Augen der Götter: Die echten Abenteuer hinter berühmten Diamanten
Bling-Bling: Zeit für einen Blick auf berühmte Diamanten und ihre Geschichte voller Gier, Wagemut, Betrug – und Liebe.
Abgekämpft steht der Abenteurer im exotischen Tempel. Seine Khakis sind zerschlissen, im verschwitzten Gesicht stehen dichte Bartstoppeln – aber seine Augen glänzen. Er hat sich tagelang durch den Dschungel geschlagen, gegen Riesenschlangen, Tiger und menschenopfernde Ritualisten gekämpft – wahrscheinlich auch eine schöne Frau gerettet – und jetzt, endlich, ist er am Ziel. Vor ihm steht die Statue dieser unheimlichen, vierarmigen Göttin, auf deren Stirn der größte, schönste und wertvollste Diamant der Welt eingelassen ist.
Aber die Zeit drängt, er muss sich beeilen, denn die brutalen Tempelwächter werden bald hier sein. Und wenn sie ihn erwischen, ist alles verloren ...
Wer jetzt an Indiana Jones denkt, liegt gar nicht so falsch. Wobei der peitschenschwingende Archäologe selbst ein Zitat aus der großen Zeit der Hollywood-Abenteuerfilme der 1930er und 40er ist. Damals kämpften sich mutige Männer und mysteriöse Frauen mehrmals pro Jahr durch exotische Schauplätze, immer auf der Suche nach einem unvergleichlichen Schatz, immer in äußerster Gefahr. Noch heute am bekanntesten vielleicht Cary Grant im Streifen "Gunga Din" aus dem Jahr 1939.
Was das Ganze mit den heute berühmten Diamanten zu tun hat, die in Museen ausgestellt werden, diverse Kronjuwelen schmücken oder tatsächlich am Hals eleganter Frauen baumeln? Nun ja, viele dieser Steine haben tatsächlich Geschichten, die den Abenteuer-Reißern, die uns im Kino oder zuhause am Fernseher so gut unterhalten, um nichts nachstehen ...
Außerdem lest ihr in dieser Geschichte noch:
- Stein der Steine: die Odyssee des Koh-i-Noor
- Diesen Stein dürfen nur Frauen tragen. Bis heute!
- Das war der echte Indiana Jones
Eigentlich ist es sogar so, dass diese wahren Begebenheiten viele der heute noch beliebten Filme inspiriert haben.
Als großer literarischer Vermittler diente in diesem Zusammenhang kein Geringerer als der britische Nobelpreisträger Rudyard Kipling, dem wir nicht nur "Mogli" zu verdanken haben, sondern eine Vielzahl von Kurzgeschichten und Romanen, in denen er den Zauber Indiens einfing wie kaum einer seiner Zeitgenossen. Und Kipling, der in Bombay geboren wurde und als junger Mann viele Jahre in Lahore, Kalkutta und Allahabad verbrachte, kannte auch die Mythen und Erzählungen des Landes.
Der eingangs erwähnte "Gunga Din" ist die Verfilmung eines seiner Texte – seine Themen finden sich aber in vielen Abenteuer-Filmen, egal ob mit Harrison Ford, Michael Douglas, Humphrey Bogart oder Dwayne Johnson.
Ob der Autor auch die Geschichte hinter dem berühmtesten Diamanten der Welt, dem Koh-i-Noor kannte? Wäre gut möglich.
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Der heute 108,93-karätige Diamant verkörpert jedenfalls alles, was die Magie dieser Steine ausmacht. Also, ganz abgesehen vom unglaublichen Wert, der sich im konkreten Fall manchen Schätzungen nach auf 1 Milliarde Euro beläuft.
Niemand kennt das genaue Alter des Koh-i-Noor. Das erste Mal schriftlich erwähnt wird der spezielle Diamant im Jahr 1304, als der indische Sultan Ala ud-Din Khalji mit seinem gefürchteten Reiter-Heer das Hindu-Fürstentum von Malwa eroberte. Er nahm sich diesen Stein, der, wie es heißt, im heiligsten Tempel der Stadt als magisches Auge eine Götterstatue schmückte.
Auch der siegreiche Sultan Ala ud-Din Khalji machte ihn wieder zu einem Auge, nämlich in seinem berühmten Pfauenthron in Delhi.
