Faszination Salzkammergut: Abkühlung mit Starfaktor und Stil

Was macht das Salzkammergut nur so anziehend? Auf Spurensuche rund um die schönsten Badeseen Österreichs.

Überblick

Beste Reisezeit

Mai bis September

Einwohner

ca. 151.000

Wenn das der Kaiser gewusst hätte! Unserer – und auch der von China. Bei der Konditorei Zauner bestellen Asiaten die Melange fast schon auf Deutsch. Und in Hallstatt fehlt nicht viel, dass man den Saibling mit Stäbchen isst. Willkommen im seenreichsten Gebiet Österreichs. Sayonara im Salzkammergut!

Im Herzen Österreichs

Während wir noch denken, wir müssen uns was von der Welt anschauen, kommt die Welt zu uns. Und das ist wörtlich zu nehmen. Bad Aussee im Herzen des steirischen Salzkammerguts bildet den geografischen Mittelpunkt Österreichs. Beim Narzissenfest vor zwei Wochen fielen Exoten als Zaungäste kaum auf. Ein bisschen weiter oben, in Hallstatt, machen sie das schon eher. 

©Getty Images/iStockphoto/sorincolac/iStockphoto

10.000 Touristen am Tag

Seit das pittoreske Örtchen in atemraubender Hanglage im Jahr 1997 von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt wurde, verstehen die Einwohner die Welt nicht mehr. „Wir sind nur 800“, schüttelt die Dame an der Kassa im Museum den Kopf, „und in der Hauptsaison werden bis zu 10.000 Touristen durchgeschleust.“

Gut für die Souvenirhändler. Sie können Gästen aus Korea und China großzügig eine Dose „Bad Ischler Kristallsalz“ als Delikatesse anbieten, während wir Einheimischen blauäugig dem vermeintlich wesentlich würzigeren Himalaya-Salz hinterherhecheln. 

60. NARZISSENFEST IN BAD AUSSEE: AUTOKORSO

Bei Asiaten ist das Salzkammergut besonders beliebt

©APA/BARBARA GINDL / BARBARA GINDL

Heimat unter der Lupe

Was wir daraus lernen: Wir sollten unsere Heimat genauer unter die Lupe nehmen. Viel genauer. Es hat nämlich schon seinen Grund, warum es anderen hier gar so gut gefällt. Besonders im Salzkammergut. Und das schon seit Langem. „Rom war noch nicht gebaut, als Hallstatt bereits Weltgeltung als Handelspartner hatte“, weiß etwa Literat Alfred Komarek.

Als Aufsichtsratvorsitzender der Salinen AG kann  Hannes Androsch, der „Salzbaron“ aus Floridsdorf, das nur unterstreichen. „Gemessen an der 7000-jährigen Geschichte des Salzabbaues sind 40 Jahre nur ein Wimpernschlag“,  verkündete der frühere Finanzminister jüngst beim runden, kleinen Jubiläum der Saline an ihrem jetzigen Standort in Ebensee, Wie auch immer, man reißt jedenfalls ein Aug’ auf, wenn man vor Ort ein paar Histörchen aufschnappt, die das Salz in der Geschichte des Salzkammerguts ausmachen. Jenes vom  Erzherzog Johann etwa, der sich ausgerechnet in Bad Aussee in die Postmeisterstochter verschaut hat.

59. NARZISSENFEST IN BAD AUSSEE: FOTOTERMIN DER HOHEITEN

Eines der Highlights: Das Narzissenfest in Bad Aussee

©APA/BARBARA GINDL / BARBARA GINDL

Am Grundlsee verliebt

Oder der Finanzjongleur Camillo Castiglioni. Er hat sich am Grundlsee in eine direkt am Wasser liegende Villa verliebt, trotzdem aber wenig später sein ganzes Kapital vergeigt. Oder Nobelhotelier Charles Ritz. Der passionierte Fliegenfischer pflegte seine Leidenschaft an den Ufern der Traun zu stillen, des Hauptflusses des Salzkammerguts, das er einmal als „Juwel Mitteleuropas“ bezeichnet hat.

Bevor die ersten Automobile durch die Voralpen tuckerten, waren es die Pferdeeisenbahn und die Dampflokomotive, die den vormals abgelegenen Teil Österreichs zugänglich machten. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Salzkammergut zum sommerlichen Sehnsuchtsgebiet für den Adel, dessen Gefolge und andere Privilegierte. Schenkt man Zeitzeugen Glauben, lebte Kaiser Franz Josef in und um Bad Ischl erst richtig auf.

single swan swimming in lake under snow mountain

Die Magie rund um die Seen hat zahlreiche Künstler inspiriert

©Getty Images/iStockphoto / iSweetRiver/istockphoto.com

In den vielen Jahrzehnten, die er hier verbrachte, sprach sich das herum. Alsbald diente die gesamte Region als Inspirationsquelle für Dichter, Denker und  sonstige Künstler. Lebenskünstler sowieso. Ein wenig Namedropping gefällig?

