Alles im Fluss: Am Tagliamento entlang durchs Friaul
Der Tagliamento ist die Lebensader Friauls. Ein einzigartiges Ökosystem, wunderschöne historische Städte, herrliche Wanderungen – und natürlich italienische Lebensfreude und jede Menge Genuss.
Überblick
4 Std. nach Tarvis (ab Wien), dann der Fella entlang den Weg genießen.
2,5 Std (ab Salzburg)
Mit dem Zug nach Tarvis, dann weiter mit dem Rad. Von dort geht’s fast nur bergab, die Radwege sind größtenteils gut ausgebaut. Auf diese Art sollte man aber eine Woche statt eines Wochenendes einplanen.
ca. 1 Mio Einwohner
Er ist der letzte große Wildfluss der Alpen, 170 Kilometer lang, von den Friauler Dolomiten bis in die sonnigen Gefilde der Adria fließt er weitgehend ungezähmt nach Süden, sucht sich in seinem breiten Schotterbett immer wieder neue Wege zwischen Auwäldern und bewachsenen kleinen Inseln, wechselt ständig sein Gesicht, gerade wie es ihm eben passt: Der Tagliamento und seine Nebenflüsse bilden eine fantastische und vor allem einzigartige Naturlandschaft.
Begegnet sind wir diesem „König der Alpenflüsse“ schon alle mehr als einmal. Auf dem Weg zu den Stränden der Adria, nach Grado, Bibione oder auch Venedig begleitet er uns ein gutes Stück. Meistens bleibt es aber bei einem flüchtigen Blick aus dem Autofenster – zu groß ist normalerweise unsere Sehnsucht nach dem Meer.
Einfach aussteigen ...
Dabei könnte man doch einfach einmal ... stehen bleiben! Aussteigen. Die unglaubliche Landschaft genießen. Gelegenheiten dafür gibt es viele – allerdings nur, wenn man der gemütlichen Bundesstraße den Vorrang gegenüber der sonst üblichen Autobahn gibt.
Wobei: Der Fluss, der den Reisenden fröhlich sprudelnd begrüßt, nachdem er sich in Tarvis den ersten Cappuccino gegönnt hat, ist natürlich nicht der Tagliamento, sondern die ebenso wilde Fella. Ein ungestümes Ding, deren strahlendes Blau bis glitzerndes Türkis – das hängt ganz von der Jahreszeit ab – man am besten bei einem Eis genießt, das man sich am ehemaligen Bahnhof von Pontebba besorgt hat. Dermaßen gestärkt ist man bereit für das Städtchen Moggio Udinese mit der weithin sichtbaren Abbazia San Gallo, der Abtei des Heiligen Gallus. Sie hat zwar einiges vom alten Glanz eingebüßt – aber der neobarocke Hochaltar mit der größten Orgel Friauls, und vor allem uch die herrlichen Chor-Fresken sind einen Besuch wert.
Und hier sollte man sich etwas mehr Zeit nehmen. Denn einen Besuch wert sind auf jeden Fall auch die drei verlassenen Bergdörfer Moggessa di Quà, Moggessa di Là und Stavoli. Sie sind von Moggio aus zu erreichen – und die etwa sechsstündige Rundwanderung, die zu ihnen führt, gilt als eine der schönsten im Friaul. Außerdem hat es etwas beinahe Magisches, durch die engen, steilen Gässchen der stillen Dörfer zu schlendern.
Wo Fella und Tagliamento sich vereinen, also eigentlich etwas weiter nördlich, den Tagliamento hinauf, liegt das hübsche Tolmezzo. Mit 10.000 Einwohnern schon so etwas wie eine Metropole des Tals, mit einem beeindruckenden Dom des Architekten Domenico Schiavi und natürlich etlichen Bars und Cafés um die Piazza XX Settembre im Stadtzentrum.
Etwas nördlich liegt Il borgo di Illegio – das Dorf ist beinahe mit der Stadt zusammengewachsen, hat aber seinen rustikalen Charme behalten. Und mit dem La Buteghe Di Pierute gibt’s dort auch eines der besten Restaurants der gesamten Gegend.
Der beste Speck Italiens?
Und weil wir gerade beim Essen sind. Einen Ausflug sollte man sich von Tolmezzo aus auf keinen Fall entgehen lassen Richtung Westen ins Dörfchen Sauris. Nicht nur, weil es dort einen wirklich pittoresken kleinen Berg-Stausee gibt, sondern weil unter italienischen Auskennern ernsthaft diskutiert wird, welchen Schinken man den Vorzug gibt: dem weltberühmten aus San Daniele nur ein bisschen weiter südlich, oder dem aus dem wilden, gebirgigen Sauris?
Wer den wunderbaren Sauriser Speck nicht auf den eigenen Hüften wiederfinden will, kann eine hübsche Wanderung unternehmen: Der Monte Losa gleich im Norden bietet ein beinahe schon kitschiges Alm-Idyll – und ja, mit der Casera auch eine ausgezeichnete Wirtschaft. Wo’s natürlich Speck gibt ...