Nur Götter und Frauen
Da aber noch nie ein Sieger für alle Zeit siegreich blieb, wechselte das begehrte Teil in der Folge einige Male den Besitzer. Auf legendäre Weise kam im 18. Jahrhundert der persische Shah Nader in seinen Besitz als er – angeblich nur um den Diamanten zu rauben – Delhi plünderte. Nachdem eine verräterische Haremsdame ihm geflüstert hatte, dass sein Gegner, Shah Mohammed von Delhi, ihn in seinem Turban eingenäht bei sich trug, machte er sich die Tradition, zum Zeichen des künftigen Friedens die Turbane zu tauschen, zunutze. Mohammed konnte nicht ablehnen, wollte er seine Stadt vor der Zerstörung schützen.
Und als Shah Nader den Stein dann zuhause im stillen Kämmerlein endlich aus dem Turban herausholte, soll er ausgerufen haben: "Koh-i-Noor!", was im Persischen "Berg des Lichts" bedeutet.
Allein, der Stein brachte dem trickreichen Shah kein Glück, er wurde ermordet, sein Leibwächter schmuggelte den Koh-i-Noor nach Afghanistan, von wo er, in einem so verzweifelten wie vergeblichen Versuch, das Reich zu retten, an Ranjit Singh, den Maharaja von Punjab, verkauft wurde.
Der hatte nie vor, den Nachbarn zu helfen – er wollte nur den Stein. Aber auch diese Freude war endenwollend, denn schließlich marschierten die Briten im Punjab ein, und 1850 wurde der Koh-i-Noor von der Ostindien-Kompanie an Königin Victoria übergeben.
Die erfreute sich noch Jahrzehnte an dem schönen Ding, später wurde er in die Krone Queen Marys und schließlich in die von Elizabeth "Queen Mum" eingearbeitet. Seit ihrem Tod ist er als Schmuckstück im Tower von London zu sehen.
Während er den Männern, die töteten, logen und betrogen, um in seinen Besitz zu gelangen, auf lange Sicht kein Glück brachte, wirkte sich seine unheilvolle Aura also auf seine Besitzerinnen nicht aus. Was zur Legende führte, dass nur Götter und Frauen ihn ungestraft tragen können.
Diamanten-Dramen
Dramen und Diamanten scheinen überhaupt gerne miteinander verbunden zu sein. Das haben Schätze generell so an sich, wir erinnern uns an diverse Flüche der Pharaonen. Und Diamanten stellen wohl den Inbegriff eines Schatzes dar, besonders ab einer bestimmten Größe. Milliarden Jahre alt, "geschmiedet" bis zu 800 Kilometer tief im Erdmantel, das härteste Material der Welt – in der Antike wurden sie als von den Göttern gemacht betrachtet, und man schrieb ihnen heilende, aber auch magische Wirkung zu. Wehe dem, der sich ihrer unrechtmäßig bemächtigt!
Dies trifft unter den heute berühmten Steinen angeblich vor allem auf den "Hope"-Diamanten zu. Er wurde wahrscheinlich im 17. Jahrhundert im für seine Diamanten berühmten Golkonda-Sultanat im Osten Indiens gefunden und von einem französischen Händler gekauft.
Ein äußerst seltener blauer Stein von großer Reinheit, geschliffen auf 45,52 Karat, der schließlich in Händen der Könige Frankreichs landete. Ludwig XIV. hatte ja bekanntlich trotzdem noch jede Menge Spaß, auch Nachfolger Ludwig XV. konnte sich diesbezüglich nicht beklagen – spätestens bei Ludwig XVI. setzte dann allerdings jene Pechstrecke ein, die dem Namen des Steins doch ein wenig zu widersprechen scheint.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Den, also seinen irreführenden Namen, hat er allerdings gar nicht bekommen, weil die Hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt, sondern weil ihn nach den Wirren der Französischen Revolution der britische Banker Henry Philip Hope für 18.000 Pfund erwarb.
Nach seinem unerwarteten Tod stritten seine drei Neffen mit allen Mitteln um den Stein, die Familie zerbrach darüber, sein Enkel Lord Francis Hope verlor schließlich das komplette Familienvermögen und musste den Diamanten verkaufen.
Ein Unheil jagt das andere
Die amerikanische Erbin Evalyn Walsh McLean war die nächste Besitzerin und trug den Stein, allen schon damals aufkommenden Unkenrufen zum Trotz, auf den schillernden Feten der Ostküsten-High-Society des frühen 20. Jahrhunderts. In den frühen 1920ern wurde ihr ältester Sohn von einem Auto überfahren, ihre Tochter starb knapp 24-jährig an einer Überdosis Schlaftabletten, ihr Mann wurde Alkoholiker und von ihrem sagenhaften Reichtum war schließlich nicht mehr viel übrig. 1949 wurde der "Hope" von einem amerikanischen Juwelier gekauft, der tatsächlich Schwierigkeiten hatte, ihn wieder an den Mann – oder die Frau, dieser Stein war dem Anschein nach genderneutral – zu bringen.
