Katharina Stemberger über Humor im Angesicht der Katastrophe, die Segnungen der Selbstreflexion und Frieden ohne Fanatiker.
Gott steckt in einer tiefen Krise und will der Welt den Garaus machen. Vorher sucht er aber noch Hilfe bei einer Psychologin – eine Stunde bleibt ihr Zeit, um die Welt zu retten. Am 30. April feiert die berührend-kluge Komödie "Oh mein Gott" von Anat Gov im Theater Akzent Premiere, die Hauptrollen spielen Wolf Bachofner und Katharina Stemberger. Die freizeit bat zum Gespräch über Gott und die Welt.
Frau Stemberger, Gott ist deprimiert und in der Krise, kann man's ihm verübeln?
Nein, und im Stück wird er ja auch gefragt: Sie haben seit 2.000 Jahren eine Depression und machen erst jetzt eine Therapie? Es verwundert tatsächlich.
Es ist wohl von Anfang an nicht so gelaufen, wie er es gerne hätte. Kein Wunder, dass er jetzt den Hut draufhauen will. Es geht Gott auf der Therapiecouch aber auch, wie immer, um Liebe, um Beziehungen, um Verzeihen, auch sich selbst.
Glauben Sie an die Heilkraft der Therapie?
Ich glaube an die Notwendigkeit der Selbstreflexion. Ob in Ashram oder Kloster oder mittels klassischer Psychotherapie. Meistens haben wir ja schon als Teenager viele Schrammen abbekommen. Die tun dann weniger weh. Und Therapie feit uns davor, ausschließlich im Außen den Grund für unser Unglück zu suchen. Wenn jeder seine Verantwortung für sein Glück wahrnimmt, macht einen das weniger zum Opfer.
Ist es naheliegend, angesichts mancher Krise daraus eine Komödie zu machen?
Eines der besten Mittel gegen die Verzweiflung, ist unsere Fähigkeit, einen Schritt zurückzutreten und Situationen nach Möglichkeit mit Humor zu betrachten. Es gibt nicht so viele Theaterstücke, die sich an große Fragen heranwagen und gleichzeitig unterhaltsam sind. Das ist die Königsklasse. Es muss nicht immer nur der Schenkelklopfer-Witz sein. Das Publikum wird oft unterschätzt.
Glauben Sie an Gott?
Mit vorgefertigten Definitionen von Gott habe ich mir immer schwergetan. Aber ich glaube sehr wohl, dass es vieles gibt zwischen Himmel und Erde, das wir nicht benennen können, aber das trotzdem da ist. Worte dafür zu finden ist schwierig. Ich hatte in den vergangenen Jahren viele Todesfälle zu beklagen und ich weiß, da geht etwas zu Ende und gleichzeitig scheint es auch etwas Ewiges zu geben.
Gott auf der Couch: Wolf Bachofner, Katharina Stemberger in "Oh mein Gott"
Was würden Sie Gott gerne fragen, würde er sich bei Ihnen auf die Couch legen?
Was ist schiefgelaufen? Wer diese Welt geschaffen hat, muss ja ein fähiges Wesen sein. Deswegen ist die Frage berechtigt.
Was ist Ihre persönliche Einschätzung, was schiefgelaufen ist?
Es ist ganz egal, worum es geht, am Ende läuft alles immer auf eines hinaus: auf die Liebe. Ob du geliebt wirst oder nicht. Ob du angenommen wirst oder nicht.
Welche Krise geht Ihnen besonders nah?
Wir Menschen sind gar nicht so unterschiedlich. Wir wollen Sicherheit und keine Angst haben müssen. Arbeit. Zukunftsmöglichkeiten für unsere Kinder. Es gibt viele Gegenden auf dieser Welt, wo das nicht der Fall ist, das finde ich für jeden Einzelnen furchtbar. Denn darauf hat jeder ein Menschenrecht. Aber Wahnsinnige wie Trump, Putin oder Netanyahu – alle, so leid es mir tut, durchgeknallte Männer – machen das unmöglich. Bei ihnen habe ich stark das Gefühl, dass sie zu wenig Liebe abbekommen haben.
Anat Gov gehörte zu den bedeutendsten Autorinnen Israels. Ihr Blick auf Gott ist der Blick auf einen jüdischen Gott.
