
Ray Charles, Aretha Franklin und Co: Seltene Bilder von Legenden
Mit einem prachtvollen Bildband feiert das Plattenlabel Atlantic Records 75. Geburtstag.
Bryan Ferry und Aretha Franklin, Ray Charles und Ed Sheeran, Abba und Janis Joplin – es gibt Labels, und es gibt Legenden. Namen wie die eben genannten sorgen dafür, dass Atlantic Records eindeutig zur zweiten Kategorie gehört. Soul und Jazz, aber auch Rock, Punk und Disco – alles wurde hier gespielt.
Die Männer – und die Frau – die dieses musikalische Füllhorn der Extraklasse für die Fans öffneten, waren Ahmet Ertegün, Herb Abramson, Miriam Abramson, ab 1953 dann vor allem auch Musikjournalist Jerry Wexler, der den Begriff Rhythm and Blues erst geprägt hat.
Race Records hieß die Kategorie für schwarze Musik in den 1940ern eigentlich ...

Otis Redding war nicht nur der King of Soul, er war auch ein unglaublicher Performer (live, Mitte der 1960er)
©Atlantic Records ArchivesAußerdem lest ihr in dieser Geschichte noch:
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- Annäherung an einen Star
Genau in dieser Zeit gründeten Ahmet Ertegün und seine Freunde Atlantic Records mit einem Kapital von 10.000 Dollar, die sie sich von Ertegüns Zahnarzt Vahdi Sabit geborgt hatten.
Und genau diese Musik war es, die Ertegün von Beginn an faszinierte. Denn der Sohn des türkischen Botschafters in Washington DC hing schon als Teenager kaum mit seinen Kumpels von der elitären Landon School ab, sondern trieb sich lieber in den weniger schicken Bezirken der Hauptstadt rum.

Jerry Wexler, Ahmet Ertegun und Miriam Abramson, 1951
©Atlantic RecordsDort konnte er in kleinen Clubs seinen musikalischen Helden wie Duke Ellington und Jelly Roll Morton, Lena Horne, Louis Armstrong, Billie Holiday und Cab Calloway zuhören. Und es war diese Musik, die in den frühen Jahren auf Atlantic Records veröffentlicht wurde: Tiny Grimes, Dizzy Gillespie, Sydney Bechet, The Delta Rhythm Boys und viele mehr.
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The Drifters mit dem legendären Atlantic-Produzenten Tom Dowd (späte 1950er)
©Atlantic Records ArchivesDabei sollte man nicht vergessen, wie "Race Politics" zur Zeit der "Race Records" in den USA aussah. Schauspielerin Hattie McDaniel wurde nur einige Jahre vor der Gründung von Atlantic zum amerikanischen "Problem", weil sie für ihre Rolle der Mammy in Vom Winde verweht für den Oscar nominiert war.
Das "Problem"? Die Verleihungs-Gala fand allerdings im noblen Ambassador Hotel in L.A. statt – und das betrieb eine strenge "Whites only"-Politik.

Anderson .Paak und Bruno Mars bilden das Superduo Silk Sonic (2022, Las Vegas)
©Atlantic Records ArchivesZutiefst enttäuscht und frustriert warf Muhammad Ali fast zwei Jahrzehnte später, im Spätsommer 1960, seine olympische Goldmedaille in den Ohio River, nachdem ihm, gerade noch umjubelter amerikanischer Held, der Eintritt in ein "weißes" Restaurant verwehrt wurde.
Vielleicht hat er sie auch tatsächlich einige Zeit später einfach verloren, wie gemunkelt wird – er hatte ja am eigenen Leib erfahren müssen, wie wenig sie wert war...

„75 Years of Atlantic Records“, Taschen, 460 Seiten, ca. 150 €. Viele, teilweise unveröffentlichte Fotos, Beiträge u. a. von David Ritz und Ben Ratliff
©Atlantic RecordsIn diesem Umfeld mag die Tatsache, dass Ahmet Ertegün selbst ein Außenseiter im angelsächsischen Nachkriegs-Amerika war, zu seiner "Farbenblindheit" beigetragen haben. Aber auch seine Partner sahen ganz wie er in allererster Linie den Künstler, die Künstlerin, den Ton der Musik und nicht den der Haut.
Der blieb Ertegün und seinen Mitstreitern über alle Jahrzehnte egal. Aretha Franklin, Wilson Pickett und Ray Charles waren bei ihm unter Vertrag, genau wie Bobby Splish Splash Darin. Dem er eine, für die späten 50er ungewöhnliche, dafür umso erfolgreichere Aufnahme von Kurt Weills Mackie Messer-Ballade ermöglichte.
Elvis Presley dagegen nicht. "Er war nicht mein Typ", meinte Ertegün trocken über den "King".

