Mob Wife Aesthetic: Warum Frauen jetzt wie Mafiabräute aussehen wollen
Gestylt wie eine Mafiosi-Braut à la Hollywood. Im Trend liegen Pelz, Goldschmuck und Animal Print. Aber auch in echt waren Filmdiven ganz nah an Gangstern dran.
Was braucht ein richtiger Gangster? Also, so ein richtig abgefeimter, brandgefährlicher Halunke, eine Hand immer am Abzug, mit einem Fuß auf der Flucht und dem nächsten Gedanken beim nächsten großen Ding. Einer wie im Kino halt. Auf jeden Fall benötigt er ein ordentliches Outfit, er soll ja cool sein wie Bogart, Brando, Pacino. Dann eine Knarre, eh klar. Und wahrscheinlich noch eine verruchte Braut an seiner Seite, eine, die ihm die Liebe leicht und das Leben schwer macht.
Ganz herrliche Exemplare sind da im Laufe der Kinogeschichte über die Leinwand geflimmert. Wer könnte je Sharon Stones hitzigen Auftritt in Scorseses „Casino“ vergessen, wie sie am Roulettetisch im weißen Glitzerkleid und mit einer Betonfrisur aus Haarspray erst Robert De Niros Spielbank auf den Kopf stellt und dann sein Leben?
„I fell in love right there“, stellt er völlig vernarrt fest, als er sie zum ersten Mal sieht, gefolgt von einem desillusionierenden: „But in Vegas, for a girl like Ginger, love costs money.“ Die Dollars gehen drauf für Marschierpulver und Champagner, aber auch für teuren Schmuck und edle Garderobe. Pompöse Pelzstolas, ultrakurze Lederoutfits mit hohen Stiefeln oder atemberaubend transparente Kleider mit Ornamenten etwa. Und natürlich viel, viel Gold, Armreifen, Ohrgehänge, Ringe. Ein Abgang mit Stil: Ausgestattet von den Kostümbildnern Rita Ryack und John A. Dunn (mit einem Budget von einer Million Dollar) rasen der Mafiosi und seine Gemahlin in glamourösen Outfits ab nun frohgemut dem Untergang entgegen.
"Good Fellas" bis "Sopranos"
Exaltiert mochte es auch Jennifer Lawrence in „American Hustle“. Eine Frau wie eine Achterbahnfahrt: Als Rosalyn, der Frau von Spitzbube Christian Bale, changiert sie permanent zwischen selbstverleugnender Depression und wild um sich schlagender Hysterie – dafür stets in famosen Outfits. Kostümdesigner Michael Wilkinson durfte dafür in die Vollen gehen, ganz nach dem Motto „Edel geht die Welt zugrund’. So beeindruckt Lawrence etwa in einem tief dekolletierten weißen Kleid und riesigen Klunkern an den Ohren, einem Neckholder-Overall aus Chiffon in Leopardenmuster, oder in einem gestreiften, seidenleichten Kleid und Jacke mit Pelzkragen und Hochsteckfrisur.
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Die wilde Haarpracht gehört überhaupt zum festen Bestandteil jedes aufgetakelten Auftritts, ob nun bei Lorraine Bracco (in „Good Fellas“), Drea de Matteo oder Edie Falco („Die Sopranos“) oder Emma Stone („Gangster Squad“). Michelle Pfeiffer spielte gleich zweimal die wichtige Rolle der Frau vom Chef: Einmal in vergleichsweise reduktionistischen, aber berückend hautnahen Slip-Dresses in „Scarface“, einer Rolle, die den Grundstein für ihre Karriere legte. Dann wieder mit allem Drum und Dran in der Komödie „Die Mafiosi-Braut“, also mit Achtzigerjahre-mäßig voluminös auftoupierter Dauerwelle und behängt wie ein Christbaum.
So trägt man den Trend
Sie alle sind Vorbild der Mob Wife Aesthetic, einem der wichtigsten Modetrends des Jahres. Mehr als 50.000 Postings finden sich unter dem Hashtag Mob Wife auf Instagram, TikTok tanzt ohnehin den Kriminaltango. Die zur Nachahmung inspirierenden Videos, sich wie ein Gangsterliebchen zu kleiden, gehen viral. Hemmungslos wird dafür der Fundus der besten Gangsterfilme geplündert.
Frau trägt Pelz, als bevorzugtes Muster lässt man den Leoparden von der Leine und setzt auf Animal Print, Leder ist gern gesehen (etwa beim Minirock) und muss schwarz sein wie die Nylonstrümpfe. Dazu: Goldschmuck, große Sonnenbrillen und riesige Handtaschen von Luxuslabels.
Auch beim Make-up wird, im wahrsten Sinne, dick aufgetragen. Smokey Eyes und Wimperntusche sorgen für dunkle Verruchtheit, falsche Wimpern für einen unvergesslichen Augenaufschlag und Bronzer für einen erdigen Teint. Tiefrot lackierte Fingernägel oder French Nails, also weiß bemalte lange Nagelspitzen, sind quasi Pflicht. Ebenso Big Hair: Die Frisur soll am besten schön ausgeföhntes Volumen haben. Wird sie hingegen hochgesteckt, sieht sie gern aufwendig zurechtgemacht aus – und dennoch, als hätte man sie in dem Moment geschwind gestylt, als man hektisch vom Sofa aufspringen und Koffer packen musste, weil die Agents vom FBI an die Tür klopften.
