Superhelden & Popstars: Das ewige G'riss um die Gladiatoren

Superhelden-Merchandise wurde nicht von Marvel erfunden – ein Fund einer Gladiatoren-Figur gibt Aufschluss über den Celebrity-Kult der Antike.

Aquaman, Batman, Wolverine – welcher Superheld ist gerade angesagt, mit welcher Figur macht man dem Nachwuchs eine Freude unter dem Christbaum? Eine Frage, die sich natürlich auch zu Geburtstagen, zu Ostern und nach besonderen schulischen Glanzleistungen wie "eh-ganz-knapp-durchgekommen" stellt.

Und keinesfalls neu ist. Wir sprechen dabei nicht etwa von den beschaulichen 1950er-Jahren, in denen neben flotten Petticoats, Drive-in-Diners und Druckkochtöpfen auch das Merchandising von Comicfiguren so richtig hochgekocht ist – sondern von der klassischen Antike. Denn die Idee, aus einem erfolgreichen Produkt, neben Superhelden durchaus auch Sportler oder Popstars, noch ein bisschen mehr Kohle zu machen, hatten auch die alten Römer schon.

Dass Jungs vor 2.000 Jahren gerne mit Gladiatoren-Figuren spielten, weiß man seit einiger Zeit. Immer wieder wurden hölzerne und tönerne Figuren gefunden, die verschiedene Gladiatoren zeigen. Oft die immens beliebte Klasse des Thrax, also des "Thrakers": muskelbepackte Männer mit gebogenem Schwert und fantastischem, federgeschmücktem Helm. Beinahe ebenso oft der schwerer bewaffnete Murmillo mit riesigem Schild und dem klassischen Gladis, dem Schwert der römischen Legionäre

Sie kämpften mit freiem Oberkörper – die Zuschauer wollten ihre Muskeln sehen. Und ihre Verletzungen.

Gladiatoren

Gelungene Gladiatoren-Darstellung im archäologischen Park Carnuntum. Man sieht einen schwer bewaffneten Secutor, der gegen einen leicht bewaffneten Retiarius antritt. Die Römer liebten ausgeglichene Kämpfe, die beiden Kontrahenten die Möglichkeit des Sieges gab. So gesehen auch kein Fehler, dass der Secutor noch den eckigen Schild des Murmillo trägt, da er erst allmählich aus diesem entstanden ist. Der ursprünglich eckige Schild verfing sich allzu leicht im Netz des Retiarius, weshalb er später abgerundet wurde. So wie der reich geschmückte Helm des Murmillo seinen prächtigen Putz einbüßte, um keine Angriffsfläche für das Netz zu bieten. Diesen neuen Helm trägt unser Secutor schon...  

©FREMD/Ichner Bernhard

Wobei anzumerken ist: Sie zeigten keinesfalls stolz ihre Abs, ihre Körper waren nicht stylisch ribbed und definiert. Im Gegenteil, sie legten Wert auf eine ordentliche Fettschicht, die schützte vor kleineren Schnittverletzungen - und erlaubte es ganz nebenbei, dass die Kerle in der Arena publikumswirksam bluten konnten, ohne groß in ihrem Kampfvermögen eingeschränkt zu sein.

Wir dürfen nicht vergessen: Gladiatorenkämpfe waren auch ein Spektakel - durchaus vergleichbar mit heutigen Wrestling-Vorstellungen. Bei denen heute sogar noch kleinere Wunden in Kauf genommen werden, um dem Publikum einen extra Kick zu geben. Auch die Gladiatoren hauten übrigens nicht völlig ungezügelt aufeinander ein: Es gab bei ihren Kämpfen eine Art Schiedsrichter, der darauf achtete, dass man sich an die Regeln hielt.

Nicht falsch verstehen: Das bisschen Fett auf den Schultern, Rippen und Hüften heißt nicht, dass Gladiatoren unsportlich gewesen wären. Das Training war hart und ihre Diät aus Kichererbsen, Linsen und Getreide ließ die Muckis durchaus wachsen. Die Kerle waren echte Kampfmaschinen. Weswegen sie von reichen Römern auch gerne als Bodyguards engagiert wurden, nachdem sie ihre Karriere beendet hatten.

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Von A bis Z völlig daneben: "Gladiator II" hat weder mit Gladiatoren, noch mit dem alten Rom etwas zu tun

Der gesellschaftliche Status der Gladiatoren war allerdings einigermaßen ambivalent. Einerseits waren sie Sklaven gleichgestellt, also der untersten Schicht im römischen Reich. Und ursprünglich waren es auch ausschließlich Sklaven und Kriegsgefangene, die ab dem dritten Jahrhundert vor Christus für – immer spektakulärere – Unterhaltung sorgten. 

