
Barfußschuhe im Faktencheck: Was ist gut und wer sie besser meidet
Sind Barfußschuhe wirklich immer das Beste für den Fuß? Einige Anbieter suggerieren das. "Humbug", sagt der Orthopäde.
Leise fallen die Schneeflocken auf meine Haube, die Luft ist stechend kalt, das Thermometer zeigt Minustemperaturen. Es ist still im Wald an der niederösterreichisch-steirischen Grenze. Nur das Keuchen der freizeit-Redakteurin aus dem burgenländischen Flachland, die sich den Waldweg Richtung Bergrücken kämpft, ist bei jedem Atemzug zu hören.
Trotzdem: Jeder Schritt sitzt sicher, der Schuh rutscht nicht, die Füße sind trocken und warm. Nur die Fersen schmerzen in den Barfuß-Testschuhen. Ist das normal, weil sie ungewohnt sind?
In Barfußschuhen setzt man die Füße, weil sie keinen Absatz haben, nicht mit der Ferse zuerst auf. Man sollte bei der Umstellung also nicht übertreiben und den Fuß langsam an die veränderten Umstände gewöhnen. Aber: Ist die Körperhaltung dadurch wirklich, wie versprochen, besser als in anderen, altgewohnten Wanderschuhen?
Barfußschuhe - gut für eh alles?
Gehen im Einklang mit der Umwelt, den Boden, dank dünner Sohle unter den Füßen spüren, Fehlhaltungen, die uns modernes Schuhwerk aufzwingt, durch mehr Zehen- und Bewegungsfreiheit hinter uns lassen. Gesündere Füße, gesündere Haltung - all das versprechen die Hersteller von Barfußschuhen.
Trend nimmt weiter an Fahrt auf - jetzt auch bei Sportschuhen
Der Schuh-Trend ist gekommen, um zu bleiben. Oder zumindest dauert er ungebrochen schon seit Jahren an und immer mehr Anbieter werfen immer mehr Modelle auf den Markt. Auch Sandalen, Sport- und Wanderschuhe sind schon im Sortiment.
Aber stimmt das auch? Und, wenn die Barfußschuhe die Lösung für schmerzende Füße und Haltungsschäden sind, warum singen dann nicht alle Ärzte ein Loblied auf die Schuhe mit dem breiten Zehenteil und der dünnen Sohle?
Die freizeit geht dem Hype um den Schuhtrend auf den Grund.
Was ihr im Artikel lesen werdet:
- Wie gesund sind Barfußschuhe wirklich - vom Orthopäden erklärt
- Für wen sind Barfußschuhe - und für wen sind sie schädlich?
- Selbstversuch: Wie wandert es sich mit Barfuß-Wanderstiefeln - im Prater und in den Kalkalpen
Stadtmenschen müssen vorsichtig sein
Christian Bach ist Facharzt für Orthopädie und Traumatologie und Primararzt mit Ordinationen in Wien und Vorarlberg. Ein Barfußschuh sei nicht die "neue Super-Erfindung, die alle anderen Schuhe ablöst", bringt er es im Gespräch mit der freizeit auf den Punkt. "Für Stadtmenschen, die den ganzen Tag auf Beton unterwegs sind, ist er eher kontraproduktiv."

Gerade beim Sport braucht der Fuß Stütze und Barfußschuhe sind fehl am Platz. Ungefedert auf den Beton aufprallen sollten Füße nie, warnt der Orthopäde.
©Getty Images/Pavel1964/istockphotoEr als Orthopäde wünsche sich, dass Menschen mehr barfuß gehen, auf weichem Untergrund, auf Sand, Waldwegen, Wiesen. Weil Wurzel und Steinchen schuhverwöhnten Füßen aber wehtun und auch das Wetter oft nicht warm genug ist, brauchen Füße Schutz. Dann seien Barfußschuhe eine gute Idee.
Fuß wird stimuliert, Muskeln gestärkt
Sie garantieren gutes Feedback vom Untergrund. "Dadurch, dass die Sohle weich ist, wird der Fuß stimuliert und die Muskeln gekräftigt", erklärt Bach. Fuß, Muskeln, Sehnen, Bänder - beim Spaziergang oder der Wanderung mit Barfußschuhen profitiert der Fuß. Wenn er, wohlgemerkt, vorher gesund ist.
Wer schon eine Fehlstellung hat und auf orthopädische Hilfsmittel wie Einlagen oder Ähnliches angewiesen ist, sollte auf jeden Fall die Finger von den weichen Schuhen lassen. Denn auf mit einer Vorbelastung auf Barfußschuhe umzustellen, würde "viele Probleme verursachen und wir hätten in unseren Fußambulanzen sehr viel zu tun, diese ganzen aufkeimenden Überlastungsprobleme an den Füßen wieder therapieren zu müssen", ist sich Bach sicher.