Auf dem Hin- beziehungsweise Rückweg kommt man durch jede Menge entzückender Dörfer. Alle einen Besuch wert. Ein Stopp in Villa Santina zahlt sich nicht nur wegen der unglaublichen Dichte an einladenden Gasthäusern aus, sondern auch wegen der Basilica Paleocristiana, der Ausgrabung einer frühchristlichen Kirche mit unglaublich gut erhaltenem Fußbodenmosaik
Filmreifes Venzone
Folgt man dem Tagliamento weiter nach Süden, erreicht man bald die nächste „Fluss-Perle“: Venzone. Die 2.000-Einwohner-Gemeinde zählt offiziell zu den I borghi più belli d’Italia, also den schönsten Dörfern Italiens. Und das völlig zu Recht.Burggraben, Stadtmauer, alles da, und dahinter ein nach dem verheerenden Erdbeben von 1976 liebevoll wieder aufgebautes historisches Zentrum. Kleine Gassen mit Geschäften, Bäckereien und Weinstuben, der schöne Duomo di Sant'Andrea Apostolo, die gruseligen Mumien in der Krypta der Cappella di San Michele gleich daneben, vor allem aber der Hauptplatz beim Rathaus mit seiner offenen Loggia und den Fresken des Spät-Renaissance-Malers Pomponio Amalteo.
.Hier fühlt man sich beinahe wie in einem dieser Filme, die seit den 1960er-Jahren die Italien-Sehnsucht in uns wecken, während man bei seinem Sprizz im Caffè Vecchio neben dem Rathaus sitzt, und eigentlich nur auf die andere Seite der Piazza ins Caffè Alla Vecchia Concordia wechseln braucht, wenn einem die Sonne das Glas zu rasch wärmt oder man im Gegenteil mehr von ihr genießen will. Am hinteren Ende des Platzes die Pasticceria d'Altri Tempi mit verboten guten Naschereien, daneben eine durchaus brauchbare Pizzeria mit interessanten Kreationen.
Man bräuchte sich eigentlich kaum wegzubewegen – doch natürlich gibt es hier ein Aber: Gleich außerhalb der Stadtmauer wartet der Fluss, und es gibt auch tatsächlich so etwas wie einen Strand, den die Einheimischen gerne frequentieren. Isst das Wasser kalt? Ja, und wie! Aber man sollte es trotzdem einfach nicht verpassen ...
Kuriose Fakten. Wusstet ihr, dass...
… es in Venzone Mumien zu bestaunen gibt? Sie sind 200 bis 700 Jahre alt und wurden durch einen speziellen Schimmelpilz natürlich konserviert.
… in San Daniele knapp 3 Millionen Schinken jährlich produziert werden?
… die Flüsse Meduna und Cellina einfach „verschwinden“, um Kilometer später wieder aufzutauchen? Dieses „Versickerungsphänomen“ teilen sie sich mit Rhone und Donau. Die versickern temporär allerdings bereits im Oberlauf.
Gleich östlich von Venzone, quasi im Landesinneren, warten mit dem Monte Chiampon und dem Monte Cuarnan zwei beeindruckende Berggipfel. Nur so viel: Natürlich ist der Chiampon spektakulärer, mit 1.709 Metern auch um fast 400 Meter höher als der Cuarnan – aber man sollte keine Angst vor Leitern und leichten Kletterpassagen haben. Sonst lieber auf den kleineren Bruder – auch von hier aus ist die Sicht über das Flusstal und die Julischen Alpen fantastisch!
Più grasso!
Je weiter man nach Süden fährt, desto breiter wird das Tal, gemächlicher natürlich auch, fetter irgendwie, più grasso, könnte man sagen. Was bestens zum nächsten Stopp passt: San Daniele. Der Schinken ist eine Weltmarke, und das aus gutem Grund – er schmeckt einfach wirklich fantastisch. Und hier an der Quelle ist er irgendwie sogar noch besser, das mag am Flair der alten Stadt liegen, die mit ihren Renaissance-Gemälden, der grandiosen Bibliothek aus dem 15. Jahrhundert und diversen Palazzi ebenso üppig erscheint wie ihre Spezialität.
Wer nach Spezialitäten sucht, sollte seinen Blick dann auch noch einmal aufs andere Flussufer richten. Dort liegt etwas weiter südlich mit Spilimbergo gleich die nächste Bilderbuch-Stadt. Um das alte Schloss der bairisch-kärntnerischen Spengenberger entstand während des Mittelalters und der Renaissance eine blühende Gemeinde, die überregionale Begehrlichkeiten weckte und in etlichen Schlachten umkämpft wurde.
Heute sind Besucher hier mehr als willkommen, sie genießen ihren Espresso in traumhaftem Ambiente, die bunten Fresken an den Außenwänden des Palasts, passenderweise Palazzo dipinto genannt, und natürlich die vielen aufwendigen Mosaike in dem Städtchen, das sich mit seiner genau darauf spezialisierten Schule quasi zur Welthauptstadt dieser Kunst entwickelt hat.
Und von Spilimbergo ist es gar nicht mehr weit, nur ein paar Kilometer Richtung Westen, bis man auf die beiden „verzauberten“ Flüsse Meduna und Cellina trifft. Pittoresk und wild in ihrem Oberlauf schwellen sie teilweise zu echten Seen an – um dann plötzlich zu verschwinden. Nur eines der vielen Wunder, die das Friaul zu bieten hat.
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