Selbstversuch: Wie gesund und effektiv ist Morgensport wirklich?

Wie es sich anfühlt, als Langschläfer frühmorgens im Fitnessstudio zu stehen, wann die Motivation kommt und wie man den inneren Schweinehund besiegt.

Noch vor der Arbeit schnell ins Fitnessstudio oder eine Runde Joggen - was ist schon dabei? Sehr viel. Zumindest, wenn man es gewohnt ist, lang zu schlafen und auch im Büro erst zu frühstücken, um den Tag möglichst spät und entspannt zu starten. Was auf den ersten Blick ziemlich angenehm klingt, entpuppt sich aber mit der Zeit als Hamsterrad, das einen hindert, den Morgen auch nur ansatzweise produktiv zu nutzen. Es ist nicht so, als hätte ich es noch nie versucht. Eine halbe Stunde Yoga, Meditationsübung, selbst am selbstgemachten Frühstück scheiterte es in der Vergangenheit. Woran das liegt? Schwer zu sagen. Will ich es ändern? Unbedingt.

Anstatt mit einer soften Morgen-Routine zu starten, wie etwa mit einer entspannten Yoga- oder Pilates-Einheit, entschied ich mich für meine persönliche Hardcore-Variante: Morgensport. Beim Googeln der Vorteile der frühmorgendlichen Bewegung stößt man zwangsläufig auf Artikel mit Sportlern, die lachend am Laufband stehen, bei Sonnenaufgang eine Jogging-Runde einlegen oder nach dem Aufstehen höchstmotiviert ein Home-Workout absolvieren. Die angeteaserten Vorteile des Morgensports klingen ja vielversprechend: Frühsport kurbelt unseren Stoffwechsel an, verpasst uns den ersten Motivationskick am Morgen, hilft beim Abnehmen und der Abend ist frei für andere Aktivitäten. Na gut, dachte ich mir, was kann schon schiefgehen. Und begann meine persönliche Frühsport-Challenge.

1. Tag: Eine Qual

Für diesen Morgen hatte ich mir schon in weiser Vorsausicht zehn Wecker gestellt. Der erste läutete um 6:15 Uhr. Wie selbstverständlich stellte mein schlaftrunkenes Ich den Schlummermodus ein. Nachdem alle zehn geläutet hatten, quälte ich mich um 6:30 Uhr aus dem Bett. 20 Minuten später traf ich im Fitnessstudio ein. Ich ignorierte die erstaunten Blicke des Trainers am Empfang und machte mich auf den Weg in die Garderobe. Nur fünf andere Frauen waren noch hier, wie ich an den Schuhpaaren in der Umkleide erkannte. 

Meine Motivation war am Boden. Ich hatte nicht gefrühstückt, weder meine Mails noch WhatsApp-Nachrichten gecheckt (worauf ich eigentlich nie verzichte) und bereute langsam mein ambitioniertes Vorhaben. Aber am ersten Tag zu kneifen wäre doch eine Blamage gewesen. Also schleppte ich mich auf den Crosstrainer. Kopfhörer rein, Playlist an. Mein Plan: 30 Minuten Ausdauer, dann 30 Minuten Geräte. Nach fünf Minuten der erste Blick auf die Uhr, die über den Fitnessgeräten hing: Oh Gott, noch 25 Minuten. Ich könnte jetzt daheim sitzen, gemütlich meine erste Tasse Kaffee trinken und meinen Körper dadurch aufwecken. Aber nein, ich zwang mich heute, meine Lebensgeister mit Adrenalin zu wecken. Irgendwann waren auch die 25 Minuten vorbei, ich ging zu den Fitnessgeräten. Beinpresse, Rudergerät, Butterfly. Nach weiteren endlos erscheinenden 30 Minuten schaffte ich es in die U-Bahn, und machte mich auf den Weg in die Arbeit. Ich fühlte mich weder besonders empowert noch verspürte ich den angepriesenen "ersten Motivationskick". Bis zum Abend änderte sich daran auch nichts. Ich war müde, ausgelaugt und wollte einfach nur schlafen. 