Er überließ ihn schließlich dem Smithsonian Institut in Washington D.C.
Inkognito auf der Titanic
Durchaus naheliegend eigentlich, dass gerade der "Hope", allerdings inkognito, auch zu filmischem Weltruhm kam. Der "Stein des Anstoßes" in James Camerons "Titanic", also das einzige Kleidungsstück, das Kate Winslet trägt, wenn Leo DiCaprio sie malt, ist eine exakte Replik dieses Diamanten. Und was mit der Titanic geschah, wissen wir ja nicht erst, seit der Film 1997 in den Kinos lief.
Nicht jeder Diamant muss allerdings Jahrhunderte auf dem harten Buckel haben, um mit einer legendären Geschichte aufwarten zu können. Bestes Beispiel dafür: Der Taylor-Burton. Dieser Stein wurde erst 1966 in Südafrika gefunden – aber es ist die faszinierende Liebesgeschichte zwischen Richard Burton und Elizabeth Taylor, die ihn emotional auflädt und zu etwas ganz Besonderem macht. Und ja, doch, seine damals 69,42 Karat natürlich auch.
Richard Burton, immer ein Mann fürs ganz Große, nahm über einen Anwalt an der Versteigerung in New York teil. Mit dabei: Aristoteles Onassis, Hassanal Bolkiah, der Sultan von Brunei und Robert Kenmore für Cartier. Den Zuschlag erhielt Cartier für 1 Million, 50.000 Dollar. Und Burton bekam, wie er selbst beschrieb, einen "Tobsuchtsanfall". Er beschimpfte seinen Anwalt, das Auktionshaus, die "dreckigen ... (hier bitte ein möglichst übles, sexuell konnotiertes Schimpfwort einsetzen) von Cartier". Von denen er den Stein am nächsten Tag für satte 1,1 Millionen kaufte.
"Es ist der schönste Stein der Welt, und er sollte an der schönsten Frau der Welt sein. Ich hätte einen Anfall bekommen, wenn ich ihn an Jackie Kennedy oder Sophia Loren sehen müsste", erklärte er später. So groß die Liebe damals, 1969, auch war – sie hielt nicht ewig. Der Stein schon. Aber zumindest erinnert sein Name an die beiden außergewöhnlichen Schauspieler und Liebenden ...
Der "echte" Indiana Jones
Wo ist aber jetzt der verwegene Abenteurer, das etwas weniger edle Vorbild für die Leinwandhelden unserer Zeit? Auch den gab es, höchstwahrscheinlich sogar immer wieder, Rudyard Kipling wüsste darüber wohl genauer Bescheid. Aber zumindest einer ist bekannt, wenn auch sein Name nicht überliefert ist.
Ein französischer Grenadier, der den blutigen Karnatischen Kriegen im Süden Indiens entkam und sich mit kleinen Gaunereien und Gelegenheitsarbeiten durchschlug, erreichte nach vielen Abenteuern das nördliche Kaschmir und gelangte in die Tempelstadt Srinagar. Dort hörte er von der Statue einer Göttin, deren Augen aus großen, unsagbar wertvollen Diamanten bestanden. Zum Schein konvertierte er zum hinduistischen Glauben, um Zugang zu besagtem Tempel zu erhalten. Der Rest der Geschichte verlief, wie eingangs geschildert.
Der Grenadier verkaufte den Diamanten in Madras an einen englischen Kapitän für 2.000 Pfund. In Amsterdam ersteigerte ihn der russische Graf Orloff, Ex-Liebhaber der Zarin Katharina, in der Hoffnung, damit das Herz "der Großen" wiederzugewinnen. Sie nahm den Stein – aber sein Herz interessierte sie dennoch nicht mehr, vielleicht, weil sie das ja schon hatte. Orloff starb wenig später in seinem Marmor-Palast. Reich, aber todunglücklich. Wie schon bei Burton und Taylor sieht man also, dass Diamanten auch in der Liebe nicht immer Glück bringen. Andererseits ist es ja das Drama, nicht das Happy End, das den Stoff für die großen Erzählungen liefert ...
Heuer machte der riesige Botswana Diamant Schlagzeilen, der in der Karowe-Mine gefunden wurde. Mit 2.492 Karat ist er nach dem südafrikanischen "Cullinan" (3.106,75 Karat) der zweitgrößte je gefundene Rohdiamant. Man darf gespannt sein, welche Schmuckstücke aus ihm werden. Und ob sie eines Tages Geschichte schreiben.
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