Lichtspiele: Wie man mit Designleuchten den Raum transformieren kann
Sie sind die Trumpfkarte des Innendesigns, oft mehr noch Kunstwerk als jedes Bild an der Wand und wollen sorgfältig kuratiert werden. Nicht nur in Zeiten steigender Energiepreise eine lohnende Herausforderung.
von Nicola Afchar-Negad
Helligkeit, wo immer man sie sich wünscht. Licht genau so, wie man es gerade braucht.“ Das verspricht der Münchner Leuchtenhersteller Occhio für seine Neuvorstellung „Mito gioia equilibrio“. Der ringförmige Kopf der Leuchte ist im 360-Grad-Winkel verstellbar, das Licht wird nach oben und unten ausgestrahlt und ist per Bluetooth steuerbar.
Diese maximale Beweglichkeit ist ein absoluter Key-Trend. Am besten ist das gute Stück dann auch noch mobil. Ein Faktor, an dem man früher bei der Beleuchtung vermutlich weniger gedacht hätte, der bei Tischleuchten aber heute gern gesehen ist. „Takku“ von Artemide ist hier ein schönes Beispiel. Bis zu 20 Stunden Freiheit sind bei Takku (japanisch für „Pin“) möglich. Damit kommt man schon recht weit. Unter anderem Homeoffice-technisch, aber nicht nur. Wie wir in den vergangenen zweieinhalb Jahren gelernt haben, findet selbiges ja überall statt – auch auf der Terrasse oder in der Küche. Eine gute tragbare Lampe macht da natürlich Sinn. Ganz anders, aber ebenfalls bezeichnend für einen vielleicht nicht neuen, aber mittlerweile dominanten Trend, ist das Design „Dia“ von Simon Schmitz.
Die Leuchte ist ein Monolith, eine industriell anmutende Stele, mehr Objekt denn Produkt. Zwei leistungsstarke LEDs im Glasturm bestimmen die Optik. Schmitz selbst spricht von Licht als einem Material und findet sich mit seinem skulpturalen Ansatz in bester Gesellschaft.
Auf der Designwoche in Mailand wurde klar, dass sich Leuchten emanzipiert haben. Das reine Akzentesetzen überlässt man Kissen und Vasen. Das italienische Unternehmen Foscarini spricht anlässlich seiner Designstudie etwa von Licht „nicht nur zum Beleuchten, sondern Konstruieren“, und auch IKEA hat mit der Rotterdamer Designerin Sabine Marcelis eine Partnerin an Bord geholt, die ihre Leuchte Varmblixt (ab Frühling 2023) mit folgenden Worten präsentiert: „Ich bin als Designerin von skulpturalem Licht und Objekten inspiriert, die mehr als einen funktionalen Nutzen haben. Sie tragen zum künstlerischen Wert eines Zuhauses bei. Simpel, aber sophisticated!“ Wenn eine Leuchte auch ausgeschaltet noch schön ist, dann hat man vieles richtig gemacht.
Licht als Statement-Piece
Die Optik steht bei dekorativer Beleuchtung im Vordergrund, keine Frage. Man sollte aber nicht den Fehler machen, nur den Solo-Artisten zu sehen, es geht immer ums Ensemble, wie auch Lichtdesigner Johannes Jungel-Schmid (z. B. Steirereck) erklärt: „Einzelne Leuchten können immer nur eine Komponente eines Lichtkonzepts sein. Man sollte im besten Fall drei Arten von Lichtquellen aufeinander abstimmen. Erstens Licht, das in die Architektur integriert ist. Zweitens einzelne dekorative Leuchten, die im Raum verteilt werden und drittens Licht, das oft bereits in Möbelstücken zu finden ist.“ Pro-Tipp: Lichtszenen programmieren, in denen jede Leuchte in jeder Szene einen vorgegebenen Helligkeitswert hat. Wer mit Jungel-Schmid fachsimpelt, sieht schnell ein, dass ein paar Extra-Gedanken bei der Causa nicht schaden. Gerade in der dunklen Jahreszeit sind Leuchten schön, „die die Intensität und Farbe des Tageslichts nachbilden. Wer ein Modell sucht, das von Morgenrot über Mittagssonne bis Abendlicht alles nachzeichnen kann, sollte auf den Begriff Human Centric light, kurz HCL achten.“
Ein Favorit des Planers: indirekte Beleuchtung. „In Mailand hat man gesehen, dass immer mehr damit gearbeitet wird.“
Im Innenbereich ist das Inszenieren einzelner Ecken – oder etwa der Wand hinter dem Sofa – eine Möglichkeit. Für den Außenbereich empfiehlt Jungel-Schmid etwa die neuen (2021) Systeme von Flos: „Camouflage“ und „Miles“. Beide punkten mit enormer indirekter Strahlkraft. Von Solar hält der Experte dagegen bis dato noch nicht viel, Lichtstärke und -Qualität der Lichtfarbe überzeugen ihn nicht. Auf das erfolgreich abgeschlossene Kickstart-Projekt „Sunne“ (Design: Marjan van Aubel) hingewiesen, zeigt sich Jungel-Schmid interessiert. Als Stimmungslicht könne so ein Produkt, angebracht im Fenster, funktionieren. Die Niederländerin Marjan van Aubel glaubt felsenfest an den Siegeszug der Sonnenkraft, die Warteliste für „Sunne“ ist jedenfalls lang. „Ein Gebäude oder Produkt, das sich nicht selbst mit Energie versorgt, sollte als nicht funktionstüchtig betrachtet werden.“ Ihr Ziel: Solarprodukte optisch ansprechend zu machen, was ihr mit „Sunne“ fraglos geglückt ist. „Wenn ich mich umblicke, sehe ich in allen Oberflächen eine Chance, Sonnenenergie zu generieren.“ Gut möglich, dass die Solarleuchten also doch noch ihren Platz an der Sonne bekommen.
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