Bahn frei! Fantastische Urlaubsreisen mit dem Zug

Vom beschaulichen Beförderungsmittel für Menschen mit viel Tagesfreizeit haben Zugreisen sich zu einer überaus attraktiven Alternative entwickelt.

Die Zeiten ändern sich. Als Bob Dylan 1964 über dieses an sich gar nicht so überraschende Thema sang, brauchte man mit dem Zug von Wien nach Salzburg noch an die fünf Stunden, während man mit dem Auto theoretisch schneller war als heute – denn ein generelles Tempolimit auf Autobahnen gibt es erst seit 1973. Und an die 200 Sachen gingen vor 60 Jahren auch schon viele Autos, man denke nur an die so legendäre wie superschöne Giulia GT von Alfa!

©ÖBB/Harald Eisenberger

Heute sieht's anders aus. Ganz anders. Mit dem Zug ist man in knapp mehr als 2:20 Stunden in Salzburg, das wäre auch ohne Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Autobahn kaum zu erreichen. Und: Statt sich durch einander überholende Lkw-Kolonnen zu schlängeln, gleitet man stressfrei quasi von Innenstadt zu Innenstadt, muss sich auch nicht mühsam durch den Pendler- und Berufsverkehr aus oder in die Stadt stauen.

Nur fliegen ist schöner?

Die Alternative „Fliegen“ wird prinzipiell ab etwa zwei Stunden Flugzeit interessant. Aber das Reisen über den Wolken bringt doch auch Stress mit sich, ist nicht mehr das erhebende Erlebnis aus den Zeiten, in denen ein Glas Sekt zur Begrüßung auch in der Holzklasse ganz normal war. Dafür ist man natürlich mit dem Flugzeug noch immer schneller, in Paris etwa, wobei man zu den zwei Stunden in der Luft schon noch die Fahrten zum und vom Flughafen rechnen muss, Wartezeit, Check-in, Boarding ...

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Netflix, Sekt – und ab ins Betti!

Per Zug dauern die schnellsten Verbindungen in die französische Hauptstadt knapp über zehn Stunden – und wer’s ganz gemütlich will, steigt einfach in Wien in den Nachtzug (oder in Salzburg). Um 19:40 geht's los (20:10 in Salzburg), und um 9:40 in der Früh ist man mitten in Paris. Voilà! Dauert damit zwar noch ein bisschen länger – aber man kann ja vorm Schlafengehen noch entspannt einen Netflix-Film oder eine HBO-Serie schauen, ein Bierchen zwitschern oder ein Glas Sekt. Und ins Betti würde man zu Hause ja auch gehen. Mann hat also das beruhigende Gefühl, echt nichts zu versäumen. Und ist herrlich ausgeruht für einen Tag voller Abenteuer und Entdeckungen in der Stadt der Liebe.

Europa mit der Eisenbahn

Die Nachtzüge der ÖBB fahren derzeit von Wien, Salzburg, Innsbruck und Graz aus in 22 europäische Metropolen, darunter Ziele wie Zagreb, Rom, Hamburg und Amsterdam. Aber auch England ist nicht aus der Welt, von Brüssel (Nachtzug) gibt es eine direkte Verbindung nach London. Oder die Perlen der deutschen Ostseeküste? Auf nach Berlin (Nachtzug) und von dort weiter über ein bestens ausgebautes – und sehr schnelles – Bahnnetz an die „Badewanne“ der deutschen Hauptstadt.

Hier die schönsten Ziele - und die Links zu den "freizeit"-Storys, die unsere Redakteure und Autoren schon darüber geschrieben haben:

©Katjana Lacatena/carolineseidler.com

Rom

Einfach einmal treiben lassen“ war das Motto von "freizeit"-Kolumnist GUIDO TARTAROTTI, der die Ewige Stadt immer wieder neu entdeckt.

Prall, aufregend, immer in Bewegung, Stadt der schönen Menschen, der Millionen Vespas und des Verkehrschaos – so kennt man Rom aus vielen Filmen und Serien.  Und doch ist es eine Stadt, in der man perfekt abschalten kann, ziellos auf Entdeckungstour gehen, wie "freizeit"-Kolumnist und Rom-Kenner Guido Tartarotti eindrucksvoll beschreibt. Mit ihm ziehen wir durch  eine Stadt der Sinne, kehren in kleinen Cafés und  Bars ein, genießen in versteckten Trattorias  authentisches römisches  Essen, „viel Fleisch, viel Teig, viel Käse, viel Fett“ und dabei doch unnachahmlich gut, also gerade so wie die Stadt selbst: prall und üppig.

