
Wie eine Wissenschafterin den Geschmack von Spitzenköchen verbessert
Die US-Amerikanerin Arielle Johnson ist Lebensmitteltechnologin und berät die besten Lokale der Welt. In ihrem ersten Buch teilt sie nun ihr Wissen mit Hobby-Köchen.
Anstatt sich als angehende Lebensmitteltechnologin in den Sommerferien einen gut bezahlten Job bei einem großen Lebensmittelkonzern zu suchen, heuerte Arielle Johnson lieber in einem schrägen Labor eines Restaurants in Kopenhagen an.
Das war vor 20 Jahren. Danach galt das Noma bald als eines des besten Restaurants der Welt. Auch, weil Johnson mit ihrem Wissen als Laborleiterin Geschmackserlebnisse auf den Teller brachte. Heute berät sie einige der besten Köche der Welt.
Sternekoch René Redzepi sagt über Johnson: "Sie hat mein Denken über Geschmack verändert. Arielle Johnson bricht all ihr Wissen auf genau das herunter, was du brauchst, um bewusster wahrzunehmen, wie etwas schmeckt, woher der Geschmack kommt und wie du ihn erschaffen und kontrollieren kannst." Ihre Information gibt die US-Amerikanerin nun erstmals auch in Buchform in deutscher Sprache weiter ("Flavorama").
Warum schmeckt Zitronensaft weniger sauer, wenn ich ihn nicht erst am Ende dazugebe? Warum ist frischer Ingwer so viel schärfer als gekochter? "Die Mechanismen, die dahinterstecken, sind weder besonders rätselhaft noch geheim", so Johnson. Es gebe unzählige wissenschaftliche Abhandlungen darüber, wie sie im Buch erklärt.
Geruch wird unterschätzt
In fünf Gesetzen des Geschmacks teilt sie ein und präzisiert unter anderem, warum guter Geschmack erst aus der Verbindung von Schmecken und Riechen entsteht. Der Geruchssinn sei der "übersehene Sinn", sind wir doch in der Lage, zigtausend Moleküle zu riechen. "Es wird leicht vergessen, dass der Geruch die Hälfte (oder mehr) des Geschmacks einer Speise ausmacht."
Daher sollte die Zitrone erst zum Schluss beigefügt werden – weil ihre Geruchsmoleküle schnell verfliegen und sie ohne Duft als schal wahrgenommen wird.

Arielle Johnson: Die fabelhafte Wissenschaft vom Geschmack – und wie wir sie im Alltag nutzen können" Ullstein, 32 Euro
©Ullstein VerlagJohnsons Tipps bezüglich der fünf Geschmacksrichtungen
Salzig ist ein Geschmack, von dem alles abhängt und zu dem alles passt, so Johnson. Salz schon früh zum Gericht geben (mit wenigen Ausnahmen) und immer wieder nachwürzen. Auch bei Desserts wird der Geschmack intensiviert, während Salz gleichzeitig Bitterkeit abschwächt. Johnson: "Wenn du Schokoladeneis servierst, träufle gutes Olivenöl darüber und bestreue es mit einigen Salzflocken. Einfach fantastisch!"
Säure braucht es immer, wenn das Kochen gelingen soll. Sie macht ein Gericht lebendig. Säuerlichkeit gleicht Süße, Bitterkeit und Fettigkeit aus. Interessanterweise hebt sie leichte Salzigkeit hervor, mindert aber übermäßige Salzigkeit ab. Essig, Früchte wie Zitrone und Äpfel, Pflanzen wie Rhabarber und Sauerampfer oder auch Joghurt bieten eine enorme Bandbreite an Säure.
Johnsons saure Beigaben, die Gerichte besser machen: Joghurt zu Grillhuhn, Lamm, grünen Bohnen oder Reis. Zitrone, Limette oder Reisessig in die Suppe frischt sie auf.
Süßen Geschmack kann man sich als üppig und mildernd vorstellen. Es verleiht sowohl Saurem als auch Bitterem mehr Fülle. Nicht umsonst seien Schokolade, Kaffee und Tee weltweit beliebt – weil sie eine süß-bittere Dynamik aufweisen, erklärt die Autorin. Weißer Zucker wird im Buch als langweiligster alle Zucker bezeichnet. Daher sei er aber auch ideal geeignet, um andere Zutaten ohne jegliche Ablenkung zur Geltung zu bringen. Um Obst süßer zu machen oder auch süße Speisen, die subtil oder nur zartmilchig schmecken sollen: Pannacotta oder Biskuitkuchen.
Um Gerichte im Handumdrehen aufregender zu machen, empfiehlt die Expertin braunen Zucker statt weißen – für Eiskaffee oder auch für Eintöpfe. Der Umgang mit anderen Süßungsmitteln wie Birkensirup bis Honig wird ebenfalls erklärt.
Umami beschreibt Johnson als "herzhafte, brühige, fleischähnliche Reichhaltigkeit". Wer Seetang, gereiftes Rindfleisch, Tomaten, Miso, Käse, Rohschinken, Pilze oder Sojasauce mag – es ist der Umami-Geschmack, der diese Lebensmittel so befriedigend macht. Er stammt aus einer Aminosäure – Glutamat – und ist appetitanregend: Sobald wir es geschmeckt haben, wollen wir mehr davon.
Johnsons Tipp: Kohlenhydrate wie Kartoffeln oder Nudeln, einen tomatigen Eintopf, Popcorn oder Blattgemüse mit etwas trockenem Umami abrunden: Parmesan, Gruyère, Hefeflocken oder getrocknete Pilze (Shiitake). Umami und sauer passt gut zu Gemüse. Etwa Sojasauce und Zitrone zu Brokkoli.
Bitter gilt als schwarzes Schaf, weil der Geschmack eigentlich dazu da ist, um Giftiges zu erkennen. Kaffee oder Bier sind daher "erworbene Geschmacksvorlieben", die beim allerersten Probieren nicht schmecken.
Wir finden sie aber manchmal seltsam verlockend, so Johnson. Sie empfiehlt Bitterkeit immer mit abschwächenden Begleitungen, wie Radicchiosalat kombiniert mit Blutorange und brauner Butter.
Kommentare