Backstage im Ronacher: Privat-Audienz bei Falco

Österreichs größter Popstar würde am 19. Februar 68 Jahre alt – ein Blick hinter die Kulissen des Mega-Erfolgs-Musicals "Rock Me Amadeus".

Mehr als 350 Vorstellungen, über 350.000 Besucher: Diese Zahlen machen das  Falco-Musical im Ronacher nicht nur zu einem der erfolgreichsten, die in der Musical-Stadt Wien je inszeniert wurden  – sie hätten wohl auch Hans Hölzel selbst so richtig getaugt.

Obwohl er es wahrscheinlich mit einem Achselzucken und einem nasalen Spruch abgetan hätte. "War doch klar", oder "Was hättst du glaubt?" oder so etwas in der Art. 

Ein schönes Geburtstagsgeschenk jedenfalls: der Applaus, der Ruhm, die mitreißende Show in seinem Namen. Und ein guter Grund für die freizeit sich schon ein paar Tage vor Falcos Geburtstag hinter den Kulissen des Ronacher umzuschauen. 

Hausherr Christian Struppeck hat sich höchstpersönlich für die Führung Zeit genommen: Der Mann ist nicht nur Musical-Intendant der Vereinigten Bühnen Wien, sondern selbst Autor des Musicals um Österreichs größten internationalen Popstar. 

Außerdem lest ihr in dieser Geschichte noch:

  • Falcos Kopf im unterirdischen Labyrinth
  • Hoppalas & Stars im Bademantel
  • Annäherung an einen Star

Was veranlasste ihn zu dem Projekt, das durchaus ein gewisses Wagnis darstellte, da es bereits drei musikalische Aufarbeitungen der musikalischen Legende gab ...  

"Die drei bisherigen Stücke, also Paulus Mankers Falco – A Cyber Show, ebenso wie danach Falco meets Amadeus in Berlin, und Falco – das Musical, waren jedes für sich und auf eigene Art spannend", erklärt Intendant Struppeck, früher selbst ein Triple Threat – Gesang, Tanz, Schauspiel – auf der Bühne.

Christian Struppeck

"Spiegellandschaft": Intendant Christian Struppeck auf der Falco-Bühne. Er lehnt entspannt an einer der 24 Boxen, die eine wichtige Rolle im Musical spielen. Und manchmal für Überraschungen sorgen ...

©kurier/Martin Winkler

"Ich wollte Falcos Leben realitätsnah zeigen, dafür habe ich eng mit vielen Weggefährten zusammengearbeitet. Seine Zerrissenheit, aber auch diese oft vergessene, eigentlich unglaubliche Situation, wie ein 24-jähriger Wiener, der bis dahin hauptsächlich in Underground-Bands gespielt hat, plötzlich zum Weltstar wird", fährt Struppeck fort – und man sieht Begeisterung und ehrliche Bewunderung in seinen Augen. 

Denn es ist ja tatsächlich so, dass man kaum mehr daran denkt, dass "unser" Hansi nicht erst mit Amadeus Weltruhm erlangte. Der kam bereits viel früher mit dem Kommissar. 1981 in Österreich, wo es keine Tradition in Sachen Pop-Weltstar gab, keine greifbaren Role-Models, an denen sich ein junger Musiker orientieren konnte.

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Falco am Bass

Das Musical zeigt auch Falcos musikalische Anfänge in Wiener Underground-Bands. Hier mit Drahdiwaberl

©Deen van Meer

"Ein unglaublicher Rausch für einen jungen Menschen – und ein enormer Druck", wie Struppeck erklärt, während er uns tiefer und tiefer in den "Bauch" des Theaters führt, der für Uneingeweihte normalerweise Tabuzone ist. 

Der Intendant fährt wie die meisten Theatermitarbeiter normalerweise mit dem Aufzug, kurz vor und während der Aufführungen soll der aber nicht benutzt werden. Er könnte ja stecken bleiben. Das zweite Untergeschoß des Ronacher bietet eine Überfülle an Gängen und Türen, Treppen hier und da – und man fragt sich unwillkürlich, wo das Wollknäuel ist, wenn man es braucht. Oder die Brotkrumen ... 

