Selbstversuch: Das erste Mal Reformer Pilates probieren
Egal, ob Hailey Bieber oder Harry Styles: alle sind im Reformer Pilates Fieber. Auch auf TikTok und Instagram vergeht kein Tag, ohne ein Fitnessvideo angezeigt zu bekommen. Doch was macht die Sportart so beliebt?
"Nach zehn Stunden fühlen Sie den Unterschied, nach 20 Stunden sehen Sie den Unterschied, und nach 30 Stunden haben Sie einen neuen Körper“, meint schon Joseph Pilates – der Erfinder von Pilates.
Für mich geht es heute das allererste Mal auf den Reformer. Hierfür sind wir zu Gast bei dem von Julia Fodor ins Leben gerufene Studio "June“ neben dem Parlamentsgebäude in Wien. Ob es noch zu weiteren Stunden kommt?
Woher kommt Pilates?
Die Sportart Pilates geht auf Joseph Hubertus "Joe“ Pilates zurück. Dieser war ein deutscher Körpertrainer und Begründer eines systematischen Körpertrainings zur Kräftigung der Muskulatur. Der Deutsche begann schon sehr früh sein Konzept eines ganzheitlichen Körpertrainings zu entwickeln, das er selbst „Contrology“ nannte. Aufgrund seines Erfolgs zog er später nach New York, wo er seine Methode an den amerikanischen Hochburgen des Tanzes einführte. Hier lernte er seine Ehefrau Clara kennen. Durch ihre Erfahrung als Krankenschwester kam es zu einer sanfteren und rehabilitiv ausgerichteten Weiterentwicklung seines Konzeptes. Das Besondere dabei: Joe überlegte sich für jeden seiner Klienten eigene Übungen und passte das Training individuell an.
Das Paar leitete seine gemeinsamen Studios und praktizierte den Sport selbst bis ins hohe Alter.
Im Laufe der Jahre kam es zu zahlreichen Abwandlungen der Trendsportart. Statt also nur auf der Matte zu turnen, kommt es etwa zu Wandpilates, TRX-Pilates oder eben auch zum Reformerpilates.
So funktioniert’s
Im Grunde handelt es sich – wie beim normalen Pilates – um kleine Bewegungen. Dabei ist jedoch der ganze Körper unter Spannung. Das Motto: Viele Wiederholungen mit wenig Gewicht.
Das Gerät, auf dem die Übungen ausgeführt werden, besteht aus einem Schlitten, den man auf Schienen hin und herschieben kann. Gegensätzlich dazu gibt es aber auch eine Standplattform, die sich nicht bewegt. Außerdem zeichnet sich ein Reformer durch Seile mit Fuß- und Handmanchetten und durch eine Fußstange aus.
Mithilfe von fünf Federn kann man mehr oder weniger Widerstand einstellen. Dies ermöglicht unterschiedliche Schwierigkeitsgrade – je nach Farbe. So hängt man bei manchen Übungen also eine gelbe ein, bei anderen wiederum eine rote und eine blaue. Damit wird das Training sowohl für Anfänger als auch Fortgeschrittene tauglich gemacht.
Statt mit schweren Gewichten, arbeitet man beim Pilates mit dem, was man hat: dem reinen Körpergewicht. Für etwas Abwechslung und zusätzliche Herausforderung sorgen jedoch auch Übungen mit Hanteln, Bällen, Ringen oder Widerstandsbändern.
Ein bisschen darf geschummelt werden. Für einen besseren Halt trägt man nämlich Rutschsocken.
Was bringt es?
Pilates soll den Körper tonen und formen. Nicht etwa wie das Fitnessstudio, aber anders. Wer also pralle Muskeln haben und schwere Gewichte durch den Raum schleppen will, ist hier falsch. Anders als beim klassischen Krafttraining werden beim Pilates eher die langen Muskeln bearbeitet. Dies sorgt für ein schlankes und gestrafftes Ergebnis.
Zusätzlich erfolgt eine Dehnung der Muskeln. Dies soll die Körperhaltung und auch die Körperspannung verbessern. Man kann sich das Ganze also wie richtig anstrengendes Yoga vorstellen.
Wie viele Kalorien man durchschnittlich beim Reformer Pilates verbrennt, will Julia nicht verraten. "Wir wollen auch gar nicht mit solchen Fakten werben. Wichtig ist uns, dass unsere Besucher Spaß am Sport haben und sich bei uns wohlfühlen. Das ist viel wichtiger, als nur auf die Kalorien zu achten“, erklärt sie uns. Wenn das nicht mal eine schöne und langfristig gesunde Aussage ist.
Warum tu ich mir das an?
