Dijon: Ein Genussparadies für Feinschmecker und Weinkenner
Käse, Wein, Foie gras – vor über zehn Jahren hat die UNESCO Frankreichs gastronomisches Erbe zum immateriellen Weltkulturgut erklärt. Jetzt wurde in Dijon die „Cité internationale de la gastronomie et du vin“ eröffnet.
Überblick
Flugzeug von Wien nach Paris, von dort mit dem Zug TGV Lyria nach Dijon
Mai bis September
Euro
Von Brigitte Jurczyk
Gustave Eiffel liebte Gusseisen. Sein 330 Meter hoher, Ende des 19. Jahrhunderts erbauter Turm in Paris bracht es zu Weltruhm. Auch in seiner Heimatstadt steht eine Markthalle, die er entworfen hat, originalgetreu und vor Kurzem erst frisch renoviert. Sie ist nichts anderes als der nostalgische Rahmen für ein Feinschmeckerparadies par excellence. Denn was sich hier dienstags, donnerstags, freitags und samstags auf den Markttischen präsentiert, ist der ganze Stolz der regionalen Produzenten, die ohne Umwege über einen Händler Waren frisch vom Feld, aus der Metzgerei, dem Backofen oder dem Reifekeller in den Bauch der Stadt bringen.
Da stapeln sich jetzt frische Morcheln in Holzkistchen, blüht ein Arm voller Bärlauch in einem Plastikeimer, recken sich die violetten Köpfe von Spargel geradezu frivol in die Höhe. Ein paar Stände weiter reihen sich Ziegen- und Kuhmilchkäse in feinem Papier oder Spankörbchen wie Schmuckstücke aneinander. Ein orangefarbener Époisses – ein Rotschmierkäse auf perfekter Reifestufe – läuft einem aufreizend entgegen, während einem ein Chaource asketisch die weiße Schulter zeigt. Luftgetrocknete Salami aus Schweine-, Lamm-, und Wildschweinfleisch, verfeinert mit Walnüssen, Fenchel oder ganzem Pfeffer stapeln sich in Körben, gleich nebenan von kindskopfgroßen Artischocken, die frisch geerntet ihre Blätter fest aneinanderschmiegen
Savoir-vivre
Es ist ein einziges Schlaraffenland, das uns Nicole Barbier an diesem Freitagmorgen in der Rue Quentin in Dijon aufsperrt. Eine Schatzkammer des guten Geschmacks mit all den Traditionen des französischen Savoir-vivre, auf das sie mit uns mit einem Kir anstößt. Der Mix aus Crème de Cassis (Johannisbeerlikör) und Aligotè (einem trockenen Weißwein der Côte d’Or) – benannt zu Ehren des ehemaligen Bürgermeister Félix Kir – trinken wir an der Buvette des Halles, seit Jahrzehnten der zentrale Getränkestand der Markthalle. Ab Punkt zwölf Uhr mittags strömen die Marktbesucher hierher. Eine kleine Stärkung in Form von zwölf überbackenen Schnecken oder einer Scheibe Foie gras, dazu einen Kir. Voilà!
Das kann nicht schaden, trägt aber ungemein zum Lebensgenuss bei. „Wenn Sie mich fragen, ist das hier die beste Visitenkarte für das gastronomische Erbe Frankreichs“, sagt die 71-Jährige und zeigt auf das üppige Angebot um uns herum. „Dafür hätte es meiner Meinung nach die Cité gar nicht gebraucht.“
Mit der Cité meint die Dijoner Stadtführerin die „Cité de la gastronomie et du vin“, die am zweiten Maiwochenende in der Hauptstadt des Burgunds eröffnet wurde. Ein Stadtprojekt auf insgesamt 70.000 Quadratmetern inklusive eines neuen Öko-Viertels mit über 500 Studenten-, Senioren- und Familienwohnungen, einem Kinokomplex, einem Hotel und einem Kulturzentrum. Das Herz aber bildet eine Art Einkaufscenter mit 6.000 Quadratmetern Fläche für Shops aller Art – von der Edelmetzgerei mit Reifeschrank für Fleisch bis zur gut sortierten Fromagerie. Dazu gibt es einen Weinkeller mit 1.000 verschiedenen Weinen aus aller Welt, 1.000 aus Frankreich und 1.000 allein aus dem Burgund. Glasweise lassen sich hier 250 Weine, darunter viele Grand Crus, probieren – der Himmel für Kenner, auch wenn das Glas schon mal 400 Euro kosten kann. Eine Dependance der berühmten Pariser Kochschule Ferrandi hat hier ebenso Platz gefunden wie ein Buchladen mit Kochbüchern aus aller Welt, mehrere Restaurants und zwei Ausstellungen, die von Zeit zu Zeit wechseln. „Das ist schon toll, was sie auf dem Gelände des historischen Hôpital général errichtet haben“, schwärmt Sylviane. Die 25-jährige Besucherin im blau-weißen Streifenshirt arbeitet selbst in der Gastronomie und ist schon berufshalber an der Neueröffnung in ihrer Heimatstadt interessiert.
