Mund zu, Augen auf: Silent Reviews sind der neue Trend im Internet
Nach dem Motto "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ setzt sich derzeit ein neuer Trend auf Social Media durch. Statt minutenlang in die Kamera zu sprechen, herrscht Stille.
Mit dem Aufkommen moderner Technologie hat sich unser Alltag verändert. Nicht nur, dass wir dank des Smartphones auf der ganzen Welt Zugang zu unendlichem Wissen haben, wir haben auch die Möglichkeit über die Grenzen hinweg Kontakte zu knüpfen.
Möglich macht Letzteres vor allem Social Media. Doch die Plattformen werden nicht nur für Selbstdarstellungen oder Freundschaften genutzt. Mit dem Aufkommen von Influencern haben auch Unternehmen ihre Chancen auf dem digitalen Markt erkannt – und ihn förmlich ausgeschlachtet.
Immer mehr Influencer prägen seitdem die sozialen Medien und verdienen ihr Geld mit Produktplatzierungen. Doch wie so oft führt ein Übermaß zu Reaktanz. Die minutenlangen Videos, in denen ohne Unterbrechung gesprochen wird, verstummen. Und hervorgeht ein neuer Trend: Silent Reviews.
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Neue Chance für Produktplatzierungen?
Mit einem geschätzten weltweiten Marktvolumen von zirka 30 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023 liegt Influencer-Marketing hinter den altbekannten Online-Werbeformaten. Ist die Silent Review also nur ein letzter Versuch von Influencern, weiter Geld mit ihrem Produktbewertungen zu generieren?
Was den Trend zur Silent Review befeuert, ist mit Sicherheit die Masse an Werbegesichtern und Meinungsmachern, die sich in den vergangenen Jahren formiert hat. Der Überdruss von Produktversprechungen führte dazu, dass Influencer an Glaubwürdigkeit einbüßten.
Das zeigte auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey, im Auftrag von NextMedia Hamburg aus dem Jahr 2022. Es wurden 2.500 Personen befragt, wie authentisch und glaubwürdig sie Influencer finden. Das Ergebnis offenbarte, dass nur fünf Prozent aller Befragten die Influencer-Werbung für vertrauenswürdiger als die klassische Werbung halten. Die Mehrheit sieht keinen Unterschied zwischen den beiden Formen (84%). Zudem gaben 91 Prozent der Befragten an, eine finanzielle Unterstützung von Influencern für ihre Inhalte auszuschließen.
Die Umfrage verdeutlicht damit, was Experten bereits seit längerem vermuten: Das klassische Empfehlungsmarketing durch Influencer verliert an Funktionalität. Die Nachfrage nimmt ab.
Der neue Hype um stille Rezensionen erreichte bisher mehr als 118 Millionen Aufrufe auf der Plattform TikTok. Ins Leben gerufen hat ihn die Userin @stephreadsalot, ein Mitglied von TikToks-Buchlieberhaber-Community. Eigentlich hatte sie nicht die Absicht einen neuen Trend auszulösen, wie Stephanie gegenüber The Post verriet. "Ich drückte auf Aufnahme, setzte mich hin und fing an, loszulegen.“ Doch die User waren begeistert. Also nahmen weitere Influencer diese Nische an.
Die Mischung aus Produktpräsentation und ASMR scheint dem Markt neue Türen zu öffnen. ASMR ist dabei nichts anderes als ein angenehmes Kitzeln oder Kribbeln um Kopf und Hals, das durch akustische Reize auslöst wird und wodurch ein Gefühl der Entspannung eintritt.
Statt also minutenlang einem Monolog zu lauschen, hören die User nun ASMR Geräusche. Der Fokus rückt auf das präsentierte Produkt und das Gefühl der Manipulation schwindet. Für Influencer bietet sich so eine Möglichkeit, die eigene Glaubwürdigkeit wiederherzustellen und neue Follower zu generieren.
Influencer reagieren auf die Veränderung
Einige Influencer setzen in Anbetracht der ASMR-Wirkung auf audioinduzierte Boosts. So wie die TikTok-Userin @itscassiethorpe. In ihrem Clip zeigt sie ihre Kollektion diverser Designer-Minihandtaschen. Dabei ist immer wieder zu hören, wie die junge Frau mit ihren klauenartigen Nägeln gegen das Leder ihrer Luxushandtaschen klickt, am Riemen klimpert, Knöpfe öffnet und verschließt oder den Reißverschluss auf und ab bewegt.
Eine geräuschlose junge Generation
Im Gegensatz zu den Babyboomern oder Gen X, ist die jüngere Generation massig Input ausgesetzt. Die Welt ist laut und bunt geworden. Eindrücke gibt es im Überfluss – und die wollen erstmal alle verarbeitet werden.
Dass zwischen all den Tönen der Schrei nach Ruhe laut wird, sollte daher wenig verwundern. Etwas im Stillen zu erledigen, wächst an Beliebtheit. Zu Beginn des Jahres 2023 machte der Silent Cut seine Runde. Dabei handelt es sich um einen Friseurbesuch ohne Smalltalk. Im August 2023 wiederum löste die Gen Z den Trend zum Silent Walk aus, bei dem Menschen dazu ermutigt wurden, Spaziergänge ohne Kopfhörer oder andere Ablenkungen zu unternehmen.
Was künftig verstummen wird, wird sich also zeigen. Und solange die jüngere Generation nicht bei Ungerechtigkeit schweigt, sei ihr die Ruhe gegönnt.
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