Richard Gere über Trump, Glück, Buddhismus: "Der Dalai Lama ist Feminist"
Richard Gere Österreich-exklusiv über seinen Freund, den Dalai Lama, seinen neuen Film über ihn, den Weg zu innerem Frieden und sein neues Leben in Spanien.
Zürich, ein nobles Fünf-Sterne-Hotel. Bei der ersten Begegnung mit Richard Gere laufen wir uns im Untergeschoß unbeabsichtigt in die Arme, jeder auf der anderen Seite der Tür – hoppla! Dann treffen wir uns zum Interview in einer holzvertäfelten Suite.
Der Schauspieler erbittet sich noch ein paar Minuten, bevor wir starten: "Ich muss ein paar Schritte gehen, den Kopf frei bekommen.“ Im Gespräch wird es dann schnell philosophisch. Das passt ins Bild: Und zu "Weisheit des Glücks" (ab 15.11. im Kino), den Film, den Gere produziert hat. Ein leises Porträt über den Dalai Lama und seine Gedankenwelt.
Humorvoll und berührend skizziert das religiöse Oberhaupt der Tibeter darin den Weg zu Glück und einem erfüllten Leben. Neben der bewegten Biografie des Friedensnobelpreisträgers, der mit 23 Jahren nach einem von China niedergeschlagenen Volksaufstand aus Tibet fliehen musste, geht es in dem filmischen Vermächtnis aber nicht nur um Selbstverwirklichung.
Er spricht über seine Ansichten zur modernen Welt in Zeiten von Klimakollaps und Krieg – und zwar in Nahaufnahme und direkt in die Kamera. Mit Richard Gere, dem Star aus "Pretty Woman" oder "Sommersby" und zudem ein leidenschaftlicher Buddhist, verbindet den Dalai Lama eine langjährige Freundschaft.
Im Interview lesen:
- "In Wirklichkeit gibt es gar keinen Richard Gere"
- Warum er Frauen liebt und was sie Männer voraus haben
- Weshalb er für seine Ehefrau nach Spanien auswanderte
Mr. Gere, was bedeutet Glück für Sie persönlich – ist es Einstellungssache, oder vielmehr auch eine Entscheidung?
Ich denke, wir ticken da alle gleich. Wenn wir uns frei fühlen, und körperlich, geistig und spirituell nicht eingeschränkt, sind wir ziemlich glücklich. Befreiung ist im Buddhismus ein Begriff von großer Macht. Es gibt aber noch ein anderes wichtiges Wort.
Welches?
Bodhichitta – der erwachende Geist. Das ist sozusagen der Kern dessen, worüber Seine Heiligkeit offenen, warmen Herzens spricht. Diese Einstellung kann relativ oder absolut sein. Ist sie relativ, dann äußert sie sich in Mitgefühl. Wir alle kennen Menschen, die großzügig, nett und liebevoll sind. Menschen, die man einfach gerne um sich hat.
Und ein absoluter, erwachender Geist?
Der hat nicht nur mit dem Verstehen der Dinge zu tun, sondern vielmehr mit Weisheit. Eine Weisheit, die erkennt, dass alles leer ist, ohne innewohnender Existenz. Man begreift die Realität. Und zwar nicht nur intellektuell, sondern bis tief in die letzte Faser des eigenen Wesens. Beides zusammen ergibt Buddha. Und derjenige, der ihm zu meiner Lebzeit am nächsten kommt, das ist dieser außergewöhnliche Mann: der Dalai Lama.
War es ein weiter Weg für Sie, um ein erfülltes Leben und Glück zu erreichen?
Oh, ich habe noch gar nichts erreicht! Aber ich beklage mich nicht. Es ist ein weiter Pfad zum Glück. Buddha hat ihn entdeckt und hart daran gearbeitet, ihn zu beschreiten.
Auf der ganzen Welt geschehen Gräueltaten. Wie herausfordernd ist das für Sie angesichts Ihrer friedvollen Philosophie?
Es ist schwer für uns alle, das zu begreifen. Wie über Deutschland im Nationalsozialismus fragt man sich: Wie konnte es so weit kommen, diese schrecklichen Dinge passieren? Wir sind Menschen. Wir sind doch alle gleich. Wie kann eine ganze Nation sich so hypnotisieren lassen? Es lässt sich nicht erklären. Am ehesten damit, dass wir in einer Welt negativer Halluzinationen leben.
Die falsche Idee von der Existenz eines Selbst ist die Wurzel aller Probleme.
Was hat es damit auf sich?
