Weiter Blick über die Ostsee: Die Rauken – bis zu zehn Meter hohe Kalksteinsäulen – sind typisch für Gotland.

Schwedische Ostsee-Insel Gotland: Krimis und ganz viel Idylle

Gotland ist trotz eines mörderischen Klimas ein Terrain für Skandinavien-Fans. Was es zu erleben gibt.

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60.288

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Krone „Svensk krona"
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Juni bis September

von Brigitte Jurczyk

Er kann es nicht lassen. Magisch zieht es Marc Voltenauer zurück auf diese Insel in der Ostsee – wie einen Mörder, der noch einmal zum Tatort muss. Jedes Jahr fährt der Westschweizer nach Gotland. Dort, wo er vor vier Jahren mit dem Schreiben seines Krimis „L’Aigle de sang“ („Blutadler“) begann. Der spielt eben auch auf dem schwedischen Eiland. Wie so manch anderer. „Keine Ahnung, warum hier so viele Mörder herumlaufen, wenn auch nur auf dem Papier oder im Fernsehen“, grinst Inger Halvstedet,  eine der Initiatoren der Crime Week – ein Festival für Krimifans. Das hätte dieses Jahr schon zum sechsten Mal stattfinden sollen. Corona machte den Veranstaltern aber einen Strich durch die Rechnung.

Dabei erfreut es sich einer riesigen Fangemeinde und verlängert normalerweise die Saison, die auf Gotland nur kurz ist und nicht vor Ostern beginnt. Spätestens Mitte August sind die meisten Touristen schon wieder abgereist. Und auch die Kreuzfahrtschiffe, die in den Sommermonaten Massen von Passagieren ausspucken, machen dann einen Bogen um das Eiland, das sonst so wunderbar mitten auf dem Weg nach Sankt Petersburg und dem Baltikum liegt (hier gibt es tolle Tipps für einen Trip). 

Krimikulisse mit Flair

Marc Voltenauer ist – wie seine schreibenden „Krimi“-Kollegen – dann mit von der Partie, wenn aus den bluttriefenden Romanen vorgelesen wird, während draußen im Hafen von Visby die letzten Segler nichtsahnend festmachen. Die kommen in die verwinkelten Kopfsteinpflaster-Gassen der alten Hansestadt, weil die sie jetzt wieder für sich haben. Die Filmteams der beliebten Gotlandkrimis („Der Kommissar und das Meer“ oder „Kripo Gotland“ rund um die attraktive Kommissarin Maria Wern) wissen das Flair, das die gut erhaltene  Altstadt verströmt, ebenfalls  zu schätzen.

Ein Sommernachtstraum: Visbys Restaurants und Bars sind sehr beliebt.

©mauritius images / Walter Bibikow/Walter Bibikow / Mauritius Images

Und für die Medeltidsveckan – die Mittelalterwoche – mit einer Mischung aus Ritterturnieren, Märkten Straßentheatern und vielem mehr (dieses Jahr vom 8. bis 15. August) ist Visby eh die perfekte Kulisse, die jährlich um die 40.000 Besucher anlockt. Wo hat man schon eine über 700 Jahre alte Stadtmauer, die  knapp 3,6 Kilometer lang und dazu noch bestens erhalten ist?! Zusammen mit den Stadttoren, den Ruinen von Sankt Nicolai und Jahrhunderte alten Häuserzügen bildet sie ein mit Leben gefülltes Bühnenbild, in dem auch der eine oder andere Mörder ruhelos umherstreift – wenn auch nur im Buch oder Fernsehen. 

Während die Touristen an einem der vielen hübschen Strände von Gotland in bester Ferienlaune sind, klettert der Schriftsteller Marc Voltenauer die Kalkstein-Anhöhe bei Hoburgen empor. Am südlichsten Zipfel Gotlands ist es gerade mal außergewöhnlich windstill. Die Sonne scheint ihm ins Gesicht und er muss etwas blinzeln. Unter ihm tanzt das Licht auf dem Blau des Meeres. Keine Menschenseele ist weit und breit zu sehen. Im Moment der schönsten Naturidylle sagt der Sohn einer Schwedin und eines Deutschen plötzlich lapidar: „Hier hat sie sich hinabgestürzt“. Und meint die Frau in seinem Krimi „L’Aigle de sang“ ( „Blutadler“), die er per Tastenkombination in den Tod beförderte. Ein zauberhafter Ort, der eigentlich viel zu schön zum Sterben ist: Kleine, geschwungene Buchten reihen sich wie Perlen an einer Schnur am Wasser entlang und von den Klippen aus kann man weit übers Meer schauen. 

