River Arno and Ponte Vecchio in Florence, Italy.

Unsterblich: Auf den Spuren Leonardo da Vincis in Florenz

Noch 500 Jahre nach seinem Tod trifft man in Florenz auf Universal-Genie Leonardo da Vinci.

Überblick

Einwohner

ca. 382.300

Währung

Euro (€)

Flugdauer

ca. 1 1/2 Stunden ab Wien

Von Annemarie Josef, Brigitte Jurczyk, Barbara Reiter

Vor der Gelateria La Carraia an der Piazza Nazario Sauro gegenüber des Arno, einer der besten Eisadressen der Stadt, hat sich eine lange Schlange gebildet. „Einmal Schokolade und Pistazie, bitte!“, sagt das Mädchen mit der langen, brauen Lockenmähne und der Eismann ist froh, dass er diesmal abgezähltes Kleingeld erhält: Unter anderem eine Ein-Euro-Münze. Ein niegelnagelneues Stück mit glänzender Strahlkraft. Vorne eine Eins drauf und hinten? Ja, was soll das eigentlich bedeuten, dieser Mann im Kreis, der seine Arme und Beine gleich vierfach ausbreitet? Es ist Leonardo da Vincis „Vitruvianischer Mensch“, eine Proportionsstudie des Körpers nach Vitruv. Eine Abbildung, die jedes Kind kennt, nicht nur in Italien.

Vitruvian Man
©Getty Images/iStockphoto / titoslack/IStockphoto.com

Dass sie die Ein-Euro-Münze ziert, ist kein Zufall. Denn zu Recht können die Italiener stolz auf ihren Erschaffer Leonardo da Vinci sein, der den größten Teil seiner Jugend in Florenz verbrachte. Und so feiert die Stadt am Arno dieses Jahr den 500. Todestages des Künstlers, Erfinders und Wissenschaftlers mit zahlreichen Ausstellungen – nicht nur im Leonardo da Vinci Museum im Herzen der Stadt. Wer das Universalgenie entdecken will, muss einfach nur durch die Straßen von Florenz, über die Plätze schlendern, die großen, alten Palazzi betreten und durch die Parks flanieren.

Denn als da Vinci in Vinci bei Florenz am 15. April 1452 geboren wurde, war die Metropole als Zentrum des spätmittelalterlichen Handels- und Finanzwesens eine der reichsten Städte Europas. Die Pracht und Macht, die Florenz ausstrahlte und die Leonardo während seiner Schaffensjahre in der Stadt erlebte, spiegelt sich noch heute in der Architektur, die seit Jahrhunderten in weiten Teilen fast unverändert blieb. Im 14. und 15. Jahrhunderte blühte die Stadt auf. Sie setzte Maßstäbe in der europäischen Kunst und Kultur und wurde zur Wiege der Renaissance. Künstler und Gelehrte wie Donatello, Botticelli, Michelangelo, Machiavelli, Galileo Galilei und eben jener Leonardo da Vinci schufen zu dieser Zeit Kunstwerke, entwickelten Techniken und schenkten der Welt neue, revolutionäre Ideen von unschätzbarem Wert.

Cityscape of Florence
©Getty Images/iStockphoto / SerrNovik/iStockphoto

Reich, kunstvoll und schön

Dieser schöpferische Spirit ist heute noch spürbar am Arno. Genauso wie der Einfluss der Familie der Medici. Reich geworden durch Textilhandel, später erfolgreich im Bankwesen und einflussreich in Politik und Kirche, verbandelt durch geschickte Einheirat in die Königshäuser und Herzogtümer Europas förderte ihr Mäzenatentum die Kunst und prägte das Stadtbild – und das bis heute.

Unter ihrer Ägide entstand die gewaltige Kuppel des Doms, der Kathedrale Santa Maria del Fiore – eine technische Meisterleistung der frühen Renaissance –, die nach dem Petersdom im Vatikan, der St. Paul’s Cathedral in London und dem Mailänder Dom die viertgrößte Kirche Europas ist. Sie ließen ein ganzes Stadtviertel abreißen und unter anderem die Uffizien – heute eines der bekanntesten Kunstmuseen der Welt – entstehen. In der dritten Etage des Gebäudes ist die Gemäldesammlung Gallerie degli Uffizi untergebracht, die allein jährlich zwei Millionen Besucher in die Stadt zieht.

Leonardo Da Vinci statue on black background (path selection included)
©Getty Images/iStockphoto / Zummolo/iStockphoto

Das Universalgenie

Der Mann, der am 15. April vor 567 Jahren geboren wurde, hatte einfach eine unstillbare Neugierde und breit gestreute Interessen und Neigungen: Er brillierte nämlich nicht nur als Maler und Bildhauer, sondern war auch Architekt, Musiker, Arzt, Mechaniker, Ingenieur und Naturphilosoph. Als Universalgenie tanzte er erfolgreich „auf vielen Hochzeiten“. Und war oft seiner Zeit weit voraus. Durch das präzise Beobachten von Vögeln und Fledermäusen entwarf er Flugmaschinen; als großer Natur-Philosoph führte er den Begriff der Naturgesetze ein und sprach sich für interdisziplinäres Forschen aus. Er wollte den Dingen auf den Grund gehen und sah die Welt mit seinen Augen.

Duomo In Florence
©Getty Images / borchee/Istockphoto

Mit da Vincis Augen sehen

Was würde er heute sehen, wenn er durch die Straßen von Florenz schlenderte? Wenn er die Schlangen vor den Museen in den Jahrhunderte alten Palästen bemerken würde, die mit großen Steinquadern ausgelegten Plätze, an denen die Cafés ihre Stühle und Tische schon früh am Morgen herausstellen? Die Souvenirstände auf der Piazzale Michelangelo, von deren weitläufiger Aussichtsterrasse sich die Stadt im besten Licht präsentiert? Die Besuchermassen, die gerade im Sommer von den Kreuzfahrtschiffen vom Mittelmeer herkommend in der toskanischen Hauptstadt einfallen und den Dom stürmen? Die Designer-Handtäschchen schwenkenden Damen im Verkaufsraum der Farmacia di Santa Maria Novella, einer der ältesten Apotheken der Welt, direkt neben der Piazza Santa Maria Novella –  mit einem Verkaufsraum, der einst die Kapelle der Dominikanermönche war und noch heute das Design jeder Nobelboutique übertrifft? Wo sie Cremes und Salben kaufen, die die Mönche schon im 13. Jahrhundert entwickelten und Düfte, die für Königinnen wie Caterina de’ Medici, Königin von Frankreich, kreiert wurden?

Was sähe er, wenn er sich zu den Gästen der Nobelrestaurants setzen würde, die ihre Terrassen zum Fluss hin öffnen und zum Blick auf den beleuchteten Ponte Vecchio, einer der ältesten Segmentbogenbrücken der Welt, modern interpretierte toskanische Traditionsgerichte servieren?

©GlennMason/iStockphoto

Vielleicht würde sich ein solch vielsagendes Lächeln auf seine Lippen legen, wie bei Mona Lisa, dem wohl berühmtesten Bildnis der Welt – das natürlich kein Geringerer als er selbst, Leonardo da Vinci, gemalt hat.

Movers prepare to hang Leonardo da Vinci's "Earlier Mona Lisa" painting ahead of its exhibition in Singapore
©REUTERS / EDGAR SU

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