Selbstversuch: Mein "Dry January" - so gut fühlt sich Alkoholverzicht an
Erst kam die Grippe, dann eine Idee: Warum nicht gleich den ganzen Jänner auf Alkohol verzichten? Teil 1 einer wohltuenden Selbsterfahrung.
Ich trinke gerade nix – und aus: Nicht mehr, nicht weniger hätte ich zum Jänner 2023 zu sagen. Aber natürlich will man auch ein bisserl „trendy“ sein – daher erzähle ich nun von meiner aktiven Teilnahme am „Dry January“, übersetzt: trockener Jänner. Das hat nichts mit mangelnden Regen- oder Schneemengen zu tun, sondern (wie eingangs erwähnt) mit Alkoholabstinenz. Ein Selbstversuch – als Labsal für die Leber. 31 Tage lang. Die erste Hälfte ist geschafft.
Zunächst sei gesagt, woher der Begriff „Dry January“ kommt. Erfunden wurde er 2013 in Großbritannien, als Aktion von „Alcohol Change UK“, verbreitet schließlich über die sozialen Medien. Die Jänner-Trockenheit feiert also ihren zehnten Geburtstag, dabei geht es um die schlichte Idee, dem Organismus eine längere Alkoholpause zu gönnen. Zugegeben, ganz freiwillig ist das bei mir nicht passiert und mir ging es auch nicht darum, irgendeinem Trend zu folgen. Ich hatte gesundheitliche Probleme: Nach Weihnachten erwischte mich eine heftige Grippe, die Lust auf Rotwein, Rotkraut und Roastbeef verging mir. Stattdessen gab es allerlei Suppen und literweise Bronchialtee. Schließlich der Gedanke: Wenn schon, denn schon – man könnte ja so weitermachen, das würde nicht schaden.
An dieser Stelle vielleicht ein kurzer Blick auf mein Trinkverhalten: Ich trinke Alkohol nicht der Berauschung wegen (ich weiß, das sagen alle – aber ich hasse „Rausch“, das war nicht immer so), sondern weil er mir schmeckt. Da rede ich von gutem Wein – Rotwein, Weißwein, allenfalls, anlassgemäß, Sprudel. Harte Getränke mag ich nicht, auch keine Cocktails. Hie und da im Urlaub schlürfe ich an Caipirinha oder Sgroppino, mitunter kippe ich bei Partys zwei, drei Shots (animiert von Freundinnen, äußerst seltenes Ereignis), mag die aber im Grunde gar nicht. Wein hingegen liebe ich – in Maßen, aber in gewissen Phasen mitunter täglich. Weil ich mir denke, dass ein, zwei oder drei Achterln nix Böses tun. Ich mag’s zum Beispiel, in der Küche zu stehen, Essen zu zaubern und dazu mein „Koch-Achterl“ einzunehmen. Das gehört für mich zum Genuss-Prinzip, mit Fokus auf „Mäßigung“.
Entlastung und Reinigung
Deshalb war es für mich nie sehr einfach, diesem - wie ich finde angemessenen - Genuss zu entsagen. Weil ich das Gefühl hatte, auf etwas verzichten zu müssen, das zu den schönen Dingen des Lebens gehört. Was bei genauer Betrachtung blöd ist, denn natürlich liegen die gesundheitlichen Vorteile eines – phasenweise - Alkoholverzichts auf der Hand. Abgesehen vom Figur-Effekt bedeutet es für den Körper Entlastung und Reinigung. Die Entgiftungsmaschinerie kann endlich ruhen und das tut einfach gut. Außerdem scheint es mir wichtig, sich dem allgemeinen Trink-Zwang, der in der Gesellschaft vorherrscht, bewusst zu entziehen.
Dass ich mich so locker auf „Dry January“ einlassen konnte, hatte aber zunächst mit dem Kranksein zu tun. Es spielte mir in die Karten, denn als Grippe-„Opfer“ hatte ich naturgemäß keine Lust auf Alkohol, wobei mein Mann und ich (wir hatten beide zur gleichen Zeit Influenza) in der Silvesternacht noch an Mini-Mini-Dosen von einem sehr guten Rotwein nippten, um schließlich zu Mitternacht je zwei Schluckerl vom weihnachtlichen Restl-Champagner zu nehmen. Aber dann: aus. Mit erstem Jänner war die Trinkfreude komplett perdu, ich ruhte viel, aß wenig und lag fast jeden Tag schon um 21 Uhr im Bett. Alkohol? Pfui. Doch dann begann ich zu genesen und fühlte mich wieder halbwegs fit.
Damit kam der eine oder andere Gedanke an das berühmte „Genuss-Achterl“ wieder auf: Warum nicht? Zum Beispiel beim Besuch eines Kabaretts, gemeinsam mit einer Freundin. Da wären zwei, drei Gläser locker drin gewesen. So aber saß ich da und nippte am alkoholfreien Bier. Und weil es mir glücklicherweise schmeckte, erübrigte sich das Gefühl von „Verzicht“ sofort. Für den Wein-Genuss habe ich inzwischen ebenfalls einen schönen Ersatz gefunden: Ich entdecke gerade die Faszination hochqualitativer antialkoholischer Getränke abseits des Prinzips „Limonade-pickert-süß-künstlich“. Es gibt herrliche Traubensäfte, intensiv schmeckende Apfelsäfte oder prickelnde Mischungen aus Tee und Fruchtsäften. Die gieße ich mir in ein schönes Weinglas und freu mich über Farbe, Textur und Geschmack. Bergapfel, Südhang, wie Rosé schimmernd: Abstinenzlerherz, was willst du mehr?
Die Folgen meiner mittlerweile zweiwöchigen Alkohol-Auszeit sind einfach zu beschreiben: Auf angenehme Weise fühle ich mich klarer, fokussierter und ruhiger. Wobei ich ehrlicherweise zugebe, dass ich zwei Mal dann doch ganz wenig Wein getrunken habe – einmal bei einer Freundin, die gerade in großer persönlicher Not ist, das zweite Mal bei einem mehrgängigen Essen in einem sehr guten Restaurant. Da nahm ich erst Tee, dann Saft, schließlich Wasser, zum Hauptgang aber ein Glas Wein. Ohne schlechtes Gewissen, übrigens – was sehr wichtig ist. Ebenso wichtig wie die Rückkehr zur Ursprungsidee, weiterhin auf Alkohol zu verzichten. Es fiel mir sehr leicht.
Und jetzt eine Zwischenbilanz: Was beim „Dry January“ sicher hilfreich ist und unterstützend wirkt - eine allgemeine „Abstinenz“, im Sinne eines persönlichen Mini-Rückzugs. Indem man etwas weniger ausgeht, weniger Menschen trifft, bei sich bleibt und gut für sich sorgt. Das passt gut zusammen – im Sinne eines „Saubermachens“ im Körper und gleichzeitig in der Seele. Ich empfinde das als andere Form von Genuss – aber nicht minder wohltuend. Beziehungsweise sogar besonders wohltuend, zugleich auch befreiend. Das ist nämlich das Schöne daran: Zu merken, dass Lebensfreude völlig unabhängig ist von "Substanzen" oder bestimmten Vorstellungen, die man sich dazu macht und gesellschaftlich opportun sind. Wie es den Rest meines „Dry January“-Experiments weitergegangen ist, erzähle ich Euch dann im Februar.
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