Eine grinsende, düstere Micky Maus im Stil Gottfried Helnweins trägt eine Cola-light-Dose am Rücken. Im Ohr ist eine Marke der Firma Steiff.

Wiener Künstler macht Helnweins Micky Maus zum Cola-light-Mann

Peter Müller alias Pell Art liebt es, Logos und Comicfiguren neu zu interpretieren. Und manchmal tritt er – auch zufällig – in Dialog mit Gottfried Helnweins Werken.

Nicht weit entfernt von den Botschaftsvillen in Wien-Hietzing residiert ein selbstbetitelter Botschafter der Freude. Versteckt in der ruhigen Auhofstraße 33 werkelt der Künstler Pell Art in seinem Atelier. 

Doch statt steifer Staatsrepräsentation gibt es bei ihm augenzwinkernden und detailgenauen Schabernack in Acryl auf Leinwand.

Asterix und Obelix: Hier sind sie nicht bloß gallische Helden, sondern das wohl bekannteste Almdudler-Pärchen der Alpenrepublik, das sich vor Freude die Bäuche hält. Und Snoopy: Statt seiner Hundehütte hat er sich einen überdimensionalen Burger als Ruheplatz ausgesucht. Paulchen Panther: Statt mit Gegnern im Clinch zu liegen, posiert der rosarote Held lässig im Martini-Glas.

Die Comicfigur Paulchen Panther sitzt in einem Glas. Unten am Boden liegt eine aufgespießte Olive

Der Pink Panther sitzt bei Pell Art im Martini-Glas.

©Pell-art

Diese Scherze hängen nicht nur im Schaufenster, sie scheinen so manche Passanten förmlich hereinzuwinken. "Für mich ist es die größte Belohnung, wenn die Leute dann lachend hereinkommen und sagen: Da habe ich mich wieder krumm gelacht", sagt Pell Art, der eigentlich Peter Müller heißt.

Helnweins düstere Micky Maus mit Cola-Dose

Und dann wäre da noch die düster inszenierte Micky Maus und der blau schimmernde Donald Duck – eine Hommage an Gottfried Helnwein, nur eben auf die Art des "Botschafters der Freude". 

Bei Müller bleibt es nämlich nicht beim finsteren Ton. Den mag er nicht so: Sein Donald Duck bewirbt kokett eine leuchtend rote Campari-Flasche, während Micky selbst die Last der Konsumwelt trägt und eine riesige Cola-Dose auf dem Rücken balanciert. Als Referenz an die berühmte Kuscheltierfabrik Steiff hat Müller seiner Micky Maus noch ein "Flinserl" verpasst – den berühmten Knopf im Ohr.

Da zeigt sich der erfahrene Werbemaler. Müller hat an der Schule für Malerei und Kunstgewerbe in Baden gelernt und seit den Achtzigern Markenbilder auf Feuermauern oder Plakaten präzise und wirkungsvoll inszeniert.

Macht Pell Art Pop Art?

Doch ist seine Arbeit nun Pop Art? Immerhin vereint er Werbung, Massenkultur und Kunst zu einem verblüffenden Ganzen. Müller selbst verneint. Als er einmal seine Werke auf der Art Now Fair, einer Parallelveranstaltung zur Art Basel in Miami zeigte, wurde er aufgeklärt: "Das könne keine Pop Art sein, meinten die US-Amerikaner, denn die gab es nur in den 1960er-Jahren."

Müllers Arbeiten mögen die Ästhetik der Pop Art zitieren – aber sie tragen auch den Stempel unserer Zeit. Wenn überhaupt, so würde er seinen Arbeiten den Stempel "Trend Art" statt Pop Art aufdrücken: Denn seine Frau arbeitet als Dekorateurin und hat ihm eingeschärft: "Du musst mit den Trends gehen."

Dazu definiere er sich auch nicht als Künstler. "Ich sehe mich mehr als einen Handwerker."

In den Neunzigern zog Müller als Sprayer durch die Stadt. Während sich andere an Zügen oder Hauswänden versuchten, war er etwas weniger verwegen unterwegs. "Ich habe nur die Plakatwände besprüht, wenn sie frisch weiß gestrichen waren", erinnert er sich. "Etwas kaputt machen, das war einfach nicht meines."

