Wilde Langstreckenrennen und die Geburt der Champagnerdusche

Fotograf Rainer Schlegelmilch hat Momente einer großen Ära des Motorsports festgehalten.

Das Röhren der Motoren und der Geruch von verbranntem Gummi vermischen sich mit der Euphorie der Geschwindigkeit und dem Nervenkitzel des Unvorhersehbaren. Es ist ein schier endloser Kampf um die Ziellinie. 1.000 Kilometer oder 24 Stunden lang. Und auch wenn Langstreckenrennen in Zeiten des Klimawandels absurd erscheinen, faszinieren sie. Vor allem die wilden Zeiten, die noch gar nicht so lange her sind.

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Beim 24-Stunden-Rennen Le Mans gaben die Fahrer früher auf der 5,8 Kilometer langen Hunaudières-Geraden Vollgas. Ein Porsche 917 Langheck erreichte im freien Training eine Geschwindigkeit von 396 km/h. Die bis heute schnellste Runde drehte Hans-Joachim Stuck 1985 in einem Porsche 962 C mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 251,815 km/h. Ein Rekord für die Ewigkeit. Seit dem Jahr 1990 bremsen zwei Schikanen auf der Geraden die Fahrer ein.

Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans in den 1970ern. 

©Rainer Schlegelmilch/Rainer Schlegelmilch / Motorsport Images

Es ist eine Zeit, in der die Protagonisten wenig Grenzen kannten und auf einen gesunden Lebensstil pfiffen. Eine Zeit ohne große Sicherheitsvorkehrungen. Eine Zeit, die Rainer Schlegelmilch festgehalten hat. Im monumentalen Bildband „Porsche Racing Moments“, erschienen im Taschen Verlag, zeigt der Rennsportfotograf Aufnahmen aus der Zeit von 1963 und 1988. Neben Bildern von kultigen Rennwagen finden sich darin Fotos von eingespielten Teams und ins Gespräch vertieften Rennfahrern.

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Schlegelmilch zeigt Mechaniker, die mit ölverschmierten Händen am Motor schrauben oder Flüssigkeiten mit Blechkannen nachschütten. Logos von Zigarettenmarken prangten noch groß auf den Autos und Helmvisieren. Die Zuschauer stehen gefährlich nahe am Streckenrand. Schutzzäune Fehlanzeige.

Es ist eine Zeit, die es so nicht mehr gibt. Der  „Sound ist nicht mehr der, der mich ursprünglich einmal zum Motorsport getrieben hat. Selbst der Geruch nach Rizinusöl war etwas ganz Besonderes, der hat Jahrzehnte später bei mir noch einen Schweißausbruch verursacht, wenn er mir irgendwo bei historischen Rennen begegnet ist“, sagte Schlegelmilch einmal der FAZ.

Auch die Rennstrecken seien – mit Recht – wegen der Sicherheit verändert worden. „Früher bin ich in Le Mans auf einem kleinen Wall direkt neben der Rennstrecke entlanggelaufen, in den Kurven konnte man in die Autos reinfotografieren, man konnte den Fahrer sehen, wie er arbeitet.“

Unfall in der grünen Hölle

Mensch und Maschine waren auch auf dem deutschen Nürburgring gefragt. Jackie Stewart nannte ihn „Die grüne Hölle“. Nicht ohne Grund: Die 22,8 Kilometer lange Strecke durch die Wälder der Eifel gilt als einer der anspruchsvollsten der Welt. Es war der Ring der fliegenden Autos.  Mit den damaligen Modellen hoben die Fahrer  bei den 1.000-Kilometer-Rennen bis zu 14 Mal pro Runde ab. Dabei wurden auch Wagen zerstört.  Etwa im Jahr 1969.

Der britische Pilot Vic Elford erinnerte sich einmal: „Ich hob bei Kilometer 12,7 ab und flog in eine Linkskurve hinein. Ich konnte gerade noch den deutschen Fotografen Rainer Schlegelmilch am Streckenrand erkennen, bevor mein 908 hinter ihn ins Gebüsch krachte. Offenbar  hatte er sich noch rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Wir beide kletterten  unversehrt zurück auf die Strecke. Wir haben es geflissentlich vermieden, jemals darüber zu sprechen.“ 

Nicht selten gehen Unfälle bei diesen Rennen  nicht so glimpflich aus. Der Wiener Jo Gartner kam am 1. Juni 1986 um drei Uhr morgens in Le Mans auf der Mulsanne-Geraden von der Fahrbahn ab und starb.

Die französische Rennstrecke ging auch als Schauplatz der bisher größten Katastrophe im Motorsport in die Geschichte ein. Mike Hawthorn zwang seine Konkurrenten zu einem riskanten Ausweichmanöver. Es kam zu einem Unfall, bei dem Pilot Pierre Levegh und 83 Zuschauer starben. Hawthorn selbst gewann das Rennen wegen mangelnder Konkurrenz. Er lächelte während der Ehrenrunde und der Siegerehrung. In der Folge  wurden in der Schweiz Rundstreckenrennen verboten. Erst im vergangenen Jahr wurde dieses Gesetz wieder aufgehoben. Seither dürfen die Sieger auch bei den Eidgenossen  ihren Sieg theoretisch mit einer Champagnerdusche begießen.

Die Korken knallen

Dass sie es machen, hat auch wieder mit Le Mans zu tun. Ford stand 1966 in Frankreich vor einem Dreifachsieg. Henry Ford II bat Fred Chandon doch einige große Flaschen Schampus seiner Marke Moët & Chandon für die Siegerzeremonie bereitzustellen. Immerhin hatte er versucht, Ferrari zu übernehmen. Als Enzo Ferrari das Angebot ablehnte, beschloss Ford, die Italiener in Le Mans zu schlagen. Aber es gab nicht nur Sprudel für die Amerikaner. Auch der Schweizer Porschepilot Joseph Siffert bekam als Klassensieger eine Flasche.

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Wegen der großen Hitze knallte allerdings der Korken frühzeitig von selbst und der edle Perlwein ergoss sich über die Zuseher. Im nächsten Jahr schüttelte  Witzbold Dan Gurney  die Flasche selbst. Eine Tradition war geboren.

24 Stunden von Le Mans, 1968, fotografiert von Rainer Schlegelmilch

©Rainer Schlegelmilch/Rainer Schlegelmilch / Motorsport Images

Die Tradition der Langstreckenrennen reicht einige Jahrzehnte zurück.  Mit der Entwicklung des Automobils erwachte der Wunsch nach Wettbewerb. Die ersten rallye-ähnlichen Rennen führten meist von Paris in andere europäische Metropolen. Das erste 24-Stunden-Rennen fand  1905 im Driving  Park von Columbus, im US-Bundesstaat Ohio,  statt. 

Der Österreichring wurde 1969 auch mit einem 1.000-Kilometerrennen offiziell eröffnet. Der Sieg ging an Joseph Siffert und Kurt Ahrens im Porsche 917. Der Champagner wird gespritzt haben.  

Buch-Tipp

Buch-Tipp

Rainer W. Schlegelmilch: Porsche Racing Moments, Taschen Verlag, 356 Seiten;
in Kunstleder gebunden, mit eingefasstem ChromaLuxe-Aluminiumprint,
850 Euro, taschen.com

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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