Kate Bush - First Lady des Pop: Bei ihr werden Superstars zu Fans

Von David Gilmour entdeckt, von Johnny Rotten angebetet, von Dave Gahan geliebt: Vor 50 Jahren nahm Kate Bush ihren ersten Hit auf.

Wie fühlt sich wohl eine 14-Jährige, wenn der Freund ihres großen Bruders plötzlich einen der größten Rockstars seiner Zeit ins Haus bringt? Nicht, um mit den Jungs abzuhängen oder ihren Vater, einen Arzt, um medizinischen Rat zu fragen –  sondern weil er ein paar Kassetten von ihr gehört hat und einzig und allein sie, SIE kennenlernen will.

Vielleicht war es ja gut für die junge Catherine "Cathy" Bush, dass sie David Gilmour und seine Band Pink Floyd nicht wirklich kannte. 

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Natürlich hatte sie damals, 1973, schon von seiner Band Pink Floyd gehört. Die hatten mit "Dark Side of the Moon" gerade eines der wichtigsten Alben des 20. Jahrhunderts herausgebracht – aber sie kannte keinen seiner Songs. 

Von ihrem Vater, der im 350 Jahre alten Haus, das sie in Kent bewohnten, stundenlang Schubert, Chopin und Beethoven am Flügel spielte, hatte sie die Liebe zur Klassik. Von ihrer irischen Mutter die Freude an traditionellen Folksongs. Sie selbst hatte gerade David Bowie und Roxy Music für sich entdeckt.

David Gilmour streckte sofort die Fühler aus, so sehr gefiel ihm, was er hörte. Aber die eigene Welttournee kam ihm dazwischen. Es dauerte bis ins Frühjahr 1975, David nahm mit seinen Kumpels gerade das legendäre "Wish you were here"-Album auf, dass er beschloss, nun endlich Nägel mit Köpfen zu machen. 

Er ging selbst mit Kate, eigentlich noch immer Cathy, ins Studio, holte einige Kapazunder mit dazu und nahm drei Songs der jungen Künstlerin auf. Darunter: "The Man with the Child in his Eyes", einen ihrer großen Hits.  

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Viel mehr als das "sexy Girl am Klavier"

Bob Mercer, CEO von EMI, ließ sich von ihrem Talent überzeugen, sah sie aber eher als sexy Girl am Klavier, das möglichst gefällige Songs für ein möglichst breites Publikum aufnehmen sollte. 

Gemeinsam mit Gilmour, der das genau wie Kate Bush ganz anders sah, einigte man sich schließlich auf einen Vorvertrag, der diese Entwicklung unterband. Er sollte ihr stattdessen ermöglichen, weiter an ihrem Songwriting zu arbeiten und Live-Erfahrung zu sammeln. 

Dafür gab es einen Vorschuss von 3.000 Pfund  – eine ordentliche Summe vor 50 Jahren! 

Und Cathy, inzwischen knapp 17, machte damit auch tatsächlich nicht auf Party oder kaufte sich einen Maybach, sondern schrieb über 200 Songs, gründete die KT Bush Band, mit der sie durch Londoner Pubs tingelte – und nahm Tanzunterricht bei Lindsay Kemp, bei dem auch David Bowie gelernt hat. 

Großes Theater war wohl sehr früh ihre Vision – und ihre Träume sollte sich erfüllen. Früher und eindrucksvoller als vielleicht vermutet.

1977 nahm sie schließlich ihr Debüt-Album "The Kick Inside" auf, zwei der Songs, die sie zwei Jahre zuvor mit Gilmour produziert hatte, darunter "The Man ... ", kamen ebenfalls auf die LP. 

Nach Streitereien mit der Plattenfirma über die Vorab-Single, Mercer hielt "Wuthering Heights" für unverkaufbar, und der Tiefe ihres Ausschnitts – wir erinnern uns an die ursprünglichen Pläne des CEO –  auf dem Cover-Foto erschien die Vorab-Single statt im November erst im Jänner 1978. Natürlich war es "Wuthering Heights".

So eine Stimme gab es im Pop überhaupt noch nie

Aber natürlich kann man die musikalischen Bedenken der Plattenfirma nachvollziehen. Ein Song nach einer literarischen Vorlage aus Viktorianischer Epoche, mit 4/4-, 2/4-, 3/4-, 5/4-Taktwechseln, die so ungewöhnlich sind, dass sogar Kates Schlagzeuger ein wenig ins Schwimmen kam, gesungen mit einer Stimme, wie man sie im Pop überhaupt noch nie gehört hat. 