Colosseum at sunrise, Rome, Italy
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Wir kommen aber auch „an den vielleicht stillsten Ort Roms“, den der Autor am allermeisten von den vielen beeindruckenden Sehenswürdigkeiten Roms liebt. Dieser Ort ist gar nicht weit vom Circus Maximus entfernt, höchstens zehn Minuten zu Fuß – und hat selbst eine sehr lange und schillernde Geschichte ...

Vom Aventin aus, dem südlichsten der sieben Hügel, auf dem schon die schönen Villen der alten Römer standen und der auch heute eine beliebte und teure Wohngegend ist, haben wir dann den schönsten Blick über die Stadt. Und planen dort die nächste Wanderung.

Es ist gar nicht soooo weit nach Rom. Wer in Wien um 19:23 einsteigt, ist um 11:50 dort.

Zagreb

Von Graz sind es nur 150 km in eine der spannendsten Städte des östlichen Europa. KURIER-Redakteur UWE MAUCH
hat sie für die "freizeit" besucht.

Zwischen Alpen und Adria, Kaiserzeit und Moderne, mediterranem Easy Living und stylishem Hipstertum liegt die Hauptstadt Kroatiens – und verbindet tatsächlich das Beste vieler Welten, wie auch Autor Uwe Mauch empfindet.

König-Tomislav-Platz mit dem Kunstpavillon, der für die Millenniumsausstellung 1896 in Budapest gebaut wurde

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Wir hängen mit den jungen Zagrebern im Botanischen Garten ab, wo über 10.000 Baum- und Pflanzenarten für eine einzigartige Kulisse sorgen. Liegestühle und coole Sitzmöbel auf der Wiese sorgen für loungige Stimmung, beinahe als wäre man in einem ultracoolen Open-Air-Club. Man spricht Englisch, zumindest in dieser Generation, und weiß ganz genau, was in London, Paris oder Berlin, New York oder Mailand  gerade angesagt ist.

Alte Eleganz findet man hingegen im Hotel Esplanade, früher ein beliebter Stopp für betuchte Reisende des Orient Express. Auch der Kunstpavillon gleich in der Nähe erinnert mit seiner sezessionistischen Bauweise an die späte österreichische Kaiserzeit, das Dach aus Stahl und Glas ist heute noch beeindruckend. Unter der älteren Generation finden sich auch heute noch viele, die zwar nicht so gut Englisch wie die jungen Hipster, dafür aber durchaus Deutsch sprechen.

Gänzlich heimisch fühlt man sich aber – zumindest der Wiener – in der Umgebung des Kroatischen Nationaltheaters in der Unterstadt. Schönbrunnergelbe Neorenaissance mit Türmchen und allem, was dazu gehört.

Und tatsächlich ist Zagreb auch von Wien gar nicht weit entfernt. In sechseinhalb Stunden ist man dort, da zahlt sich kaum ein Nachtzug aus. Die Grazer haben’s da noch ein bisschen besser, von ihnen aus sind es bloß drei Stunden und 45 Minuten.

Budapest

"freizeit"-Redakteur DANIEL VOGLHUBER besuchte die „schöne Cousine Wiens“ – und war hellauf begeistert.

Die Széchenyi lánchíd aus dem Jahr 1849 ist die älteste Brücke über die Donau

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Ein gigantisches Höhlensystem direkt unter der Stadt, mehr als 100 heiße Quellen, 30.000 Kubikmeter mineralstoffreiches Wasser pro Tag, das schon die alten Römer begeisterte – und so richtig schräge Bars in Altstadthäusern: Budapest hat wesentlich mehr zu bieten als Burgviertel, Fischerbastei, Königspalast und die alte Széchenyi lánchíd, die Kettenbrücke über die Donau. Wobei diese Klassiker unbedingt beeindrucken und man sie wirklich nicht verpassen sollte, genauso wenig wie den Genuss eines echten Gulyas. Das unserer Gulaschsuppe entspricht.