©Unsplash/Fitnish Media

2. Tag: Auch nicht besser

Am Vorabend des zweiten Tages versuchte ich mir einzureden, dass zumindest das frühe Aufstehen diesmal einfacher sein würde. War es natürlich nicht. Mein Magen grummelte vor sich hin, ich hatte gestern extra nicht zu viel abendgegessen, um heute "fit" zu sein. Nach Wecker Nummer zehn kroch ich wieder aus dem Bett und machte mich wieder auf den Weg ins heißgeliebte Fitnessstudio. Während ich meine Crosstrainer-Einheit hinter mich brachte, belauschte ich zwei Mädels neben mir. Sie unterhielten sich über Frühstück. Besser vor oder nach dem Sport am Morgen.

Ich glaube, wenn ich vorher noch was essen müsste, sprich noch früher aufstehen, würde der Versuch endgültig scheitern. Da mein Magen sich mittlerweile im 15-Minuten-Takt meldete, nahm ich mir vor, für morgen einen Kleinigkeit zu essen mitzunehmen. Am Weg ins Büro machte ich die Augen zu und döste immerhin noch 20 Minuten vor mich hin. Wo bleibt der Motivationskick? 

3. Tag: Muskelkater

Das Aufstehen fiel mir am dritten Tag zum ersten Mal leichter. Ich brauchte nur fünf Wecker, um ins Bad zu tappen und mich fürs Fitnessstudio fertig zu machen. Zum ersten Mal spürte ich heute einen Mini-Motivationskick. Was ich noch spürte, waren meine Waden. Auch wenn es etwas peinlich ist, das nach zwei Tagen Fitnessstudio zuzugeben, es war die traurige Wahrheit. Aber - wie meine Oma so schön sagt - dann hat's auch was gebracht!

Mit dieser Weisheit im Kopf machte ich mich anschließend auf den Weg ins Büro. Und ich hatte zum ersten Mal ein gutes Gefühl von Produktivität, als ich mir auf der Dachterrasse am Abend mit einer Freundin einen Aperol genehmigte. Nur nicht zu viel, sonst würde das Aufstehen am nächsten Tag wieder eine Qual werden. Noch einen weiteren Vorteil entdeckte ich am dritten Trainingstag: Ich war an jenem Abend hundsmüde. Leider gehöre ich nämlich grundsätzlich zu den Menschen, die beim Einschlafen erst beginnen, über nicht vorhandene Probleme nachzudenken - was den Einschlafprozess bekanntlich nicht verbessert. Aber an diesem Abend dauerte es keine fünf Minuten, bis ich im Land der Träume war. 

4. Tag: Endlich Morgenkick

Selbst mein Körper scheint sich irgendwann auf neue Routinen einstellen zu können. Diese Erfahrung machte ich an Tag 4. An diesem Morgen brauchte ich nur 2 Wecker, und das Aufstehen fiel mir vergleichsweise leicht. Mit dem nächsten (oder demselben?) Muskelkater ging es wieder auf ins Fitnessstudio. So leicht das Aus-dem-Bett-Kommen heute auch war, das Wetter machte das Trainieren heute schwierig. Strahlender Sonnenschein und angenehme 20 Grad begrüßten mich auf der Straße.

Kurz hatte ich schon den Gedanken verworfen, ins Fitnessstudio zu gehen und stattdessen eine Jogging-Runde einzulegen. Aber das würde meinen Trainingsplan durchkreuzen und ich muss zugeben, jetzt war meine Motivation schon geweckt. Warum? Weil ich mir selbst offenbar bewiesen hatte, dass ich drei Tage hintereinander Morgensport schaffte - und mich das zu neuen Höchstleistungen motivierte. 

young fitness woman running on sunrise seaside trail

Auch das schöne Wetter hielt mich nicht vom Trainingsplan ab. 

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5. Tag: "Musst du heute ins Fitnessstudio?"

Der fünfte Tag war hart. Ich fuhr am Vorabend noch zu meinem Freund und übernachtete bei ihm. Wohl wissend, dass meine neu gefundene Motivation damit wohl schwinden würde. Und so war es auch: Ich wachte auf und stellte meinen Wecker sofort wieder auf die Snooze-Taste. An diesem Tag brauchte ich wieder mehrere Wecker, bis ich es aus dem Bett schaffte. Damit nicht genug: Meine bessere Hälfte machte es mir nicht gerade leicht, da er an diesem Tag später anfing zu arbeiten, sprich wir eigentlich noch gemeinsam Zeit verbringen könnten. "Musst du denn heute auch ins Fitnessstudio?" Ja, antwortete ich. Auch wenn ich an diesem Tag wirklich keine Lust hatte. 

