Hugh Grant macht jetzt Horror: "Wir sind alle bösartig"

Hugh Grant im freizeit-Interview über seinen neuen Horrorfilm, "Tatsächlich ... Liebe" und einen Wunsch nach seinem Tod.

Seine neue Rolle ist teuflisch: Als Mr. Reed in "Heretic" ist Hugh Grant die meiste Zeit so, wie wir ihn aus seinen romantischen Komödien kennen: charmant, immer ein wenig schusselig und verlegen, liebenswert. Der Unterschied ist: Er führt gar Böses im Schilde.

Im Horrorfilm "Heretic" (ab 26.12. im Kino) klopfen zwei junge Missionarinnen nichts ahnend an die Tür seines Hauses. Der philosophisch bewanderte Psychopath bittet sie herein zu Tee und Heidelbeerkuchen. Erst verwickelt er die Mädchen in intellektuelle Spitzfindigkeiten, dann hält er sie gefangen. Er zieht ein teuflisches Versteckspiel auf – und zwingt sie, sich zwischen Glaube und Unglaube zu entscheiden.

Hugh Grant, der herzensbrechende Held aus "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" oder "Ein Chef zum Verlieben" gibt den Mr. Reed mit großer Freude. Seit Jahren spielt er mit Genuss abseitige Rollen von Gangstern oder Narzissten und stellt sein softes Image auf den Kopf.

Zum Gespräch treffen wir Grant im Bibliothekszimmer des Hotel Adlon in Berlin. Er trägt Jeans, Hemd, Sakko, ist zurückhaltend ob schlechter Presse-Erfahrungen, aber witzig: "Ich bereue regelmäßig, was ich sage."

Mr. Grant, seit einiger Zeit spielen Sie erfolgreich gegen Ihr Image an. Jetzt überzeugen Sie in einem Horrorfilm. Wie haben Sie sich an die Rolle herangetastet – haben Sie Schreckensfiguren wie Hannibal Lecter studiert? 

Nein. Ich habe mich aber an einigen Intellektuellen und Professoren orientiert, an die ich mich von der Universität erinnere. Die meinten, sie seien lustig und könnten besonders gut mit jungen Leuten. Dabei dachten die meisten Studenten: Oh Gott, nicht der schon wieder. Ein Albtraum. Aber diese Leute denken, sie sind witzig. Sie waren mein wichtigstes Vorbild, nach denen ich die Rolle gestaltet habe. Sie und andere Leute, die sich zu sehr bemühen, sympathisch zu sein.

Sie meinten einmal, je älter Sie werden, desto nervöser werden Sie, was Ihre Arbeit betrifft. Wie gehen Sie damit um?

Oh, ich beginne schon lächerlich lange vor Drehstart mich vorzubereiten: drei Monate vorher. Ich setze mich fast jeden Tag stundenlang hin und studiere jedes winzige Detail des Drehbuchs. Und quäle mich mit Fragen wie: Warum sagt meine Figur das? Wie sagt sie es? Warum tut dieser Mensch das? Was sagt das über ihn und seine Kindheit und sein früheres Leben aus? Wie war seine Mutter? Und hatte er jemals eine befriedigende Liebesbeziehung? Warum hat er nie Kinder gehabt? All diese Dinge. Ich muss das wissen.

Warum brauchen Sie heute diese intensivere Vorbereitungszeit?

Nun, ich habe mich früher schon intensiv vorbereitet. Ich bin nur besser darin geworden. (schmunzelt) Besser, in einer Figur zu finden, was nützlich ist – aber auch, was unterhaltsam ist. "Unterhaltsam" – das schmutzige Wort, über das in diesen Schauspieler-Interviews nie wirklich einer ein Wort verliert. Klar: Die Wahrheit über eine Figur herauszufinden, ist wichtig. Aber wird es auch unterhaltsam sein? Wahrhaftig sein alleine reicht nicht.

Freundlich, aber böse: Hugh Grant als Mr. Reed im Horrorfilm "Heretic"

©Kimberley French/FILMladen Filmverleih / Plaion Pictures

Ein Haus als tödliche Falle, das ist nichts Neues im Horrorgenre. Was hat Sie dennoch an diesem Film gereizt?

Neu und ungewöhnlich ist, dass in einem Horrorfilm so viel geredet wird. Ich finde das ziemlich originell. Dazu kommt: Die gesamte Handlung spielt bloß an einem Ort: im Haus meiner Figur Mr. Reed. Es ist eine Herausforderung, das zu einem spannenden Film zu machen und nicht zu einem abgefilmten Theaterstück. Mich hat gereizt, den groovy Professor zu spielen, der versucht, mit seinen Dad Jokes zu beeindrucken. Ich dachte: Das wird lustig.

