Italien wie damals: Sonne, Meer & viele Songs
"Ti amo" zwischen Autogrill und Altstadt, "Tutta la vita" am geliebten Sandstrand. Hauptsache alles ist "Azzurro". Eine musikalische Nostalgie-Tour durch unser liebstes Urlaubsland.
Man ist kaum über der Grenze – und schon ist alles anders. Auch das gehört zur Magie Italiens. Alle Straßen scheinen der Sonne entgegenzuführen, man freut sich auf fantastisch guten Caffè in homöopathischen Dosen, Cornetto con Crema, Spiaggia, Mare, Gelati, und schon der erste Stopp beim Autogrill ist wie eine Zeitreise.
Wenn dann noch aus irgendeinem Radio „Stella stai“ von Umberto Tozzi brutzelt, ist man auf der Stelle im siebten Italopop-Himmel. Der Mann, dem wir natürlich auch die Wir-tanzen-zum-ersten-Mal-ganz-ganz-eng-Hymne „Ti amo“ zu verdanken haben, wohnt vom Brenner weg übrigens praktisch ums Eck, nämlich in Turin, der vielleicht mitteleuropäischsten Stadt unserer südlichen Nachbarn.
Überhaupt: Überraschend viele der großen Hits, die untrennbar mit Bella Italia verbunden sind, kommen aus dem „hohen Norden“ des Landes. Aus der pittoresken Wein- und Schaumwein-Hochburg Asti etwa stammt il maestro dell’eleganza italiana, der singende Rechtsanwalt Paolo Conte. Und auch wenn wir in „Via con me“ mit ihm wegsollen, bleiben wir unbedingt noch auf einen Spumante.
Verlässt man den Piemont Richtung Osten, wartet nach wenigen Kilometern im lombardischen Mailand ein Mann, der dem „Dottor“ Conte einen seiner allergrößten Hits verdankt...
Außerdem lest ihr in dieser Geschichte noch:
- So wurde "Andrea" bei Peter Alexander zur Frau
- Bomben-Spaß mit Andonello Venditti?
- Faserschmeichler aus dem tiefen Süden
Adriano Celentano, der mit „Azzurro“ den Hadern aufgenommen hat, mit dem man Italien automatisch verbindet. Und dazu brauchte Adriano nicht einmal ein Zimmer mit Meerblick ...
Gleich nebenan, in Pavia, der alten Königsstadt der germanischen Langobarden, ist übrigens der legendäre Drupi zuhause. Und der bescherte uns mit „Piccola e fragile“ einen absoluten Klassiker unter den italienischen Reinschmeichlern.
Auf ans Meer!
Jetzt aber – höchste Zeit für einen Abstecher an die Küste. Und auch hier wird man schon ganz im Norden musikalisch mehr als fündig.
Denn aus Genua kommen gleich zwei der spannendsten Musiker des Landes. Einerseits ließ hier Wuschelkopf Angelo Branduardi seinen Wasserfloh, „La pulce d’acqua“, zum ersten Mal hüpfen. Und ja, der Mann, der wie kaum ein anderer alte und neue, ländliche und städtische Musik miteinander verband, wurde zwar in einem Vorort Mailands geboren, aufgewachsen ist er aber in der Stadt von Christoph Kolumbus.
Hier hat er auch seine musikalische Ausbildung am Konservatorium Niccolo Paganini erhalten. Und noch ein Tipp für Leser, die gerade dabei sind, Italienisch zu lernen: Sein Song „Si puo fare“ eignet sich dazu ideal, sämtliche Verben kommen in der Grundform vor – und es sind richtig viele!
Zum Anderen ist der bei uns gar nicht übermäßig bekannte, in Italien aber beinahe kultisch verehrte Fabrizio de André. Und das völlig zu Recht, der Mann hatte einfach alles, Aussehen, Stimme.
Dazu war de André ein echter Poet und ein Intellektueller mit dem Herzen am linken Fleck, das ihm auch nicht verrutschte, nachdem er mit seiner Frau in Sardinien entführt und vier Monate in einer Höhle gefangen gehalten wurde. Sein Vater konnte das Lösegeld schließlich auftreiben, die Täter wurden gefasst – und der Cantautore setzte sich bei der Verhandlung für seine Entführer, eine Gruppe bettelarmer Schafhirten, ein.
Aus Diamanten wächst nichts, doch aus Mist wachsen Blumen“, singt er in „Via Del Campo“.