Von Brahms bis Popper

Vom Schriftsteller Friedrich Torberg bis zum Komponisten Johannes Brahms, vom Nervenarzt Sigmund Freud bis zum Sozialphilosophen Karl Popper – sie alle suchten in Österreichs „zehntem Bundesland“ Ruhe und Erholung. Einige von ihnen waren echte Wiederholungstäter. Gustav Klimt zum Beispiel.

In der Malerkutte am Badesteg

Zwischen 1900 und 1916 verbrachte der prominenteste Vertreter des Wiener Jugendstils  jeden Sommer am größten See Österreichs, dem Attersee. Und das nicht etwa zum Nichtstun.

Klimt-Themenweg am Attersee

 

©Bernhard Praschl

Der Mann hinter dem weltbekannten „Kuss“, der am Attersee zwischen Wiesen und Badesteg in einer Malerkutte hin- und herhuschte, fertigte  dort 45 seiner insgesamt 50 Landschaftsbilder an. Bei uns galten sie lange Zeit als nicht gar so bedeutsam. Am internationalen Kunstmarkt hingegen waren Gemälde  wie „Waldabhang in Unterach am Attersee“ oder der „Bauerngarten“  in den vergangenen Jahren gefragt wie nie.

Der veredelte Garten wurde vor zwei Jahren bei Sotheby’s in London um eine Rekordsumme versteigert. Für mehr als 50 Millionen Euro ging diese seither teuerste Attersee-Landschaft von Gustav Klimt an einen vermutlich russischen Käufer. 

   
Eine Auktion wie diese zeigt das Salzkammergut und seine vielen grün- bis türkisblauen Seen natürlich von seiner besten Seite. Weltweit.

Die Villa der Fürstentochter

Man sieht das an der Herkunft seiner Besucher. Wobei Russen ja kein Neuland für das Salzkammergut sind. In Traunkirchen am Traunsee etwa kennt man seit Mitte des 19. Jahrhunderts die so genannte „Russenvilla“.

Ringstraßenarchitekt Theophil Hansen hat sie geplant – nicht für eine Oligarchen-, sondern eine Fürstentochter: Sophie Pantschoulidzeff.

Zahlreiche Promis gingen hier ein und aus, unter anderem der nachmalige Kaiser von Mexiko, Erzherzog Maximilian, der Pianist Anton Rubinstein sowie die Dichter Rainer Maria Rilke und Adalbert Stifter. Heute befindet sich das Haus in Privatbesitz.

Macht nichts. In der Villa Paulick in Seewalchen steht der Spurensuche nichts entgegen. Einst waren Gustav Klimt und sein Lebensmensch Emilie Flöge zu Gast, heute versucht das Gustav-Klimt-Zentrum dem alten Salzkammergut-Geist hier   wieder etwas Leben einzuhauchen – unter anderem mit  Lesungen von Karl Markovics Mitte Juli.

Symbolfoto
©Fischerei Ausseerland/Martin Huber

Kaiserwetter am See

Es gibt jedenfalls genügend Gründe, um zur Sommerfrische ins Salzkammergut zu reisen. Einer davon ist, dass sich - wie Ernst Kammerer vom Tourismusverband Ausseerland so trefflich formuliert - "das Gefühl gelungener Erholung nicht mehr über Entfernung definiert."  Wer sich beeilt, schafft’s also noch bis morgen zum Saiblingsfest.  Wenn dann noch Kaiserwetter herrscht, steht einem perfekten Ferientag  nichts im Weg. Und einem Ausflug auf dem restaurierten Motorfahrgastschiff „Rudolf“ aus dem Jahr 1903.

Sebastian, Matrose  der vormaligen „Fürstin  Kinsky“, lächelt vielsagend, als wir an Bord gehen: „Früher war das ganz wenigen vorbehalten. Und jetzt können wir uns hier alle wie die Kaiser fühlen.“ 

Bernhard Praschl

Über Bernhard Praschl

Bernhard Praschl, geboren 1961 in Linz. Als Stahlstadtkind aufgewachsen zwischen Stadtwerkstatt und Brucknerhaus. 1978 erster Manager der Linzer Punk-Legende Willi Warma. 1979 Studium der Politikwissenschaft und Publizistik an der Uni Wien. Zivildienst im WUK; 1986 Institut für Höhere Studien, Wien. 1989-1992 in der Die Presse, seit 1992 Redakteur im KURIER, 1994 Statist in Richard Linklaters "Before Sunrise", seit 1995 in der FREIZEIT. 2013 "Das kleine ABC des Geldes. Ein Lesebuch für Arm und Reich" (Czernin Verlag). Nach frühen Interrailreisen durch Europa (Portugal bis Irland) und Autofahrten entlang der California State Route und dem Overseas Highway nach Key West jetzt wieder Bahnfahrer - und E-Biker.

Kommentare