Und das ausgerechnet in einem Jahr, das sämtliche etablierte Musikwerte erschütterte:  Die Sex Pistols hatten 1977 Punk zum heißesten Scheiß von überhaupt gemacht, und am anderen Ende der Skala zimmerten die Bee Gees an einem Ding namens Disco, das die Mainstream-Unterhaltung auf Jahre dominieren sollte. Mitten hinein kam die 19-jährige Kate mit ihrem merkwürdigen, barocken Art-Pop – und stieg ohne Umwege zur Nummer eins in den Charts auf. 

Mehr als nur eine Sensation: Sie war die erste Frau in der langen Geschichte der britischen Verkaufshitparaden, die es mit einem selbst komponierten Song an die Spitze schaffte, die wahre "First Lady des Pop"!

Alle lieben Kate

Und noch ein merkwürdiges Phänomen begleitete sie von Anfang an wie eine Art magische Aura: Es gab praktisch niemanden, der sich NICHT in ihren seltsam schrägen, aber emotional fesselnden Sound verliebte.

Siouxsie Sioux pilgerte ebenso zu ihrem Konzert wie Elton John, nicht Hand in Hand natürlich, das würde zu weit gehen, aber doch verbunden im Geist der Künstlerin, der schrullig auf zauberhafte Weise sexy machte. 

Der böse Johnny Rotten, der in Kate, wie sie in einem frühen Interview zugab, die Angst weckte, er und seine Kumpels würden sie spießig finden, sagte über sie: "Ich glaube nicht an Gott, aber täte ich es, dann wäre Kate Bush meine Bibel." 

Ich glaube nicht an Gott, aber täte ich es, dann wäre Kate Bush meine Bibel.

Johnny Rotten

Rockerin Courtney Love bekannte, dass sie schon als Teenager ein Riesen-Fan war und der coole David Gahan von Depeche Mode gestand überhaupt, unsterblich in Kate verliebt zu sein. Sogar Metaller-König James Hetfield steht auf ihre Songs! 

US-Rapper Big Boi, geboren im Jahr, in dem Kate mit David Gilmour ihre ersten Songs aufnahm, zog für einige Monate nach London, nur um ihr vielleicht irgendwo zu begegnen. 

Trip-Hop-Genie Tricky nannte ihre Musik "Schönheit jenseits aller Vorstellungskraft".

Most Wuthering Heights Day

Wenigstens für einen Tag Kate Bush sein? Das geht, weltweit treffen sich Fans - wie hier in Sydney - an ihrem Geburtstag, den 30. Juli, in roten Kleidern und tanzen ihre Choreografie aus Wuthering Heights. Alle sind Willkommen, Frauen, Männer, Kinder ...

©EPA/MICK TSIKAS

Und diese universelle Liebe hat auch eine durchaus breite Basis: Seit 2016 treffen sich zu ihrem Geburtstag am 26. Juli weltweit Tausende von Menschen, um in roten Kleidern ihren legendären Tanz aus dem Wuthering Heights Video nachzuempfinden. Ein echtes Spektakel, dieser "Most Wuthering Heights Day".

Aber was macht Kate selbst eigentlich?

Sie liebt Klassik und Captain Beefheart, Def Leppard und David Bowie, trinkt gerne mal ein Tässchen Tee mit ihrem alten Freund David Gilmour – und hält sich aus der Öffentlichkeit raus. 

Fans ließ sie immer schon einige Jahre auf neue Musik warten, ob die dann in die Charts kommt oder nicht, ist ihr spätestens seit ihrem vierten Album "The Dreaming" – ein Meisterwerk! – so was von egal. Seit mehr als 30 Jahren ist sie mit dem Gitarristen Danny McIntosh verheiratet, mit dem sie einen Sohn, "Bertie", hat.  

Mehr erfährt man nicht von ihr, sie macht keine Homestorys, drängt sich vor keine Kamera und macht auch keine Fotos von ihrem Morgen-Cappuccino.

Nicht einmal die Tatsache, dass die Gen Z dank "Stranger Things" ihren Klassiker "Running Up That Hill" wieder zum Hit machte, nutzte sie zu PR-Zwecken im Rampenlicht.

Vielleicht ist das ja ein Grund für die Beobachtung ihres Freundes Elton John, auf dessen Hochzeit sie zu Gast war: "Kate war die einzige, mit der wirklich jeder reden wollte!"

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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