Sie spielen jemanden, der Religion als ein Mittel sieht, um Menschen zu kontrollieren. Stimmen Sie dem zu?

Nein. In einer Fassung des Drehbuchs sagt mein Mr. Reed allerdings, dass der Ursprung der Religion vor allem damit zu tun hat: dass das Leben kurz, brutal und schwierig ist, voller Krankheit und Tod, was ja besonders für Zeiten galt, bevor Wissenschaft und Medizin ihren Durchbruch feierten. Im damaligen Zustand der Existenz klammerte man sich an Aberglauben und die Vorstellung, dass irgendein Gott oder eine Göttin das eigene armselige Los verbessern wird. Das ist eher meine Meinung.

Genießen Sie es, mit diesem Streifen gegen Ihr Image als romantischer Held anzuspielen? 

Ich hoffe, dass ich nicht mehr wirklich das Image von früher habe. Ich glaube, dieses Image ist etwa 2010 von uns gegangen.

Wo macht es mehr Spaß mitzuspielen, in einem Horrorfilm oder einer Komödie? 

Horrorfilme machen mehr Spaß. Schauspieler bevorzugen es, der Bösewicht zu sein. Auch das Publikum bevorzugt den Bösewicht. Es ist eine sehr interessante Frage, warum das so ist. Meine persönliche Überzeugung ist, dass der Antagonist unser wahres Ich repräsentiert. Und es aufregend ist, unser wahres Ich durch diese Figur zu erfahren. Ich glaube, wir alle sind im Inneren bösartig. Gewalttätig. Egoistisch. Unangenehm. Und deshalb sind Helden ziemlich schwierig zu spielen, denn gute Charaktere sind die oberflächliche, zivilisierte Fassade, die wir über unser wahres, brutales Selbst breiten. Das ist weniger interessant.

Hugh Grant über seinen früheren Erfolg mit romantischen Komödien: "Viele dieser Filme basieren auf der Liebe zum Schmerz"

©Jason Bell

Ist es auch schwierig, den Helden einer Liebeskomödie zu spielen?

Ja, die Figuren in einer Romantic Comedy sind viel schwieriger zu spielen, weil man immer Gefahr läuft, ein bisschen langweilig daherzukommen. Vom Bösen hingegen sind die Leute fasziniert. Bösewichte sind so faszinierend wie eine Spinne in einem Aquarium oder eine Schlange im Zoo. Man kann seine Augen nicht davon abwenden.

Zum Beispiel?

"Tatsächlich ... Liebe" etwa, ein Film, den manche als so leicht und fluffig wie ein Soufflé bezeichnen. In Wahrheit basieren alle seine Witze darauf, wie Menschen mit Schmerz umgehen: mit dem Verlust von Liebe, dem Tod eines geliebten Menschen, dem Umgang mit jemandem, den man liebt und der an einer psychischen Krankheit leidet. Daraus zieht die gesamte Komödie ihre Kraft. Und das ist der Grund, warum der Film heute noch so bedeutend ist, wegen seiner ernsten Grundtöne. Es ist eine Art von Horrorfilm. Nur, dass man darüber lachen kann.

Sie meinten einmal, Sie seien inzwischen zu fett und hässlich, um weiter diese romantischen Komödien zu drehen. 

Ich habe diesen Teil meiner Karriere am meisten genossen. Aber jetzt bin ich ebenso glücklich mit dem, was ich tue. Ich habe ein paar Projekte auf meinem Nachtkästchen liegen, die interessant sind. Aber es ist schwierig, etwas zu finden, das alle meine Anforderungen erfüllt. Und ich muss jedes Mal mein schreckliches Lampenfieber überwinden. Das ist eine große Hürde.

Warum ist das im Laufe der Jahre nicht einfacher geworden? Man könnte annehmen, dass Erfahrung dabei hilft.

Es ist kompliziert. 99 Prozent der Zeit ist das Lampenfieber ja nicht vorhanden. Und dann, plötzlich, wenn ich es am wenigsten erwarte – peng, ist es da. Ich habe schreckliche Angst vor diesen Momenten. Weil es dann wirklich peinlich wird.

In welchen Situationen zum Beispiel?

