
Karomuster ist zurück: Zwischen Rebellion und Kleinkariertheit
Das Karomuster feiert ein Comeback, auf Möbelstoffen wie in der Mode. Zu den Trendsettern gehört Alexandra Palla, die Kleider mit Küchenkaro kreiert.
Von Karin Lehner
Großmutters alte Geschirrtücher aus unverwüstlichem Leinen sind lieb gewonnene Erbstücke. Sie werden von einer Generation an die nächste weitergereicht, halten jahrzehntelange 90-Grad-Waschgänge aus und versprühen ihren Charme nun in urbanen Hipster-Küchen.
Trendsetter entdecken die Kleinkariertheit und befreien sie vom Staub der Geschichte. Karos sind dick da, in Form der berühmten Vichy-Kästchen oder hauchzart, als Pepita-Muster, wie ein Blick auf die aktuellen Kollektionen von Acne Studios, Burberry, Tommy Hilfiger und Tod’s zeigt. Im Fahrwasser der Fashion-Industrie zieren sie neuerdings auch Polster, Decken, Vorhänge, Taschen und Möbeloberflächen.
Das Comeback des Musters läutete keine Geringere als Topmodel Kate Moss ein, bereits vor zwei Jahren. Hier schlenderte sie in einem himmelblauen Karo-Hemd, lässig über einem Tanktop und zur tief sitzenden Jeans getragen, über den Laufsteg der Bottega-Veneta-Schau. Die Vogue titelte begeistert: „Sie trägt schon jetzt den lässigen Look, den wir auch haben wollen.“
Wohlfühlmuster
Österreicher haben zu dem Trendmuster eine enge Beziehung. Sie entspringt der hierzulande besonders ausgeprägten Liebe für Genuss und Tischkultur, versinnbildlicht in einem karierten Stück Stoff für Servietten und Tischtücher. Kleinkariertes hat in Österreich Tradition und ist auch Teil von Alexandra Pallas DNA. Die Designerin startet gerade mit ihrem Label PALLA Vienna durch.
Hier bietet sie luftige Blusen, schwingende Tellerröcke und bequeme Wickelkleider aus Leinenstoffen mit Küchenkaro an. Die Weberei ihres Vertrauens ist das Traditionsunternehmen Viehböck, seit 1832 im Mühlviertel ansässig und in Familienhand.
"Als ich mit meiner Mode begann, wollte man die Stoffe mit Küchenkaro gerade ausmustern, weil sie keiner mehr gekauft hat. Heute werden sie liebevoll Palla-Karo genannt."
Ihren Erfolg verdankt die Kreative der Rückbesinnung auf Slow Fashion, Nachhaltigkeit und alte Werte. „Karo ist ein ehrliches Wohlfühlmuster in einer schnellen, digitalen Zeit. Es bringt Ruhe und Ordnung zurück, ins Leben wie den Kleiderschrank.“

Karo von Burberry
©APA/AFP/HENRY NICHOLLSAuch die Basic-Farben der Kästchen in Rot und Blau sind eine sichere Bank. Wie die Designerin auf Instagram beweist, taugt das gute alte Muster sogar für Kombinationen mit groben Stiefeln, legeren Turnschuhen und hippen Westen. „Die Teile sind wie eine schützende Uniform“, erklärt Palla. „Die geometrische Form des Musters vermittelt Halt und Stärke.“
Es symbolisiert auch Zugehörigkeit. Davon zeugen die karierten Tartan-Röcke schottischer Clan-Mitglieder wie Hosen von Köchen. Auch Coco Chanel war ein Fan des Musters. In den 20er-Jahren zierte das Hahnentritt- beziehungsweise Pepita-Karo ihr legendäres Kostüm. Architekt Adolf Loos schätzte bei Anzügen ebenfalls Kleinkariertheit. Und Brigitte Bardot führte in den Fünfzigern zwischen St. Tropez und Nizza das Vichy-Muster spazieren, eines der ältesten der Welt. Sie heiratete sogar in einem rosa-weiß karierten Baumwollkleid.

Acne
©APA/AFP/BERTRAND GUAYDoch Kariertes kann auch anders. In abgewetzter Form zelebrierten es Punks als Dagegen-Statement. Modeschöpferin Vivienne Westwood hielt die Kästchen mit Sicherheitsnadeln zusammen. Nirvana-Mastermind Kurt Cobain schrieb in schmuddeligem Grunge-Karo Musik- wie Modegeschichte. Das Muster lässt sich nicht einkasteln. Gekonnt wandelt es zwischen Establishment und Anti-Establishment, zwischen Kleinkariertheit und Rebellion. „Karos sind Chamäleons und passen sich an“, lautet Pallas Bilanz, die mutig verschiedene kombiniert. „Die Welt kann nie kariert genug sein.“

Vivienne Westwood
©APA/AFP/BERTRAND GUAYDabei begann alles so bodenständig. Das erste Karo entstand per Zufall, als Weber die Wolle von hellen und dunklen Schafen in den Rahmen fädelten und als Kästchen endeten. Einen Boom erfuhr Kariertes im 19. Jahrhundert, als es Königin Victoria im Vereinigten Königreich zur Mode machte. Der Kleiderschrank der Royals besticht bis heute mit Kleinkariertheit. Eine Abwandlung des Musters trägt sogar den heutigen Titel von Prinz William im Namen: Prince-of-Wales-Check (Glencheck).

Das ikonische Burberry-Muster gibt es seit 1920.
©REUTERS/Hollie AdamsOb ihrer Liebe zum Karo ernannte die königliche Familie Burberry 1955 zum Hoflieferanten. Die Modemarke setzt ihr schwarz-weiß-rot-beiges Muster seit 1920 ein, zunächst als Futter, später auch als Oberstoff. Denn das Karo ist so britisch wie die Briten selbst. Auch die Barbour-Jacke, die Queen Elizabeth gern zu einem Ausritt oder einer Landpartie mit ihren Corgis ausführte, ziert ein Futter mit den charakteristischen Kästchen.

Schottisches Karo ist für die britischen Royals Pflicht.
©APA/AFP/POOL/PAUL CAMPBELLKitchen-Couture
Schließlich punktet Kariertes mit Alltagstauglichkeit, denn Pferdehaare, Abdrücke der Hundepfoten oder Spritzer der Worcestershiresoße verschwinden gnädig im Muster. Außerdem ziehen Karos ihre Träger, im Unterschied zu Streifen, nicht unvorteilhaft in die Breite.
Weil sich inzwischen auch modemutige Männer an das Muster wagen, brachte Palla mit Maßschneider Gino Venturini eine Hemdenkollektion im Geschirrtuch-Karo-Look heraus. Unter den Trägern befinden sich die Starköche Johann Lafer, Roland Trettl und Juan Amador. Palla lässt gerade Stoffe mit neuen Mustern produzieren. „Karos. Gekommen, um zu bleiben.“
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