Wir glauben, dass unser Selbst tatsächlich so existiert, wie es uns unser Gehirn und unsere Sinnesorgane diktieren. Weil wir riechen, schmecken, berühren. Aber es ist nicht unser Auge, das uns sagt, was wir mögen oder nicht – es ist unser Gehirn, das diese Bewertungen vornimmt. Auch Hass entsteht auf diese Weise. Dabei existiert gar kein Selbst. Wir existieren nicht nur physisch, sondern auch psychophysisch. In Wirklichkeit gibt es gar keinen Richard. Bloß ein Bündel Ideen davon, wer dieser Richard ist. Wir aber glauben, wir müssten unsere Ideen von uns selbst mit allen Mitteln verteidigen. Dafür sind wir bereit, Armeen aufzustellen oder sogar Länder zu erobern. Wir reden von ganzen Weltsystemen an Halluzinationen. Das zu durchschauen und daraus auszubrechen, kann dauern. Buddha hat herausgefunden, dass diese negativen Halluzinationen die Quelle aller Probleme sind und hat sich davon befreit. Die falsche Idee von der Existenz eines Selbst ist die Wurzel aller Probleme.
Der Leiter des Züricher Film-Festivals nennt Ihren Film "Weisheit des Glücks" ein "Handbuch für Resilienz und Optimismus für gestresste Manager". Würden Sie dem zustimmen?
Das ist eine zeitgemäße Interpretation, also warum nicht? Der Film handelt auch davon, wie man durch den Tag kommt, ohne wütend zu werden. Wenn uns jemand angreift, tendieren wir dazu, es persönlich zu nehmen. Jemand spürt ein Gift in sich – sei es Wut, Hass oder Eifersucht –, weiß nicht, wie er es loswerden soll und gibt es an uns weiter. Das wieder führt dazu, dass wir es ihm doppelt zurückzahlen. Als Buddhist aber nimmt man die Dinge nicht persönlich. Wir entwickeln nicht Wut, sondern Mitgefühl. Dadurch lösen wir das Gift in uns auf.
Wie ist es um Ihren eigenen inneren Frieden bestellt?
Es war einfach, den Buddhismus anzunehmen, ich war wirklich davon angezogen. Ich gehe davon aus, dass ich in früheren Leben Erfahrungen damit und mit Tibet gemacht habe. Etwas am Buddhismus und an Tibet war wie Heimat für mich. Dennoch: Den Geist zu zähmen und zu reinigen, war ein sehr schwieriger Prozess für mich. Das geht nicht so einfach.
Wie meinen Sie das?
Ich habe damals gedacht, wenn ich eine Stunde meditiere, werde ich am Ende des Tages so weise wie Buddha sein. Das ist natürlich eine lächerliche Anschauung. Man trägt so viele Gifte in sich, die sich über unendlich viele Lebenszeiten mit jeder Wiedergeburt angesammelt haben. Im Reinigungsprozess löst man sich von seinen negativen Emotionen. Gleichzeitig wird man zu einer umfassenderen Sicht der Dinge ermutigt und greift auf eine tiefere Ebene des Geistes zu. Die Weite des Geistes und die Oberflächlichkeit der belastenden Emotionen beginnt sich auszugleichen. Und ab einem bestimmten Punkt wird man sie los – hoffentlich.
Die Dummheit Trumps ist einfach unglaublich. Sich hinzustellen und zu behaupten, sie hätte einen niedrigen IQ und sei ein Kartoffelhirn. Dabei ist es so offensichtlich, wer von den beiden das Kartoffelhirn hat.
Der Dalai Lama, das geht aus dem Film hervor, ist ein Feminist. Teilen Sie diese Einstellung mit ihm?
Schauen Sie, ich bin ein Mann. Ich liebe Frauen. Ich hatte meine Frau schon eine Weile nicht mehr gesehen, als ich gestern hier ankam. Ich war wirklich erleichtert, ihre Sanftheit, Großzügigkeit und Liebe wieder um mich zu haben. Frauen kann man viel mehr vertrauen als Männern. Der Dalai Lama ist ein großer Feminist. Ich teile seine Meinung, wenn er sagt, der Welt würde es viel besser gehen, hätten wir mehr weibliche Anführer.
Amerika und eine Präsidentin – geht das zusammen?
Es war erstaunlich, als Kamala Harris die Bühne betrat. Alle sagten, wow, sie steht auch zur Wahl? Wir müssen uns nicht mit diesem Typen abfinden? Die Dummheit Trumps ist einfach unglaublich. Sich hinzustellen und zu behaupten, sie hätte einen niedrigen IQ und sei ein Kartoffelhirn. Dabei ist es so offensichtlich, wer von den beiden das Kartoffelhirn hat.
Wie schätzen Sie Kamala Harris ein?