Pepsi-Schriftzug am Lieferwagen von Coca Cola

Manchmal hätte er sich jedoch einen kleinen Streich mit den großen Marken gewünscht. Die Vorstellung, Cola-Lieferwagen mit einem Pepsi-Logo zu verzieren, verfolgte ihn lange – aber das blieb ein Wunschtraum. "Das Gelände, wo die geparkt haben, war leider immer abgesperrt. Da haben wir uns nicht hineingetraut." Ein kurzer, nachdenklicher Blick, dann wie auch bei seinen Bildern ein Augenzwinkern: "Aber witzig wäre es gewesen."

Der Künstler steht vor einer Staffelei, auf der ein noch unfertiges Pink-Panther-Bild hängt

Pell Art alias Peter Müller in seinem Artelier in Wien

©Voglhuber Daniel

Für Müller hat das Coca-Cola-Logo einen besonderen Zauber. "Das kennt jeder auf der ganzen Welt – und diese Schrift, die hat was! Extrem dekorativ, die hat den Goldenen Schnitt", schwärmt er. Aber für ihn liegt die Kunst oft im Ausschnitt, im Fragment. Das ganze Logo, in seiner vollen Pracht, ist gar nicht nötig, findet er. "Ein kleiner Teil reicht meistens aus", erklärt Müller. "Das ist wie ein Text, bei dem Buchstaben fehlen – das Hirn macht den Rest. Und damit spiele ich gern."

Seine Spiele führten ihn in diesem Sommer in eine Galerie nach Gmunden. Die Ausstellung fand fast neben der großen Helnwein-Schau statt, die im Rahmen der Kulturhauptstadt Salzkammergut für Aufsehen sorgte. Zufälligerweise hatte Müller auch seine düstere Micky Maus im Gepäck – jene Version, die eine überdimensionale Cola-light-Dose auf dem Rücken und einen Steiff-Knopf trägt. 

Ob Helnwein diesen unbeabsichtigten Dialog bemerkte, ist nicht bekannt. Aber einem Touristen aus Deutschland stach die Bärenmarke im Mausohr sofort ins Auge. Er zögerte nicht lange und kaufte das Bild vom Fleck weg. 

Das kosten Pell Arts Werke

Müller freute sich, die Frau des Gastes war zunächst in ihrer Euphorie noch schaumgebremst. "Jetzt müssen wir wegen des Bilds nach Hause fahren“, sagte sie über ihr abruptes Ende des Campingurlaubs. Aber es half nichts, die Maus musste nach Deutschland. Der Preis der Bilder fängt bei rund 400 Euro an und endet bei 1.200. Mehr braucht es nicht, sagt Müller "Die Bilder müssen leistbar bleiben." 

Neben seinen Spielereien auf der Leinwand verdingt er sich auch heute noch als Werbemaler – und hilft jungen Künstlerinnen und Künstlern, wenn sie Aufträge für den öffentlichen Raum bekommen.

Ein Dollarschein, statt George Washington prangt ein bunter Dagobert Duck darauf, der verärgert schaut.
©Pell-art

Der Künstler, pardon Handwerker, pendelt zwischen seiner Auftragsarbeit und seiner eigenen Welt, die er mit Stiften und Pinseln erschafft. Schon in der Schule zeichnete er aus Erlebtem Comics. 

Peter Müllers Tierfamilie

Fotos von Familienurlauben gibt es kaum – Müller zeichnet die prägenden Momente. Nur auf seine Art: "Ich bin der Dackel, meine Frau ein Pudel. Eine Tochter ist ein Mops, die andere eine Katze." Wenn er Autos malt, kann es sein, dass sich im Chrom der Stangen und Felgen ein Fotograf spiegelt, oder die Gasse, in der er einst gewohnt hat.

Für die Zukunft wurde ihm schon beschieden: "Deine Zeit kommt noch." Doch Müller zuckt nur mit den Schultern. Der große Durchbruch interessiert ihn nicht. "Ich bin lieber im Hintergrund." Und natürlich im Atelier in der Auhofstraße 33, in dieser Botschaft der guten Laune.

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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