Die Planung für das ambitionierte Kulturprojekt begann bereits vor über zehn Jahren. Die UNESCO hatte 2010 Frankreichs Genusskosmos zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt. Und die sogenannten Climats – die Weinparzellen des Burgunds – gehören ebenfalls seit 2015 dazu. 2017 startete der Bau der Stadt der Gastronomie und des Weins in Dijon.
Design-Viertel und Altstadt
Dabei konnte man sich von Vorbildern inspirieren lassen. Denn die knapp 160.000 Einwohner zählende Stadt im Osten Frankreichs ist bereits die vierte, die sich solch eine Gourmetwelt leistet – nach Tours, Rungis bei Paris und Lyon, wobei die Cité in Lyon während der Pandemie geschlossen wurde. Das alte Hospiz, dessen Gelände man für das Projekt nutzte und in dessen Kapelle nun die Weinregionen des Burgunds präsentiert werden, wurde aufwendig restauriert. Im Kontrast dazu stehen moderne, von einem Pariser Architekturbüro geplante Bauten, die nicht von allen Bewohnern der Stadt goutiert werden. „Die sehen jetzt schon verrostet aus!“ echauffiert sich ein Dijoner Weinhändler. Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten.
Unstrittig dagegen ist die Summe, die das Ganze gekostet hat: 250 Millionen Euro. 200 Millionen Euro sind dabei private Investments, 50 Millionen kamen von der Stadt und vom Staat. Ob sich das gelohnt hat, wird sich zeigen. Jedenfalls lockt die Eröffnung schon jetzt mehr Touristen ins Burgund als sonst.
Dabei ist Dijon auch ohne das neue Viertel, das direkt an die Altstadt grenzt, ein lohnendes Ziel für Feinschmecker. In den zum Teil original erhaltenen mittelalterlichen Straßen mit den vielen Fachwerkhäusern, genauso wie in den Bauten aus dem 18. und 19. Jahrhundert, finden Besucher so manches kulinarische Highlight: Zum Beispiel das Gewürzbrot von Mulot & Petitjean, das seit 1796 in der Stadt gebacken wird. Allein der Laden mit den zuckersüßen Wand- und Deckenverzierungen verdient einen Besuch. Christine Snoeckx hält lachend einen „Gesundheitspflasterstein“ in die Kamera: „Der ist sechs Kilo schwer“, sagt die Französin in perfektem Deutsch. Der handgemachte, riesige Lebkuchen gilt wegen der Gewürze als gesund.
Wo ist der Senf?
Von den Senfherstellern, für die Dijon berühmt ist, sind nicht mehr viele übrig geblieben. Der größte, 1747 von Antoine Maille gegründete Betrieb residiert zwar noch in dem Eckhaus in der Rue de la Liberté in der Altstadt, gehört aber heute zum international agierenden Lebensmittelkonzern Unilever. Dafür hat die aus der Weinstadt Beaune stammende Moutarderie Edmond Fallot jetzt auch einen Laden in der Hauptstadt der Region. Ein Senfmeister weiht dort in die Geheimnisse des Senfmachens ein und wer will, kann sogar seinen eigenen herstellen und mit dem Glas voller scharfen Genusses nach Hause stiefeln.
Am besten folgt man der Eule durch die Genussstadt Dijon. Was es mit dem Vogel auf sich hat? Er weist den Weg zu einem Parcour – in Form eines ins Straßenpflaster eingelassenen Symbols: vorbei an den Palästen, die die einst mächtigen Herzöge von Burgund der Stadt hinterlassen haben. Dem einen oder anderen Gourmettempel. Vorbei an Restaurants, Bistros oder Weinbars bis hin zu der steinernen, kleinen Eule an einem Pfeiler der Kirche Notre-Dame, die jedem Glück bringt, der sie mit der linken (vom Herz kommenden) Hand berührt. Und natürlich auch zur Markthalle von Dijon, in der jeden Dienstag, Donnerstag, Freitag und Samstag das Erbe der französischen Genusskultur voller Stolz präsentiert wird.
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