Wenn bereits Fehlstellungen oder Fußprobleme bestehen, werden sie durch Barfußschuhe nicht besser.
©Getty Images/Panuwat Dangsungnoen/istockphotoWo der Barfußschuh an seine Grenzen stößt
Werden an den Fuß besondere Anforderungen gestellt, wie etwa beim Laufen, Tennisspielen, Bergsteigen oder Klettern, dann brauche der Fuß Unterstützung durch Berg-, Wander- oder Laufschuhe. "Stabilen Halt, Absatz, geführte Fersenhaltung, feste Sohle, das alles kann der Barfußschuh nicht bieten", warnt der Orthopäde.
"Humbug": Wo die Geschäftemacherei beginnt
Für diesen Zweck Barfußschuhe anzubieten sei "völliger Humbug", spricht sich der Facharzt vehement dagegen aus. Barfußschuhe seien auch ein Geschäft und "man suggeriert, dass die Schuhe wirklich das Allheilmittel sind und für alles einsetzbar. Das ist sicher nicht der Fall."
Barfußschuh ist nicht gleich Barfußschuh
Das Angebot an Barfußschuhen nimmt zu und die Qualität der Schuhe ist sehr unterschiedlich. Ein Schuh sollte aus orthopädischer Sicht im Vorfußbereich, wo die Zehen sind, sehr weit sein. Die meisten Schuhe laufen aber genau dort spitz zu, die Zehen werden zusammengedrückt. Das kann langfristig zu Hallux valgus, einer Schiefstellung des Zehs, und Spreizfüßen führen.
Auch ein Barfußschuh sollte vorne breit sein. "Wenn man sich die verschiedenen Modelle anschaut, dann gibt es welche, die nennen sich Barfußschuhe, haben eine weiche Sohle und sind vorne trotzdem relativ schmal."
Orthopäde: Da "wird man sicher keine Freude damit haben"
Der Orthopäde nimmt auch die Kunden in die Verantwortung. Man müsse wissen, wann man Barfußschuhe anzieht. "Ist man an festes Schuhwerk gewöhnt, geht den ganzen Tag auf Beton und festem Untergrund und wechselt dann zu Barfußschuhen, wird man sicher keine Freude damit haben und für den Fuß ist es überhaupt kein Vorteil, im Gegenteil." Der Fuß soll nicht ungefiltert auf hartem Untergrund aufschlagen. Als Faustregel gilt: Wo man barfuß gehen würde, kann man auch Barfußschuhe tragen. Barfuß gehen ist jedoch, wenn möglich, aus orthopädischer Sicht besser.

freizeit-Redakteurin Marianne Lampl beim Barfußschuh-Test in den niederösterreichischen Kalkalpen. Modell: "Tracker Winter II SG Womens" von Vivabarefoot. Preis: 260 Euro
©Marianne LamplSelbsttest: So gut sind Barfußschuhe wirklich
Der Unterschied zwischen "normalen" Schuhen und dem Barfußmodell ist enorm. Man hat das Gefühl, dass die Ferse tiefergelegt ist. Stimmt natürlich nicht, sie ist nur, weil Barfußschuhe keinen Absatz haben, auf gleicher Ebene wie der Rest des Fußes.
Bessere Balance, bessere Haltung mit Startschwierigkeiten
Das bedarf tatsächlich einer Eingewöhnungsphase, denn man hat das Bedürfnis weiterhin die Ferse zuerst aufzusetzen, was beim ersten Tragen zu leichten Fersenschmerzen führte. Auch, dass die Zehen plötzlich so viel Spielraum haben, ist anfangs ungewohnt, schnell freuen sich die sonst eingequetschten Zehen aber über den neuen Spielraum, die Balance wird dadurch besser.
Durch die abgesenkte Ferse verändern sich Gang und Haltung, das Kreuz wird - zumindest fühlt es sich so an - entlastet.
Qualität hat seinen Preis
Barfußschuhe sind, durch den breiten Vorderfußteil, oft nicht das schickste Schuhwerk. Die "Tracker Winter II SG Womens" von Vivabarefoot schneiden da im Vergleich fantastisch ab und machen auch optisch etwas her. Das könnte aber auch daran liegen, dass sie sich mit Wanderstiefeln messen müssen, nicht mit handelsüblichen Straßenschuhen. Der Preis ist mit 260 Euro zwar nicht billig, aber auch hier: Im Vergleich zu herkömmlichen Wanderstiefeln guter Verarbeitung, sind die Kosten nicht ruinös.
Die Verarbeitung des Tracker Winter ist qualitativ hochwertig, die Sohle für Wanderungen fantastisch. Sowohl auf verschneitem (in den Kalkalpen) als auch auf extrem gatschigem Boden im Prater nach einem Regentag bewährten sie sich. Kein einziges Mal kam ich ins Rutschen und gerade bei unebenem Grund macht sich die dünne Sohle voll bezahlt. Man hat beim Gehen ein viel besseres Gespür für den Untergrund und selbst große Steine oder das Überklettern von Baumstämmen macht keinerlei Probleme und tut auf der Fußsohle auch nicht weh.

Rutschfest, wasserdicht und zumindest bei leichten Minustemperaturen im niederösterreichischen Wald nachweislich kälteresistent: Die "Tracker Winter II SG Womens"-Barfußschuhe
©Marianne LamplDie Schuhe waren sowohl nässe- als auch kältebeständig. Einzig beim Pause machen wurden die Zehen kalt. Da hätte sich ein zweites Paar Socken dann ausgezahlt.
Fazit: Das Wandern mit den Barfußschuhen ist absolut empfehlenswert. Allerdings sollte man keine stundenlangen Wanderungen unternehmen, solange man an die Schuhe nicht gewöhnt ist. Einziger Nachteil: Auf Asphalt zu gehen ist mit Barfußschuhen noch ungemütlicher als mit Schuhen mit dickeren Sohlen. Wer also einen Wanderweg wählt, bei dem sich Asphalt und natürlicher Boden abwechseln, sollte das berücksichtigen.
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