In Österreich ist praktisch nur sein Song „Andrea“ bekannt, weil der 1978 von Peter Alexander gecovert wurde. Detail am Rande: Im Original ist Andrea ein Mann, klar, denn in Italien ist Andrea eben ein Männername. Und dieser Andrea weint um seinen Geliebten, der im Krieg gefallen ist. Über eine homosexuelle Liebe zu singen, war in den 1970ern noch wesentlich ungewöhnlicher als heute, aber de Andre war immer auf der Seite der Ausgegrenzten.
Bei Peter Alexander wird Andrea aber natürlich zur Frau, eine Urlaubsliebe, die er vermisst ... Damit konnte man sich damals eher identifizieren.
Von Genua nach Venedig
Während südlich von hier die Toskana mit ihrer traumhaften Hügellandschaft lockt, die Perlen wie Toto Cutugnos (Fosdinovo) „L'Italiano“ und Gianna Nanninis (Siena) „America“ hervorgebracht hat, lohnt sich ein kurzer Blick auf die andere Seite des Stiefels. Denn Venedig etwa hat nicht nur singende Gondolieri zu bieten, sondern auch eine gewisse Patty Pravo. Und die ist immerhin eine der erfolgreichsten italienischen Sängerinnen aller Zeiten, mit „La bambola“ eroberte sie 1968 auch ganz Europa.
Weiter südwestlich kam aus den Hügeln der Emilia-Romagna, da, wo sie an die Toskana grenzt, ein wilder junger Mann, der in den späten 1970ern die Szene aufmischte und 1981 mit „Siamo solo noi“ die rotzige Hymne einer Generation schrieb: Vasco Rossi.
Bomben und Bologna
Wobei uns die Emilia mit Traumfrau Alice (Forli) und Soul-Röhre Zucchero (Roncocesi) zwei weitere, anbetungswürdige Provinz-Blüten geschenkt hat. Aus der Hauptstadt Bologna hingegen kommt mit Lucio Dalla einer der allergrößten Singer-Songwriter, nichts anderes beschreibt der Begriff Cantautore, Italiens. „Caruso“, „Canzone“, „Ciao“, „La sera“ und natürlich „Tutta la vita“, viel besser als der „Professore“ kann man es echt nicht machen.
Und weil wir gerade bei Bologna sind, sollten wir auch über Antonello Venditti sprechen. Der ist doch aus Rom!, mag der eine oder andere Auskenner jetzt einwenden. Schon, aber in einem seiner größten Hits, „Bomba o non bomba“, starten seine Helden von Bologna aus Richtung Hauptstadt. Und dass ihnen dabei die Bomben der Roten Brigaden um die Ohren fliegen, hindert Venditti nicht daran, ihn mit einer der unwiderstehlichsten Mitsingmelodien von überhaupt zu versehen.
Vielleicht war der Song ja deshalb in Österreich erfolgreicher als in Italien, weil wir bei „bomba“ an Badespaß dachten?
Ab in den Süden!
Überhaupt erweist sich Rom auch musikaisch als Hauptstadt, neben Venditti sind der hierzulande leider sträflich unterschätzte Eros Ramazzotti, Adriano Celentanos Langzeitpartnerin Claudia Mori und die große Loretta Goggi von hier. Dazu nur eine Frage: Kann man in Italien überhaupt Autofahren, ohne ganz laut „Maledetta primavera“ zu hören? Und dann alle Fenster auf und aus vollem Hals mitsingen!
Die Fenster bleiben jedenfalls offen, denn Richtung Neapel wird’s immer heißer. Mit Pino Daniele ist hier einer der profiliertesten Gitarreros Italiens – noch immer – tätig, während Alan Sorrenti den ultimativen 5-Uhr-Tee-Knutsch-Hadern auf die heimischen Vorstadt-Discos losgelassen hat: „Tu sei l’unica donna per me“...
Apropos: Das können sie noch weiter südlich auch recht gut. Kann sich noch jemand an den Schmachtfetzen „Tornero“ erinnern? Die verantwortliche Band I Santo California kommt aus Kampanien.
Östlich davon hat Apulien zwar eine tatsächlich aufregende Musikszene, Nicola Conte sei hier nur erwähnt, Maria Mazzola oder die grandiosen Tarantella-Fusion-Magier von Insintesi. Was Pizza-Pop anbelangt, war man hier aber schon immer eher zurückhaltend. Sieht man von Herrn Al Bano Carisi und dem guten Raf ab, dessen „Gente di mare“, gemeinsam mit Umberto Tozzi, allerdings schon ein nicht zu verachtender „Forbidden Pleasure“ ist. Sogar für die strengsten Jazzpolizisten.
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