Dunkle Geheimnisse

Schon als Kind verbrachte der heute 48-Jährige hier mit den Eltern die Ferien. Die haben ein Ferienhaus auf Gotland, in das sich der Schriftsteller gern für ein paar Wochen im Jahr zum Schreiben zurückzieht. Dort entstand auch die Idee für den Roman „L’Aigle de sang“, seinem dritten, der auf der Insel spielt. Sein erster Krimi „Das Licht in dir ist Dunkelheit“ ist vor Kurzem in deutscher Übersetzung erschienen. Der zweite – „Wer hat Heidi ermordet?“ kommt im Herbst 2022 in deutscher Sprache  in den Buchhandel. 

Echte Lockenpracht: Auf der Insel sind Gotlandschafe mit ihrem prächtigen Pelz ein beliebtes Fotomotiv.
 

©Tuukka Ervasti/imagebank.sweden.se

Krimiliebhaber können auf den Spuren seines Kommissars über die Insel reisen und dabei nicht nur eines der schönsten Fischerdörfer – Djupvik – und einen  atemberaubenden Küstenabschnitt – die Eksta Küste –  entdecken, sondern auch den Ort, an dem der in den Fall verwickelte Roman-Staatsanwalt lebt. Auch in der Realität hat Gotland in der langen, wechselvollen Geschichte als strategisch wichtiger Punkt in der Ostsee viele dunkle Geheimnisse angehäuft. Die helle Seite zeigt sich in durchschnittlich 1.900 Sonnenstunden im Jahr – damit ist die Insel mit Abstand der wetterfreundlichste Platz Schwedens.

Info

Ich packe in meinen Koffer für Gotland…

...unbedingt eine Creme mit hohem Lichtschutzfaktor ein. Denn dank seiner besonderen Lage mitten in der Ostsee gehört Gotland zu den sonnenreichsten Orten Schwedens. 

...ein Fernglas zur Vogelbeobachtung:  Gotland ist für seine hohe Dichte an hier brütenden Stein- und Seeadlern bekannt.

...einen Gotlandkrimi oder am besten gleich zwei oder drei. Es gibt unglaublich viele, die auf der Insel spielen. Den Schauplätzen begegnet man auf einer Gotlandreise auf Schritt und Tritt.

Kein Wunder, dass es hier so viele hippe Strandbars gibt und Visby sich in den langen, hellen Sommernächten in eine einzige Partyzone verwandelt. Eine Atmosphäre, die Kreative vom schwedischen Festland und vor allem aus Stockholm auf die Insel zieht. 

Genuss in Schweden: Saftige Hamburger im coolen Strandclub Surflogiet

©Brigitte Jurczyk

Eine, die nach langen Auslandsreisen zurückgekommen ist nach Gotland, ist Jennie Olofsson. Der Weg zu der Glaskünstlerin, die Gläser u. a. für namhafte Restaurants kreiert, führt zwischen Wäldern und Wiesen vorbei an reetgedeckten, alten Bauernkaten und ochsenblutfarbenen Fischerhütten in den Osten des Eilands.

Ihnen begegnet man auf Schritt und Tritt: Fischerhütten mit ochsenblutfarbener Holzfassade
 

©Brigitte Jurczyk

Wenn man sich schon völlig auf der falschen Fährte wähnt und vor lauter Gotlandschafen – das sind die mit dem entzückendem Lockenfell – schon umkehren will, trifft man plötzlich auf eine große, alte Scheune und auf Big Pink. So heißt der Zwitter aus Glasstudio, Shop und Bühne. „Nein, ich bin nicht Jennie, die kommt aber gleich“, sagt die junge Frau mit dem feuerfesten Handschuh und der Schutzbrille, die gerade das glühend heiße Glas am Stil dreht. Da wirbelt schon Jennie lachend herein, eine attraktive, blonde 38-Jährige, die die Glaskunst-Scheune auch als Veranstaltungsort von Konzerten betreibt. Und sofort wird klar: Das hier ist vielleicht der ungeeignetste Ort für einen Mord auf der ganzen Insel.

Info

Einreise und Anreise

Für die Einreise nach Schweden braucht es den Nachweis eines negativen COVID-19 Tests.  Testpflicht gilt auch für Geimpfte oder Genesene. Weitere wichtige Infos: www.bmeia.gv.at/oeb-stockholm/

Anreise: Mit dem Flugzeug z. B. Wien – Stockholm – Visby und zurück, www.flysas.com. Die Alternative: Visby erreicht man vom Festland ab Nynäshamn (3.15 Stunden) oder ab Oskarshamn (knapp drei Stunden) auch mit der Fähre, www.destinationgotland.se/de/fahre/fahrplan/unsere-linjen/ 

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