrennte Betten also nichts einzuwenden, im Gegenteil. Ist die nächtliche Trennung hingegen die Folge einer Ehekrise, sollten die Alarmglocken schrillen.

Johannes Kautz ist Rechtsanwalt in Wien.
Weniger Regeln in Partnerschaft
Wer in einer Lebensgemeinschaft lebt, hat rechtlich deutlich weniger zu befürchten, wenn er seinem Wunsch nach nächtlicher Distanz Ausdruck verleiht. Die Pflicht zum gemeinsamen Wohnen gilt nur in der Ehe. Zwar kann das Aussperren aus dem Schlafzimmer oder der Wohnung zu einer Besitzstörungsklage führen. Ist dieser Punkt in einer Beziehung einmal erreicht, muss man sich aber über die Schlafsituation meistens ohnehin nicht mehr den Kopf zerbrechen.
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