Ich bin immer glücklich, wenn ein Drehbuch mehr Dialoge als stille Momente aufweist. Aber ich habe mich da dank ausgeklügelter Entspannungsmethoden verbessert, darauf bin ich stolz. Es ist schwer, nicht verlegen zu werden, wenn die Kamera auf dein Gesicht zoomt. Je angespannter es ist, desto mehr hasst es die Kamera. Und das Publikum ebenso. Die Kamera liebt ein entspanntes Gesicht, das ist unendlich faszinierend für die Menschen. Vor allem, wenn es böse ist.

Hollywood-Premiere: Hauptdarsteller Hugh Grant mit Sophie Thatcher und Chloe East, die in "Heretic" die Missionarinnen spielen

©APA/Getty Images via AFP/GETTY IMAGES/ELYSE JANKOWSKI

Am Beginn Ihrer Karriere spielten Sie öfter in Filmen, die keine Komödien waren. Ist Ihr Motto jetzt: Zurück an den Anfang? 

Stimmt, ich habe zu Beginn meiner Karriere alle möglichen Dinge gemacht. Aber es gab etwas, das alle Figuren verband: Sie waren Bösewichte und Verrückte. Und die haben mir sehr viel Spaß gemacht, ich wünschte, ich hätte solche Rollen weiterspielen können. Zumindest parallel zu meinen romantischen Komödien.

Eine wichtige Frage im Film ist, was mit uns passiert, wenn wir sterben. Das können Sie mir vielleicht nicht beantworten. 

Ich hoffe, dass wir uns im selben Zustand wie vor unserer Geburt befinden, wenn wir sterben. Keiner von uns hatte Angst davor, geboren zu werden. Keiner hat sich enorm davor gefürchtet, aus dieser unendlichen Schwärze entlassen zu werden. Keiner saß da und dachte: "Oh Gott, wie schrecklich. Ich war ein Nichts." Ich sehe also nicht ein, warum wir uns vor der Zeit nach unserem Tod fürchten sollten, zumindest, solange einen dieselbe Schwärze erwartet wie vor der Geburt. Was ich nicht möchte, ist, auf einer Wolke zu sitzen, Harfe zu spielen und einige der Menschen zu treffen, die ich schon in meinem Leben zuvor gehasst habe. Ich kann mir keinen größeren Albtraum vorstellen. Das wäre in der Tat die Hölle.

Hugh Grant

Hugh Grant

Hugh Grant wurde 1960 in London als Sohn eines Offiziers und einer Lehrerin geboren. Er studierte in Oxford und wollte Kunsthistoriker werden. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Ein viertes aus einer früheren Beziehung.

Filme: 

  • "Vier Hochzeiten und ein Todesfall"
  • "Notting Hill"
  • "Tatsächlich ... Liebe"
  • "Bridget Jones"-Reihe.

Aus Interviews kennen wir Sie als sarkastisch, selbstironisch und wenig daran interessiert, korrekt zu sein. Ist das Ihre Art, Hollywood zu sagen, dass Sie nicht nach den Regeln der Branche spielen?

Ich weiß die Antwort auf Ihre Frage nicht. Aber ich weiß, dass ich die Dinge, die ich sage, regelmäßig bereue. (schmunzelt) Meistens nicht im Interview selbst. Aber danach, bei dem, was online daraus gemacht wird. Alles wird verkürzt, der Humor entfernt und aus dem Kontext gerissen. So landet es als Clickbait im Internet. Das ist anstrengend.

Aber in jüngster Zeit haben die Leute doch Ihren Humor genossen – und auch richtig verstanden, wie unernst Sie sein können.

Wenn es gut präsentiert wird, dann ja, und das ist schön. Aber am unteren Ende der Showbiz-Medien ist es ziemlich deprimierend. Manchmal werden mir Artikel über mich gezeigt. Diese Person weint meistens.

Wie sehen Sie heute Ihr Interview bei den Oscars vergangenes Jahr? Sie gaben sich am roten Teppich recht wortkarg und widerwillig, das Gespräch ging viral. Ich fand es witzig, viele aber als unfreundlich.

Ich war charmant. Ich bin immer charmant.

Im nächsten "Bridget Jones"-Film spielen Sie wieder die Rolle des Daniel Cleaver. Mögen Sie diese Figur?

Ich habe Daniel immer gern gehabt. Ich bin gerne er. Das ist auch der Schlüssel zu einer guten Karriere: Man muss es mögen, der Typ zu sein, den man spielt – egal ob er gut oder böse ist. Man muss davon auf gewisse Art besessen sein, es muss einem Nervenkitzel verschaffen. Und ich habe es immer geliebt, von Daniel besessen zu sein.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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