Indiana Jones Feeling vor dem Mega-Falco-Kopf 

Doch dann dreht sich Christian Struppeck einmal elegant um die eigene Achse, zeigt auf die Tür links von ihm – und führt uns noch ein Stockwerk tiefer.

Falco-Kopf

Noch ist er tief im Inneren des Theaters versteckt: der riesige Falco-Kopf, 8 Meter hoch, zweieinhalb Tonnen schwer ...

©kurier/Martin Winkler

Eine letzte Stahltür öffnet sich, und es beschleicht einen beinahe ein Indiana-Jones-Feeling, als "er" endlich vor uns aufragt: der riesige Falco-Kopf, acht Meter hoch, zweieinhalb Tonnen schwer, der im Musical eine wichtige Rolle spielt. Denn in ihm spukt Hansi Hölzels dämonisches Alter Ego herum, der düstere, arrogante, menschenverachtende Geist, der aus dem sensiblen jungen Musiker erst "den" Falco macht, den man eben auch kennt. 

Das Monster von Kopf wird natürlich nicht über die verwinkelten Stiegen nach oben getragen, sondern mit einem gewaltigen Aufzug direkt auf die spiegelnde Bühne gebracht. Dort ist jetzt, knapp zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn, Mark Langowski, Leiter der Bühnentechnik des Ronacher, beschäftigt. 

Falco Bühne

Wie durch Zauberhand erscheint das Monstrum auf der Bühne. Und in ihm spukt ein richtig böser Geist ... Spektakulär: Die offenen "Räume" oberhalb der Bühne, die verschoben und miteinander verbunden werden können

©Deen van Meer

Er sorgt dafür, dass jeder Scheinwerfer, jedes Raumelement, jedes Kabel und vor allem auch jeder der insgesamt 24 geheimnisvollen Würfel, die nur scheinbar achtlos verteilt darauf warten, von den Schauspielern geöffnet zu werden, exakt auf dem richtigen Platz ist. 

"In ihnen befinden sich Requisiten, von denen jedes im Lauf der Handlung benutzt wird", erklärt der langjährige Falco-Fan. "Die Darsteller müssen sich natürlich darauf verlassen können, dass sie den richtigen Würfel öffnen."

Requisiten-Hoppala auf der Bühne 

Doppelt schwierig, da sie keinesfalls dort liegen bleiben, wo Langowski und sein Team sie ursprünglich platzieren, sondern gemäß einer ausgeklügelten Choreografie immer wieder verschoben werden. Passiert es da nicht manchmal, dass ein Schauspieler quasi ein Überraschungsei öffnet, mit dessen Inhalt er nichts anfangen kann? 

Falco & Alter Ego

Moritz Mausser als Falco und Alex Melcher als sein dunkles Alter Ego

©Deen van Meer

"Ganz selten – aber doch", erzählt Intendant Struppeck augenzwinkernd. "Während einer Preview war Falcos Glitzerjacke, die für Hans gedacht war, nicht im Würfel, in dem Alex Melcher, Falcos Alter Ego, sie vorfinden sollte. Er reagierte aber blitzschnell und gab einfach seine eigene Jacke an Falco weiter. Das hat dramaturgisch mindestens genauso gut gepasst, sodass wir es ab da einfach so gelassen haben!"

Aber nicht nur der routinierte Alex Melcher, der schon in Jesus Christ Superstar als Judas und Jesus zu überzeugen verstand, glänzt durch Professionalität und Talent. "Was Moritz Mausser als Falco leistet, ist absolut phänomenal", ist Christian Struppeck voll des Lobs für seinen Hauptdarsteller. 