Die gängigen Style-Vorreiterinnen haben die Mob Wife Aesthetic natürlich sofort aufgegriffen. Kendall Jenner zeigte sich im Pelzmantel. Wer keinen echten Pelz tragen will, setzt auf Fake Fur oder Shearling, also Lammfell. Topmodel Irina Shayk beeindruckte im Leo-Look. Jennifer Lopez und Emily Ratajkowski in Leder. Gigi Hadid mit imposanten Schulterpolstern. Das Mob- Wife-Konzept ist eine Gegenbewegung, die wohl kaum ausbleiben konnte. Lange gingen Quiet Luxury, die Clean Girl Aesthetic und der Style des normschönen Vanilla Girls vorneweg. Noble Dezenz und Minimalismus als Maß aller Dinge: das stieß allerdings nicht bei allen auf maximale Gegenliebe.
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Befreiung vom Vanilla Girl
Ein Leben als Vanilla Girl wird ja am liebsten in einer Art Pastell-Idylle, bevorzugt in Beige, Weiß und Creme, ausgehalten. Das Wohlbefinden vollenden Duftkerzen, Seidenbettwäsche und Chai Latte, man trägt Uggs und Oversized-Pullis zum Nude-Make-up, lebt inmitten skandinavischen Designs und ist im Idealfall schlank und blond. Mit dieser Zurückhaltung ist nun aber offenbar Schluss. Wenn Vanilla Girls flüstern, greifen Mob Wifes zum Megafon. Wo die einen alles tun, um nicht aufzufallen und sich von der beigen Tapete im Living Room tunlichst nicht abzuheben, spürt man die Gangsterbräute Geld zählen, während in der Küche die Cannelloni kochen. Der Mob-Wife-Trend ist ein Befreiungsschlag von einem perfektionierten Lebensentwurf, an dem Frauen zwischen Date Night und Deadline nur scheitern können. Es kommt Leben in die Bude – Maximalismus ist angesagt. Und ein Ausbrechen aus einem hauptsächlich von den sozialen Medien propagierten Korsett – hin zu mehr Realismus anhand beinahe operettenhafter Liebe zur Übertreibung.
Gangsterbräute in Hollywood
Die Ehrenwerte Gesellschaft und die Traumfabrik sind aber nicht nur Fiktion, Hommage, Modetrend. Immer wieder waren die schönsten Stars tatsächlich mit schrecklichen Schurken verbandelt. Jean Harlow etwa, die betörende Hollywood-Göttin der Dreißigerjahre. Sie war mit Abner „Longie“ Zwillman zugange, dem „Al Capone von New York“, von dem es hieß, er habe dem Mogul von Columbia Pictures eine halbe Million Dollar geborgt und Harlow so einen begehrten Filmvertrag verschafft. Mit Erfolg: Das platinblonde Schneeweißchen begeisterte in Komödien mit Clark Gable und James Stewart als, tja, Gangsterliebchen oder mindestens Sexbombe mit Herz. Und etablierte sich als großer Star.
Lana Turner fühlte sich generell zu halbseidenen Strizzis (etwa Johnny Roselli, der auch Donna Reed oder Betty Hutton datete) hingezogen. Eine dieser Affären endete skandalös und tödlich: Ihr Liebhaber Johnny Stompanato, Killer im Sold von Gangsterboss Mickey Cohen, wurde im Schlafzimmer der Diva erstochen. Begangen hatte die Tat angeblich Turners 14-jährige Tochter, um ihre Mutter bei einem Streit vor seinen Schlägen zu schützen. Oder hatte den so eifersüchtigen wie gewalttätigen Mobster doch Turner selbst erledigt? Wer weiß ...
Niemand aber war so umtriebig in Hollywood wie der Mobster Sonny Franzese. Mit Jayne Mansfield, deren Bodybuilder-Gatten Mickey Hargitay er eine Tracht Prügel androhte, wurde ihm eine Affäre nachgesagt. Auch Sängerin Diahann Carroll („Denver-Clan“) soll von ihm angetan gewesen sein. Und sie: Marilyn Monroe, die Baseball-Legende Joe DiMaggio mit Franzese betrog. Was dem ganz schnell Ärger einbrockte, da ihm darauf Justizminister Robert Kennedy zu jagen begann – der wie sein Bruder, US-Präsident John F., selbst eine Affäre mit der Monroe unterhielt. Ein irrer Liebesreigen. Dem nicht genug, ging Marilyn auch mit einem anderen Mafiosi auf Tuchfühlung – mit Sam Giancana, dem Paten von Chicago. Die Nacht, in der sie starb, so Verschwörungstheoretiker, soll der Mafia-Boss bei ihr gewesen sein. Und Marilyn vergeblich abzuhalten versucht haben, ihr Verhältnis mit Präsident Kennedy der Öffentlichkeit preiszugeben ...
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