Sie hat Sinn für Mitgefühl, gleichzeitig kann sie aber stark und unerbittlich sein. Kamala Harris ist eine starke Anführerin. Dennoch hat sie eine höhere Motivation: Ihre Bemühungen schließen wirklich jeden ein, sie übernimmt Verantwortung für alle, nicht nur für ihre eigenen Leute. Keine leichte Aufgabe.
Sie leben jetzt mit Ihrer Familie in Spanien. Wie kam es dazu?
Ich bin für meine Frau nach Spanien gezogen. Sie hat mir so viele Jahre in New York geschenkt, aber ihre Familie, Freunde und Kultur immer vermisst. Unsere Kinder wachsen zweisprachig auf. Allein deswegen wollten wir, dass sie zumindest ein paar – wenn nicht viele – Jahre in Spanien verbringen.
Wie fällt der Blick Ihrer Frau auf die USA aus?
Meine Frau ist über viele Dinge in Amerika entsetzt. Etwa, dass sich viele Leute keine Gesundheitsvorsorge leisten können. Wenn sie krank werden oder nicht operiert werden können, sterben sie. So werden ganze Familien zerstört. In Spanien hingegen ist, wie in den meisten europäischen Ländern auch, das Gesundheitssystem sehr gut. Auch über die Waffengewalt und die Gewalt an den Schulen ist meine Frau entsetzt. Es gibt viele Gründe, warum sie aus Amerika wegwollte. Dabei liebt sie Amerika und will, dass unsere Kinder in Amerika zur Schule gehen, weil es hier großartige Schulen gibt. Aber es gibt eben auch entsetzliche Dinge und deshalb wollte sie das Land verlassen.
Haben Sie durch Ihre Frau eine andere Sichtweise auf Amerika bekommen?
Ich bin damit aufgewachsen, dass Waffengewalt in unserem zweiten Verfassungszusatz verankert ist. Der ist sehr umstritten. Der zweite Verfassungszusatz bedeutet nicht, dass jeder jederzeit jede beliebige Waffe tragen kann. Auch wenn er von vielen so ausgelegt wird. Es ist kompliziert, die Zeit, aus der er stammt, war kompliziert. Eigentlich ging es darum, Angehörige einer Miliz zu bewaffnen und nicht die Privatbevölkerung. Meine Frau ist entsetzt darüber, dass bei uns überhaupt darüber diskutiert wird. Solch ein Ausmaß an Waffen sieht man in Europa nicht. Das ist Wahnsinn.
Sie haben also auch Angst um Ihre Kinder.
Der Gedanke, dass unsere Kinder auf dem Weg zur Schule in Gefahr sein könnten, war ein Schock für meine Frau. Für mich natürlich auch, aber noch umso mehr, als ich diesen Zustand durch ihre Augen betrachtet habe. Sie konnte sich nicht einmal vorstellen, dass so etwas möglich ist. Gerade in den Vereinigten Staaten, die doch vielfach als Vorbild des Möglichen gelten.
Fühlen Sie sich in Spanien zuhause?
Ich kenne einige Leute, aber ich habe jetzt keine Freundesclique, die für mich Heimat bedeutet. Das wird sich mit der Zeit ändern. Ich liebe die Familie meiner Frau, auch unsere engsten Freunde. Und ich freue mich darauf, mir in Spanien meine eigene Welt aufzubauen.
Ist Ihre Familie auch buddhistisch?
Mehrere meiner Geschwister sind praktizierende Buddhisten. Ich weiß nicht, ob sie das ernsthaft und täglich machen, so wie ich lange Zeit. Aber sie schätzen den Buddhismus. So wie meine Kinder auch. Sie besuchen mich gern in meinem Meditationsraum. Sie bleiben nicht lange, aber sie setzen sich dann auf meinen Schoß, ich schweige, sie genießen die Ruhe – solange, bis ihnen langweilig wird und sie wieder gehen.
Ganz nach der Lehre des Dalai Lama legen Sie jeden Morgen Ihre Motivation für den Tag fest. Was war sie heute?
Die ist jeden Tag dieselbe: Lass uns dem, was heute geschieht, einen Sinn geben. Interviews zu geben kann ein Albtraum sein – oder aber man entschließt sich, für alle Beteiligten das Beste daraus zu machen. Jetzt bin ich zwar erschöpft – ich kann vor lauter Reden meine eigene Stimme schon nicht mehr hören –, aber glücklich. Ich treffe interessante Menschen. Wir arbeiten gemeinsam daran, dass unser Treffen sinnvoll ist, sowohl für mich als auch für Sie. Sie schreiben etwas, das andere Leute lesen werden – lassen wir es doch etwas sein, das positiv ist und sinnstiftend. Und das auf gewisse Weise auch ein bisschen unsere Welt erklärt.
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