Falco & Intendant

Nicht nur Intendant Christian Struppeck ist begeistert von "seinem" Falco Moritz Mausser - auch das Publikum

©Katharina Schiffl

Über Nacht zum Star

"Man muss sich das einmal vorstellen, er war ja noch in Ausbildung an der Musikuni, als er die Rolle bekam, gerade einmal 23 bei der Premiere. Seine erste große, professionelle Produktion – die ihn praktisch über Nacht zum Star macht! Moritz ist mit 1,78 also nicht nur genau so groß wie Falco, er hat auch im gleichen Alter diesen plötzlichen Erfolg", erklärt der Intendant.

Wellness mit dem Falken im Bademantel

Dabei bleibt der mittlerweile knapp 25-jährige Wiener allerdings erstaunlich bodenständig. Wir treffen Moritz Mausser Backstage im ersten Stock des Ronacher, wo sich die Maske befindet. 

Moritz Mausser

Backstage: "Falco" Moritz Mausser mit seiner Maskenbildnerin Angelika Kaiser 

©kurier/Martin Winkler

Die Stimmung ist fröhlich entspannt, Co-Stars und Ensemble kommen in weißen Bademänteln und Slides vorbei und holen sich hier ihre Mikro-Headsets ab, die in kleinen, mit Namen beschrifteten Taschen an der Wand aufgereiht hängen, bevor sie geschminkt werden und sich umziehen.    

"Falco bewahrt auch in der Therme Stil"

Es wird ein bissl gescherzt und geplaudert, durch die Bademäntel kommt beinahe ein wenig Thermen-Wellness-Feeling auf.  "Ja, aber schauen Sie mal", sagt Moritz grinsend und zeigt auf seine Füße, "Falco bewahrt auch in der Therme Stil". Tatsächlich trägt er keine Badeschlapfen, sondern glänzend polierte schwarze Lackschuhe. 

Moritz Mausser

Wen sieht ein Star, wenn er in den Spiegel schaut? Moritz Mausser bleibt jedenfalls trotz seines frühen Erfolges geerdet

©kurier/Martin Winkler

So locker heute Abend alles ist – erinnert sich Moritz Mausser noch an sein erstes Mal? "Das war schon wirklich heftig. Mir war auch bewusst, wie viel bei so einer riesigen Produktion letztendlich von meiner Performance abhängt. Das setzt einem schon zu ... Eine extreme Verantwortung, auch den Fans gegenüber. Falco ist halt jemand, der vielen Menschen sehr viel bedeutet." 

Stimmt, bei Falco ist es beinahe wie beim Fußball. Spielt das Nationalteam, gibt es vier Millionen Teamchefs. Und jeder kennt sich besser aus als der Mann, der tatsächlich auf der Bank sitzt. "Es kommen schon manche Zuschauer mit einer gewissen Skepsis rein", bestätigt Moritz Mausser. 

Umso schöner für ihn, dass er bislang sowohl Fans als auch Kritiker immer wieder überzeugen konnte.

Von der Liebe der Fans überfordert

"Besonders berührt es mich, wenn einige dann am Bühnenausgang warten, weil sie mir das sagen wollen." Apropos: Wie viele Liebesbriefe bekommt er täglich? "(lacht) Gar nicht so viele. Aber prinzipiell ist es etwas, dass mich ein wenig überfordert. Weil manche Fans eine Nähe herstellen wollen, die so nicht wirklich möglich ist. Also insofern, als sie glauben, mich zu kennen, weil sie mich auf der Bühne des Ronacher gesehen haben. Aber das dort auf der Bühne, das bin ja nicht ich, das ist die Rolle, die ich spiele." 

Und wer ist Moritz Mausser? "Der war bis vor Kurzem selbst noch Fan. Und fantasierte über das Leben der Leute, die er auf der Bühne sah, dieses schillernde, perfekte Leben. Heute weiß ich, dass es ein Beruf ist wie jeder andere. Und die Menschen, die ihn ausüben, genau die gleichen dummen und klugen, aufregenden und belanglosen Dinge tun wie alle anderen auch." 

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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