Psychohygiene im Papatreff: Wo Vätern Mut gemacht wird

Moderne Männer navigieren sich mit Offenheit durch die Vaterschaft.

Abendlicher Abstecher zum Fußballtraining – oder doch besser gleich nach Hause zu Freundin und Kind? Was würde ein pflichtbewusster Papa tun? Eine "gute Balance zwischen einer modernen Vaterrolle, dem entsprechenden familiären Engagement und eigenen Bedürfnissen zu finden, fällt Männern oft schwer", erzählt Nicolas Ehrschwendner.

Der angehende Psychotherapeut leitet seit Kurzem eine Vätergruppe in Wien. Das schlechte Gewissen werde auffallend häufig thematisiert. "Obwohl die Männer von ihren Partnerinnen oft ermutigt werden, sich Zeit für sich zu nehmen."

Wie fordernd die Vaterrolle sein kann, weiß Ehrschwendner aus eigener Erfahrung: Als seine Tochter im Herbst 2020 geboren wurde – die Welt taumelte gerade vom ersten in den zweiten Corona-Lockdown –, war die Freude gewaltig. Für den IT-Unternehmer und seine Frau begann damals dennoch eine schwierige Zeit: "Ich lebte in einer Großstadt mit vielen Gleichgesinnten. Trotzdem fehlte mir das Dorf, um Halt zu finden. Das hat sich falsch angefühlt."

Der eigenen Not entsprang zunächst die Idee zu einer Eltern-Gruppe. Räumlichkeiten dafür waren schnell gefunden: Ehrschwendner sammelt für seine Ausbildung momentan praktische Erfahrungen im Therapiezentrum Gersthof im 18. Wiener Bezirk.

Probleme mitteilen

Gesprächsbedarf besteht bei Eltern nicht nur zu Pandemiezeiten.

Allerdings suchen Mütter den Austausch meist aktiver. "Irgendwann kam mir der Gedanke, eine eigene Gruppe für Väter ins Leben zu rufen", erzählt Ehrschwendner. Psychosoziale Angebote, die auf die Bedürfnisse von Vätern zugeschnitten sind, sind rar. Eine Versorgungslücke, die Ehrschwendner seit vergangenem Winter mit seiner "Vätergruppe" (Infos unter vätergruppe.at) zu füllen versucht.

Die aktuelle Gruppe kommt alle zwei Wochen abends für zweieinhalb Stunden zusammen. Im Zentrum steht der vertrauensvolle Dialog im geschützten Rahmen: "Die Väter – ihre Kinder sind alle im Säuglings- oder Kleinkindalter – erzählen, wie es ihnen geht, was sie belastet, welche Konflikte es daheim gibt, welche Sorgen und Ängste sich in der Rolle als Vater auftun – aber auch darüber, was gerade Schönes passiert."

Das Gruppensetting ist laut Ehrschwendner, der sich als Leiter mit fachlichem und therapeutischem Wissen einbringt, die größte Ressource. Die Teilnehmer bekommen nicht nur das Gefühl, mit ihren Problemen nicht alleine zu sein. Auch Lösungsansätze werden ausgetauscht.

Nicolas Ehrschwendner, Leiter Wiener Vätergruppe

©Privat

"Vielen Vätern fällt es schwer, eine Balance zwischen familiärem Engagement und eigenen Bedürfnissen zu finden."

Nicolas Ehrschwendner, Leiter Wiener Vätergruppe

Zuversicht finden

Beinahe regelmäßig kommen Beziehungskonflikte und Fragen zum Thema Sexualität zur Sprache. In der Corona-Krise empfanden viele die Vereinbarkeit von Homeoffice und Kinderbetreuung als fordernd.

In den ersten Lebensmonaten fürchten viele Väter außerdem um die Bindung zum Kind. "Anfangs ist meist die Mutter die erste Bezugsperson. Die Väter fühlen sich lediglich als Systemerhalter. Das ist normal und gewissermaßen sinnvoll", sagt Ehrschwendner. "Wenn Väter zeitlich, körperlich und emotional verlässlich verfügbar sind und den Prozess der Beziehungsgestaltung akzeptieren, werden sie im Laufe des ersten Jahres ebenfalls zu engen Bezugspersonen."

In puncto Familienarbeit haben Männer in den vergangenen Jahrzehnten aufgeholt. Sie stehen mit im Kreißsaal, lesen Papa-Ratgeber, kochen und waschen und wickeln, pilgern zum Babyschwimmkurs. In einer vom deutschen Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) im Jahr 2019 durchgeführten Umfrage gaben 75 Prozent der Männer an, sich aktiv ums Baby kümmern zu wollen. 84 Prozent wollen so viel Zeit wie möglich mit den Kindern verbringen, 38 Prozent auch im Beruf kürzertreten. Die Realität hinkt diesen Idealvorstellungen noch hinterher. Derzeit geht etwa nur jeder fünfte Vater in Österreich in Karenz – mit langsam steigender Tendenz.

Papa-Podcasts: Neue Perspektiven zur Vaterschaft

Geburt, Karenz, Freizeitgestaltung, Paarbeziehung. Immer mehr Väter geben ihre Erfahrungen im Podcast-Format weiter. Seit vergangenem Jahr kann man etwa den Neo-Papas Michi Baumgartner und Andreas Kiss lauschen: In ihrem Podcast "Die Babybuddies" besprechen die beiden die großen Themen mit den kleinen Familienmitgliedern – und decken ein breites Themenspektrum ab.

 

Eine gelungene Mischung aus Information und Humor liefern Max und Jakob in ihrem Podcast "Beste Vaterfreuden". Episodentitel wie "Papa stinkt" machen neugierig.

 

Tipps zur Vereinbarkeit von Beruf und aktiver Vaterschaft liefert Papablogger Andreas Lorenz mit "2-Stunden-Papa".

 

Wer sich in die Entwicklungsphasen eines Babys einhören will, ist beim Podcast "Papa und Baby" von Rolf Eihoff an der richtigen Adresse.

 

Geglückter Perspektivenwechsel: Im Podcast "Geh Papa: Tochter-Vater Gespräche" redet Alice (25) mit ihrem Papa (47) über das Leben, Glück, Kinder(kriegen), Kochen und was es heißt, Teil einer Generation zu sein.

Veränderung zulassen

Gleichzeitig fühlen sich viele Väter in einer Erziehungswelt, die vor allem auf Mütter zugeschnitten ist, oft verloren. Ehrschwendner rät zu mehr Selbstbewusstsein und hofft auf gesellschaftliches Umdenken: "Wenn wir als Gesellschaft Männer mit ihren Sorgen bezüglich der Vaterschaft stärker wahrnehmen, kann das auch eine Chance sein, sie bei der Betreuung der Kinder aktiver ins Boot zu holen."

Dass die Väter meist über ihre Partnerinnen von der Vätergruppe erfahren, steht Ehrschwendner zufolge sinnbildlich dafür, "dass Männer es oft nicht gewöhnt sind, über ihre Vatergefühle zu sprechen – meist ein strukturelles Problem aus früheren Rollenzuschreibungen, die sich zum Glück im Wandel befinden".

In der Vätergruppe wird es einem leicht gemacht: Man kann jederzeit einsteigen und auch nur zum Schnuppern vorbeikommen.

Marlene Patsalidis

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