Jetzt bin ich dran. Inmitten von 12 Personen geht’s ab auf den Reformer. Eine sehr wackelige Angelegenheit wie sich schnell herausstellt. Das Gerät selbst sieht erstmal aus wie eine Foltermaschine. Wie sich nach knapp einer Stunde zeigt, fühlt es sich auch so an.
Die ersten Übungen sind für die Bauchmuskeln. Während andere noch lächeln, ist mir nicht danach zumute. Zwischendurch hört man Trainerin Julia über die Musik hinweg: „Noch 45 Sekunden. Noch 20. Die Halbzeit ist geschafft. Pusht euch nochmal nach oben und streckt euch bis in die Zehenspitzen.“
Die Musik im Hintergrund gefällt mir überraschend gut und motiviert richtig! Diese ist jedoch von Trainer zu Trainer unterschiedlich, wie uns Julia später erklärt. Von klassischen Pop-Hits bis Deutschrap ist alles dabei.
Bei den nächsten Übungen greifen alle zu den Hanteln. Diese sind mit ihren drei Kilos auf den ersten Blick fast schon lächerlich. Nach mehreren Wiederholungen entpuppen sie sich jedoch nicht mehr als Fliegengewicht und sind alles andere als leicht. Bei der jetzigen Übung steht man mit einem Bein auf der festen Platte des Reformers. Das andere Bein kommt auf den Schlitten.
Anschließend werden die Beine langsam und kontrolliert auseinandergeschoben und die Arme gleichzeitig in die Höhe gehoben. Hier braucht man also nicht nur Kraft, sondern auch noch Gleichgewicht.
Nach knapp 30 Minuten zittert mein ganzer Körper. Die kleinen, aber sehr kontrollierten Bewegungen sind kein Zuckerschlecken. Mein Puls ist laut der Fitnessuhr an meinem Handgelenk mittlerweile auf 146 und ich schnappe nach jeder Übung erschöpft nach Luft.
Als nächstes werden die Arme demoliert … ich meine natürlich trainiert. Dies machen wir mit Bizeps Curls. Unseren Trizeps trainieren wir, indem wir uns auf den Schlitten legen und uns dann von der Fußstange wegschieben. Nach 45 Sekunden brennt es ordentlich.
Zum Schluss kommen die Beine dran. Ausfallschritte sollen es sein, wie die Trainerin verkündet. Da meine Beine mittlerweile am Ende ihrer Kräfte angelangt sind, muss ich mich bemühen, das Gleichgewicht zu halten. Jede Bewegung schmerzt mittlerweile. Zumindest bei mir. Die anderen Teilnehmer jedoch scheinen nicht nur einen eisernen Willen, sondern auch deutlich mehr Kraft als ich zu haben. Anstatt genauso zu keuchen wie ich, huscht ihnen nämlich tatsächlich ein Lächeln über die Lippen.
Nach gut einer Stunde bin ich mehr als nur dankbar, als alle Teilnehmerinnen zu klatschen beginnen und sich sofort darum kümmern das Gerät zu säubern. Die wahrscheinlich leichtesten Bewegungen in diesem Kursraum.
Böse Überraschung
Das Schlimmste am Pilates, erwartet mich erst am nächsten Tag. Der Muskelkater. Zum Lachen ist mir gar nicht zumute – das merkt man nämlich im Bauch. Vom Sessel aufstehen ist schier unmöglich. Meine Oberschenkel geben vorne und hinten nach. Durst sollte ich auch keinen haben, denn es fällt mir verdammt schwer, das Glas an meinen Mund zu führen. „Jetzt wird es also Zeit alle Notreserven in Anspruch zu nehmen und meine Überlebensinstinkte zu aktivieren“, denke ich.
Trotz der Schmerzen fühle ich mich auf seltsame Weiße trotzdem gut. Ist das der #juneeffect von dem alle reden? Möglicherweise. Egal, was der Zauber dahinter ist: Ich will es nochmal machen. Nicht wegen all den besagten Vorteilen für den Körper, sondern weil es einfach Spaß gemacht hat. Neben dem gesundheitlichen Aspekt ist für mich nämlich der Spaßfaktor im Vordergrund.
Wer ist nicht gern umgeben von guter Musik, freundlichen Gesichtern und einem Raum, der regelrecht mit positiver Energie gefüllt ist? Es ist also vielmehr die mentale als die körperliche Komponente, die mich Freude an der Bewegung haben lässt und mich geradezu zurück auf den Reformer zieht.
Vielleicht fällt es mir ja bei meiner nächsten Stunde leichter mitzulächeln, statt nur zu schnaufen.
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