Andererseits fühlten sich aber auch immer mehr freie Römer vom Leben als Gladiator angezogen. Und Römerinnen, ja das auch, dazu kommen wir noch. Das ging jedenfalls so weit, dass der Senat in der Spätzeit der römischen Republik zumindest den oberen Schichten per Gesetz verbot, sich einer Gladiatorenschule anzuschließen.

Was Menschen dazu bewegte, freiwillig in der Arena zu kämpfen? 

Gladiator II

Lederboys, immer wieder ... Gladiator lässt kein fehlerhaftes Bild aus, das Hollywood seit Jahrzehnten von Rom zeichnet. Egal, ob die weißen Statuen und Reliefs, den obligatorischen Daumen in der Arena oder die unsäglichen Lederpanzer der Legionäre

©2024 Paramount Pictures

Der Nervenkitzel sicherlich, dazu die Faszination an einer Art Unterwelt – man bedenke nur, wie viele Bücher und Filme sich heute mit gesellschaftlichen Outlaws, der Mafia, Zuhältern und Gaunern jeder Art beschäftigen. 

Für viele mag der wichtigste Punkt aber tatsächlich die Möglichkeit, beinahe überlebensgroßen Ruhmes gewesen sein. Denn die Römer und Römerinnen waren verrückt nach ihren Gladiatoren. Dass sie den Schweiß der Superhelden als Aphrodisiakum verwendeten, wie Ridley Scott in seinem abermals eher fragwürdigen neuen Gladiatorenfilm uns zeigt, mag nur eine Gschicht sein, man weiß es nicht so genau. Zumindest schob Plinius diese Praxis ausschließlich den Griechen und ihren Olympioniken zu. 

Aber auch ohne dieses pikante Detail übten Gladiatoren vor allem auf die römische Damenwelt eine unglaubliche Anziehung aus, wie etwa kürzlich gefundene Graffiti in Pompeji beweisen. Bei Empfängen vor den Kämpfen hatten Fans die Möglichkeit, ihre Idole persönlich kennenzulernen, es gab Wein und Snacks, die Stimmung war oft ein wenig ausgelassen, die von Zeitgenossen beschriebene Atmosphäre erinnert fast ein wenig an Backstage-Partys mehr oder weniger bekannter Rockstars. 

Passend dazu gab’s entsprechendes Merchandise in den Geschäften in und um die Arenen: Messer mit Gladiatorenfiguren, Lampen und Spiegel mit Kampfszenen, Zeichnungen, also gewissermaßen "Poster" – und eben kleine "Superheldenfiguren".

Gladiator

Sogar in Northumberland, an der äußersten Grenze des römischen Reichs, waren die Leute fasziniert von ihren "Superhelden". Diese Gladiatorenfigur, die in der Nähe des Hadrianswalls gefunden wurde, war vor 2.000 Jahren Teil eines Messergriffs

©via REUTERS/English Heritage

Wie weitreichend der Kult um die Muskelmänner war, wurde deutlich, als heuer im nördlichsten England an der Grenze des Hadrians-Walls eine solche Figur gefunden wurde. Und es war nicht einfach ein generischer Gladiator, sondern höchstwahrscheinlich ein ganz konkreter Kämpfer. Denn er ist als Linkshänder dargestellt. Was normalerweise als schlechtes Omen galt – außer eben, es handelt sich um eine siegreiche "Celebrity". 

Aber wir haben eingangs auch einen Blick aufs trendige Thema "Gladiatrix" versprochen. Zeitgenössische Filme und Serien zum Thema zeigen immer wieder gerne - meist erschreckend schlecht gerüstete - Frauen, die in jeder Art von Schwert-, Axt- oder Messerkampf den Jungs zeigen, wo der Bartl den Most herholt. Ein Thema, das in Gesamtheit einen eigenen Artikel Wert ist... 

Da sie allerdings auch in Gladiatorenfilmen immer wieder auftauchen, nur so viel: Wenn Frauen in der Arena kämpften – und das taten sie tatsächlich, allerdings selten – dann ausschließlich gegeneinander oder gegen Tiere, im Vorprogramm zu den großen Stars, um das Publikum anzuheizen. Was offensichtlich gelang, sonst hätte es sie nicht über einen längeren Zeitraum gegeben. 

Sie ihrerseits als Superheldinnen zu bezeichnen, ginge aber wahrscheinlich zu weit. Denn für kritische Römer wie Juvenal und Petronius waren sie bloß Anlass zum Spott. Und den, möglicherweise berechtigten, Verdacht, dass es bei diesem Spektakel mehr um entblößte Brüste als um Kampf ging... 

Für "Wonder Woman" war in der römischen Gesellschaft ganz einfach die Zeit noch nicht reif.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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