Das Training war wie erwartet zach. Sobald ich an Dinge dachte, die ich eigentlich gerade machen könnte (kuscheln, Kaffee trinken, schlafen), sank die Motivation immer weiter. Irgendwie brachte ich die Stunde hinter mich. Und war auch ein bisschen stolz, meinen inneren Schweinehund überwunden zu haben. Wie traurig wäre es gewesen, wäre mein Selbstversuch an der Bequemlichkeit von Tag 5 gescheitert.

6. Tag: Wochenende

An diesem Tag überraschte ich mich selbst. Als ich Freitagabend zu Bett ging, war ich überzeugt, dass meine Motivation am nächsten Tag am Boden sein würde - schließlich war Wochenende, der perfekte Zeitpunkt, um lang und ausgiebig zu schlafen. Nun hatte mich aber schon der Ehrgeiz gepackt: Um 6:45 Uhr stand ich wie jeden Tag zwischen Beinpresse und Co. Und fühlte mich zum ersten Mal richtig gut. Seite an Seite mit anderen motivierten Menschen schwitzte ich die eine Stunde ab. Das Schönste: Es war noch nicht einmal acht Uhr, der ganze Tag lag noch vor mir. Und produktiv war ich auch schon gewesen. 

7. Tag: Sonntagsruhe?

Nein, für mich galt dieses Gebot an jenem Sonntag nicht. Auch der Wochenend-Gedanke schreckte mich nicht mehr ab. Zu präsent war noch die Erinnerung vom Vortag, das Gefühl, bereits etwas "geschafft" zu haben, bevor der Morgen erst begann. Beim Betreten des Fitnessstudios grüßte mich der Trainer an der Rezeption, ich grüßte zurück. Er erwartete wahrscheinlich, mich von nun an jeden Tag zu dieser Zeit anzutreffen. Über diese Frage hatte ich schon die letzten zwei Tage nachgedacht: Wie geht es weiter mit meiner Morgenroutine? Habe ich mir nun bewiesen, dass auch ich produktiv sein konnte? Reichte mir das oder wollte ich mein einwöchiges Experiment noch fortsetzen? Darauf habe ich - noch - keine richtige Antwort.

Was ich aber sagen kann nach sieben Tagen Qual, Frust, Leiden, Motivation und neu entdeckter Energie: Es hat sich ausgezahlt. Die größte Hürde war es wahrscheinlich, den inneren Schweinehund in dem Moment zu überwinden, in dem der Wecker klingelte. Und aufzustehen. War ich am Weg zum Fitnessstudio machte mir mein Selbstversuch nur mehr wenig aus, die größte Hürde musste ich jeden Tag gleich beim Aufstehen nehmen. Was es mir gebracht hat? Ich breche das Fazit auf fünf Punkte herunter: Tatsächlich verspürte ich (verspätet, aber doch) den Motivationskick, den Adrenalin-Rausch, der dich am Weg in die Arbeit noch begleitet. Zweiter Vorteil: Die Zeit. Der Tag erscheint unendlich viel länger, steht man früher auf und ist gleich am Morgen aktiv. So bleibt der gesamte Abend für andere Freizeitaktivitäten.

Dritter Grund: Der Stoffwechsel. Ich spürte meinen Puls, sah die Herzfrequenz an der Anzeige des Fitnessgeräts und wusste: Ja, das bringt meinen Aktivitätslevel heute so richtig in Schwung. Vierter Grund: Das Erfolgserlebnis. Sich selber herauszufordern, an die (diese Floskel muss ich leider bedienen) eigenen Grenzen gehen und dann zu sehen, dass es auch wirklich funktioniert, wenn man sich so ein Projekt ernsthaft vornimmt, pusht einen auf ganz besondere Art und Weise. Und last but not least: Ich schlafe besser. Mein Gehirn war an den meisten Abenden zu müde, um sich groß Gedanken zu machen. Außerdem wachte ich seltener auf und hatte das Gefühl (zumindest nach Tag 4), einen besseren beziehungsweise natürlicheren Schlafrhythmus zu erlangen. Alles in allem: Der Selbstversuch war die Umstellung meiner Morgenroutine jedenfalls wert!

Stephanie Angerer

Über Stephanie Angerer

Chronik-Redakteurin im Reporterteam

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