Wir haben das Stück adaptiert, aber im Zentrum ist eine monotheistische Religion. Dieses Ringen der Juden mit Gott kenne ich aus dem Christentum nicht, da hält man den Kopf vor der hohen Instanz gesenkt. Das Stück bietet jüdischen Humor, ich kann mir auch keine katholische Komödie vorstellen. Das kriegen höchstens noch die Iren hin.
Muss Gott religionsübergreifend in Therapie?
Ja, und Therapie würde auch vielen Menschen guttun. Am besten sollte jeder nach seiner Ausbildung ein Jahr lang Sozialdienst leisten und parallel Selbstreflexion üben müssen. Dann würden Gesellschaften beginnen, sich zu verändern.
Katharina Stemberger
Katharina Stemberger wurde 1968 in Wien geboren, ihre Mutter ist Schauspielerin Christa Schwertsik, Stiefvater Komponist Kurt Schwertsik, ihre Schwester ist Julia Stemberger. Sie spielt Theater und ermittelt seit 2022 als Chefin der "Soko Linz". Verheiratet mit Kameramann Fabian Eder, eine Tochter.
Nach dem Massaker der Hamas ging ein Riss durch die Gesellschaft, es gibt polare Meinungen. Wie ist Ihr Blick darauf, können Juden und Palästinenser je in Frieden miteinander leben?
Der große israelische Autor und Friedensaktivist Amos Oz, dessen Leben von diesem Konflikt geprägt wurde, hat das gut zusammengefasst: Die Menschen wollen miteinander friedlich leben. Das Problem sind die Fanatiker, meinte er. Je mehr Unschuldige sterben, desto schwieriger wird Friede. Mir tun alle Menschen leid, die diesem Fanatismus zum Opfer fallen – Täter wie Opfer. Frieden ist nur möglich ohne Fanatiker.
Sie engagieren sich mit dem Verein Courage für Geflüchtete, waren Vorstand beim Integrationshaus. Entspringt Ihre Empathie einem bestimmten Moment?
Wenn ich einen Missstand sehe oder jemand leidet, habe ich mir stets schwer getan so zu tun, als gehe mich das nichts an. Ich leide nicht unter Größenwahn, aber ich glaube sehr an die Kraft, die entsteht, wenn viele Einzelne sich zusammentun. Dann kann man etwas bewegen. Ich mag Menschen. Wenn ich Unglück sehe, setzt mir das zu. Dann handle ich.
Gespräch über Gott und die Welt: Stemberger und Redakteur Alexander Kern
Auch das Kämpferische liegt Ihnen. Sind Sie eine Revoluzzerin?
Wenn jemand sagt "das geht nicht", beginnt es in mir zu rumoren. Sehe ich ein "Zutritt verboten"-Schild, fühle ich mich herausgefordert. Ich bin neugierig. Und ich kann auch bei Gegenwind stehen bleiben.
Trotzdem verlässt Sie manchmal der Mut?
Der Mut verlässt mich nicht so leicht, aber manchmal die Hoffnung. Ich bin jemand, der das Licht sucht.
Sie meinten einmal, Kunst kann nicht unpolitisch sein. Auch die "Soko Linz"?
Die "Soko Linz" ist gute Fernsehunterhaltung. Politik ordnet, wie wir miteinander leben. Jeder hat da seine Vorlieben, niemand ist unpolitisch. Auch Kunst macht man von einem Standpunkt aus. Man muss kein aktivistisches Polit-Theater spielen, oft ist etwas auf den ersten Blick harmlos, verhandelt aber Essenzielles. Auch Mundl Sackbauer war politisch.
Wann kommt es wieder zu einer Zusammenarbeit mit Ihrer Schwester Julia?
Sehr gerne bei etwas, bei dem wir unsere Schwesternschaft ideal ausspielen können. Bis dahin springen wir füreinander ein, wenn die andere erkrankt ist. Es heißt ja oft, wir sehen uns wahnsinnig ähnlich, ich kann das nicht völlig nachvollziehen. Aber wie hat meine Mutter gesagt: "Es tue ihr wahnsinnig leid, sie hatte nur ein Modell."
(freizeit.at, Ak)
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Über Alexander Kern
Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.
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