Wer ein Gulasch will, wie er es von Österreich kennt, sollte ein Pörkölt essen, wie Daniel Voglhuber uns erklärt. Der für beide Speisen eine unbedingte Empfehlung abgibt – wobei man allerdings  in jedem Fall die klassischen Touristenabfütterungsanlagen meiden sollte.

Als wäre die Zeit stehen geblieben: Blick von einem alten Arkadengang in Buda auf das Parlamentsgebäude der ungarischen Hauptstadt

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Und wie war das jetzt mit den Bars? Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus, so ab den frühen 00er-Jahren, pachteten junge Menschen einige zusehends verfallende Innenstadt-Häuser, viele davon im alten jüdischen Viertel. Sie richteten sie mit Flohmarkt-Möbeln ein und eröffneten die sogenannten „Ruin-Pubs“. Ursprünglich von der lokalen Jugend frequentiert, die dort an allgegenwärtigen Tischen Tischtennis statt Billard spielte, wurden diese Pubs auch bei älteren Budapestern und Touristen immer beliebter. Die älteste dieser Bars, Szimpla Kert, die Platz für 800 Menschen bietet, schaffte es vor einigen Jahren sogar, von Lesern des Lonely Planet zur drittbesten Bar der Welt gekürt zu werden. Sollte man doch auf ein Bier einkehren. Oder zwei.

Besuchen sollte man auf jeden Fall eines der alten Thermalbäder, die teilweise schlossartige Ausmaße haben. Und das alles ist so nah! Nur zweieinhalb Stunden mit dem Zug ab Wien.

Usedom

Die Berliner lieben „ihre“ Ostsee schon lang, jetzt  kommen auch Meer-Fans aus anderen Ländern auf den Geschmack.  Reisejournalistin BRIGITTE JURCZYK war für die "freizeit" vor Ort.

Ostsee-Klassiker: Strandszene mit typischem Steg-Restaurant – und Korb natürlich

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Endlose Sandstrände, tiefblaues Meer, das rhythmische Rollen der Brandung, Dünen und pittoresk vom Wind zerzauste Büschel Steppengras darauf: Die Ostsee kann schon was! Und ja, wir wollen diese hübschen Strandkörbe nicht vergessen, ohne die würde was fehlen ...

Also: Wie kommt man hin? Am besten zuerst einmal  mit dem Zug nach Berlin. Da gibt’s auch einen Nightjet, die Fahrt dauert – noch – sieben Stunden 53 Minuten in die deutsche Hauptstadt, aber man arbeitet dran, will die Zeit im Stundentakt verkürzen, bis man, so die Zukunftsvision, in bloß vier Stunden am Ziel ist. Das ist doch mal eine Ansage!

Strahlende Schönheit: so blau das Meer, so weit der Strand – und dieses Licht! 

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Von Berlin geht’s dann flott, wie gesagt, für die Berliner ist die Ostsee quasi ihre Badewanne, das Verbindungsnetz ist gut und straff. Dreieinhalb Stunden braucht man derzeit, letztes Jahr wurden die Pläne zum Ausbau der Strecke ausgearbeitet, zwei Stunden soll es in Zukunft dauern.

Wenn man dann dort ist, sind es natürlich nicht nur Dünen und Strandkörbe, die einen erwarten. Brigitte Jurczyk führt uns über eine Insel, die sich in den letzten Jahren phänomenal entwickelt hat. Die hübschen Jahrhundertwendebauten des Berliner Adels und Großbürgertums mit ihren Türmchen und Erkern sind natürlich noch da, aber statt Cafés mit Ostblock-Flair gibt’s jetzt Hipster-Bars, kreative Restaurants und Concept-Stores. Auch die alten Hotelkästen, kurz vor dem endgültigen Verfall am Ende der DDR, der die Mittel zu Renovierungsarbeiten fehlten, sind fast allesamt wieder aufgehübscht und wirken beinahe jugendlich.

Aber nicht nur die drei Kaiserbäder Heringsdorf, Bansin und Ahlbeck haben es der Autorin angetan, sie nimmt uns mit auf die unbekannte Seite der Insel, wo alles ganz anders ist, still und in manchen Momenten geradezu magisch.