Phil Collins lenkte Genesis in Richtung Mainstream (Surrey, 1984)
©Martyn GoddardGenau sein Typ war dagegen Janis Joplin. Musikalisch. Nachdem Ertegün sie das erste Mal in einem Club in San Francisco gehört hatte, sagte er: "Das ist mehr als nur Musik. Das ist das pure Leben."
Bei Atlantic Records nahm die Ausnahmesängerin legendäre Hits wie Piece of My Heart auf oder auch Me and Bobby McGee.

Ahmet Ertegün brachte Neil Young zu Crosby, Stills, Nash & Young (Oakland-Alameda County Coliseum, 1974)
©Joel BernsteinImmer in engem Kontakt mit Ertegün, der über ihre Drogen- und Alkoholprobleme Bescheid wusste und alles tat, um ihren Zusammenbruch zu verhindern.
Nicht, weil er sie als Produktionsmaschine sah, sondern als Künstlerin, "die ihre Seele auf der Bühne bar auslegte", verehrte: "Ich wusste, dass sie auf einem gefährlichen Weg war, aber ich wusste auch, dass sie in der Musik eine unaufhaltbare Kraft war", sagte er später rückblickend über sie.

„Respect“: Aretha Franklin kam 1966 zu Atlantic (New York, 1967)
©Walter Iooss Jr.Dass das heißeste Label der USA kurz davor die Beatles "übersehen" hat, hatte unterschiedliche Gründe. Zum einen mangelnde Information vom britischen Partner-Label, wie Ertegün früh beteuerte.
Zum anderen war sein Partner Jerry Wexler zwar sehr wohl informiert, mochte aber ganz einfach keine Musik, die nicht von Blues, Jazz oder Soul inspiriert war, die "Rockoids" wie er die in den 60ern überall entstehenden jungen Rockbands nannte, verachtete er.

Als Ahmet Ertegün „Waterloo“ von Abba 1974 zum ersten Mal hörte, wusste er: „Das ist ein Welt-Hit“
©Atlantic Records ArchivesUnd schließlich wohl auch mangelndes Interesse von Ertegün selbst. Dass er einige Jahre später die Rolling Stones unter Vertrag nahm, mit denen er einige ihrer legendärsten Alben aufnahm (Sticky Fingers, Exile on Main Street), erklärte er so: "Die Beatles waren revolutionär, aber die Stones hatten den Blues."
Der prächtige Bildband, der zum 75-jährigen Jubiläum von Atlantic Records herausgekommen ist, bietet nicht nur spannende Essays von Insidern, die einen tiefen Einblick in die Zeit geben, der sie sich widmen.

Ich möchte ein Eisbär sein? Wohl kaum, Hip-Hop-Star Lil Uzi Vert gehört zu den Top-Acts seines Genres. Das, ganz im Sinne von Label-Gründer Ahmet Ertegün, auch stark bei Atlantic vertreten ist
©Atlantic Records ArchivesNeben legendären und unveröffentlichten Studio-Shots praktisch sämtlicher Superstars sind es vor allem selten gesehene Live-Bilder, die den Musik-Fan beeindrucken. Weil sie unsere Legenden so viel greifbarer, "echter" machen.

Aufregender Mix: Janelle Monáe verbindet erfolgreich Rhythm ’n’ Blues, Soul, Funk, Pop, Jazz und Hip-Hop
©Atlantic Records ArchivesDurch sie ist man dann auch dabei, wenn etwa Eric Clapton, Jack Bruce und Ginger Baker Mitte Mai 1967 im Atlantic Studio in New York zum allerersten Mal Sunshine of your Love aufnehmen. Und beinahe kann man den berühmten Gitarren-Riff hören ...
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