Bordeaux

Pures Vergnügen“ – dafür steht die Wein-Stadt für Reisejournalistin BRIGITTE JURCZYK. Sie hat sich für die "freizeit" im schönen Südwesten Frankreichs umgesehen.

Dunkelrot, manchmal beinahe ins Violett changierend, sehr kräftig – Bordeaux kennt man einfach. Zumindest die Farbe – und den Wein natürlich. Die Stadt? Hm ...  Das ist schade, findet unsere Autorin völlig zu Recht. Denn die Stadt, die sie uns zeigt, zieht uns magisch in ihren Bann.

Weingüter wie Saint Emilion (o.) prägen das Umland von Bordeaux

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Eines ihrer schönsten Argumente: Der Miroir d’eau, der „Wasserspiegel“, das mit 3.450 Quadratmetern größte Reflexionsbecken der Welt, das 2006 von Michel Corajoud, dem Schüler eines Schülers des legendären Le Corbusiers entworfen wurde. Es liegt direkt im historischen Stadtzentrum Bordeaux’ und rechtfertigt dessen Namen: Port de la Lune, „Hafen des Mondes“. Denn der spiegelt sich in dem nur zwei Zentimeter tiefen Becken wie sonst kaum irgendwo. Genau „die historischen Fassaden des Place de la Bourse (Börsenplatz) – und gleich dazu der Himmel über Bordeaux“. Detail am Rande: Corajoud hat sich dafür von der „Acqua Alta“, also der oft durchaus malerischen Überschwemmung Venedigs am Markusplatz inspirieren lassen.

Aber Bordeaux hat viel zu viel zu bieten, um nur die Sterne und Lichter, die sich im Wasser reflektieren zu betrachten. Nach Jahren im durch fehlgeleitete Stadtplanung verbrachten Dornröschenschlaf „strahlt die Stadt etwas Heiteres, Fröhliches, Beschwingtes aus“. Und genau das gilt es hier in dieser geschichtsträchtigen Stadt zu genießen: Die neue Leichtigkeit!
Die Autorin führt uns zu allen Sehenswürdigkeiten und Genuss-Stationen – und nimmt uns auch noch mit ins in jeder Hinsicht hochinteressante Umland: Landschaft, Geschichte, Kulinarik – alles da.

Die Pont de Pierre ist die älteste Brücke über die Garonne

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Ist Bordeaux weit weg? Ja, 1.700 km, das fährt auch der größte Auto-Freak nicht einfach so. Mit dem Nachtzug über Paris (10 Stunden) und weiter mit dem coolen TGV (3 Stunden) kommt man auf entspannte 13 Stunden Fahrzeit. Klingt doch nicht schlecht!

Hampshire

KURIER-Redakteurin ANNA-MARIA BAUER taucht ein in eine magisch schöne Welt an Englands Küste.

Es gibt hier und da auch kleinere Herausforderungen. Oder größere. Und wer mit einem Zug auf eine Insel will, die kaum mehr zu Europa gehört, stellt sich so einer. Andererseits: Es geht, und zwar gar nicht schlecht.

Wer zumindest in einem Teil der etwa 13 Stunden von Wien nach Brüssel im Nightjet gut geschlafen hat, kann  wachen Auges die Zugfahrt durch die malerische englische Inspektor-Barnaby-Landschaft genießen. Nachdem er eine gute halbe Stunde lang unter dem Meer verbracht hat – das muss man sich mal vorstellen! 35 Minuten braucht der Zug, um den Ärmelkanal zu über-, ’tschuldigung, „unterqueren“. Ist schon ein Erlebnis.

5.000 Wildpferde und 200 Wildesel streifen südlich von London durch die wildromantische Landschaft

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Von London aus gehen 77 Züge täglich Richtung Winchester, die Fahrt dauert nur knapp über eine Stunde. Um dann, wie unsere Autorin Anna-Maria Bauer in eine sagenhafte Welt der Schlösser und Steilküsten, Wildpferde und literarischen Assoziationen einzutauchen – Jane Austen etwa hat lange hier gelebt und geschrieben. Und ja, schon auch eine Welt der kulinarischen Genüsse, auch wenn man das mit England nicht unbedingt verbindet. Aber lesen Sie selbst.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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