Sinnlich schön: Venedig abseits der Touristenpfade

Ab Sommer will man die Gästezahl reglementieren, um Massentourismus vorzubeugen. Zudem mausern sich manche Plätze der Lagunenstadt zu neuen Genuss-Ecken.

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Euro

Anreise

von Wien nach Venedig in 1 Std. 10 Min.

Klimafreundliche Anreise

mit dem Nachtzug von Wien nach Venedig in ca. 11 Std.

Già è!“ Der Gondoliere stößt einen lang gezogenen Ruf aus, der im engen Wasserkanal nachhallt. Grob übersetzt bedeutet das „Schon da“ und gilt als Warnung für andere Boote, dass man gleich um die Ecke biegt. Ansonsten ist es ruhig, das Wasser plätschert sanft, wenn das Paddel eintaucht. An den Hausmauern wachsen Moos und Muscheln knapp unter der Wasseroberfläche. Bei vielen Häusern wurde das Erdgeschoß bereits mit Ziegeln bestückt, um Hochwasser und dem steigenden Meeresspiegel vorzubeugen. Weiter oben: schmale Klopfbalkone, auf denen manchmal Topfpflanzen für grüne Farbtupfer sorgen. Auf jeder kleinen Brücke tummeln sich Passanten, die das Treiben auf dem Wasser beobachten. Am Kai sitzen Menschen in Lokalen, trinken Bellini, essen Tramezzini. Hier ist es, das Dolce Vita Italiens, das in Venedig wieder ein Stück authentischer werden soll. Um Menschenmassen zu vermeiden, sollen Touristen ihren Besuch in der Stadt ab diesem Sommer registrieren, in Planung ist auch eine Eintrittsgebühr ab 2023. Das macht einen spontanen Trip zwar etwas komplizierter, dafür aber im Erleben intensiver. Wer sich nicht in Schlangen anstellen muss, kann Venedig von einer ganz besonderen Seite kennenlernen.

Abseits der Touristenpfade

Denn einerseits pulsiert das Leben am Rialtomarkt oder bei den Studenten im Stadtteil Dorsoduro – dort gibt es auch hübsche Plätze mit Straßencafés und kleinen Kirchen, ebenso wie die Galleria dell’Accademia, ein Museum mit venezianischer Malerei wie kein anderes auf der Welt. Andererseits hat Venedig auch ruhige Ecken zum Entdecken. Speziell im Norden, etwas abseits der Vaporetto-Stationen, empfiehlt sich ein Spaziergang direkt am Wasser. Freilich ist diese Flanierroute nicht so elegant und auch nicht so bekannt wie Klassiker vom Canal Grande bis zum Markusplatz. Doch spürt man den ursprünglichen Zauber Venedigs besonders gut und hat bei schönem Wetter einen wunderbaren Ausblick auf die Inseln San Michele und Murano.

Charmant: Gondeln schippern durch enge Wasserkanäle, am Ufer sitzen Gäste in Lokalen

©Getty Images/Eloi_Omella/istockphoto

Apropos Magie: Auch wenn das historische Zentrum Venedigs mehr Tagestouristen als Einwohner zählt und so mancher Concierge Mühe hat, authentische Trattorien zu empfehlen („Fast alles in Venedig ist Tourismus!“), gibt es sie – die versteckten Gassen mit den Lokalen, in die man auf den ersten Blick nicht eintreten würde. Plastiksessel an wackeligen Tischen neben lauten Kühlkammern und unter brüchigen Holzbalkonen, bei deren Anblick man sich fragt, wie sie sich überhaupt noch an den Wänden halten. Die Kellner sind von Touristen zwar überrascht, heißen sie aber willkommen und stellen ihnen sogleich einen Keramikkrug mit Hauswein (meistens Pinot Grigio) hin. Serviert wird frischer Fisch auf einfachen Tellern ohne viel Schnickschnack, die Muscheln und Meeresfrüchte sind in einer offenen Vitrine auf Eis gelegt.

Manchmal, wenn man Glück hat, und die Fischer mit Weichpanzerkrabben heimkehren, gibt es auch diese Spezialität, nicht tiefgekühlt sondern frisch aus dem Meer. Ein solches Lokal ist übrigens die Trattoria alla Madonna (siehe Tipp auf Seite 20), die nur wenige Dutzend Meter Luftlinie vom emsigen Treiben der Rialtobrücke entfernt liegt und auch einen der besten Bellini der Stadt hat.Der Bellini wurde übrigens der Legende nach in Harry’s Bar erfunden, nahe dem Markusplatz, und besteht aus Prosecco und Pfirsichmark. Manche meinen, es werde dafür Champagner verwendet, immerhin kostet ein kleines Glas 22 Euro – aber mamma mia, nein: Die Italiener schwören auf ihre eigenen Schaumweine. Der teure Preis ist der Geschichte geschuldet – und den Touristen, die das nach wie vor bezahlen.

Ein kulinarisches Muss sind übrigens auch die kleinen, herrlichen venezianischen Cicchetti, das Äquivalent zu den spanischen Tapas. Auf kleinen Broten türmen sich Thunfisch, Lauch, Kürbis, Ricotta, Zucchiniblüten und vieles mehr – gegessen wird im Stehen, etwa im „Schiavi“. Alessandra und ihre Söhne tischen hier auf, das Lokal gibt es seit 1944, die Brötchen werden in Glasvitrinen präsentiert.

Ciccetti, kleine Brote belegt mit Fisch und Gemüse: typisch für Venedig, gegessen wird im Stehen

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Wer es lieber luxuriös mag, der ist etwa im „Gio’s“ am Canal Grande bestens aufgehoben: wunderschöner Blick, venezianische Küche, gut sortierte Weinkarte.

Faszinierend ist auch das Handwerk der Stadt: Im Jahr 1500 waren mehr als 6.000 Webstühle in Betrieb, einige Familien führen diese Tradition heute noch fort – die Familie Bevilacqua zum Beispiel, in sechster Generation. Besichtigungen gibt’s nur nach vorheriger Anmeldung, und es lohnt sich: Die Atmosphäre ist wie aus der Zeit gefallen, Samt, Seide und Goldfäden werden zu feinen Stoffen mit mehr als 3.500 Designs verarbeitet. Literaturfans hingegen kommen bei der „schwimmenden Buchhandlung“ ins Staunen: Ein Labyrinth aus Bücherstapeln mit einigen Perlen – etwa „Der klein Prinz“ in venezianischem Dialekt. Tipp: Auch die Dachterrasse besuchen, für den Ausblick über die Lagune.

Eine besondere Buchhandlung: Hier finden sich so manche literarischen Schätze, der Ort wird aber auch oft vom Hochwasser überflutet.

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Zurück in den engen Gassen ist es nicht leicht, sich bei den unzähligen und teils winzigen Geschäften zurechtzufinden – vor allem, was das Angebot hochwertiger Gläser anbelangt. Viele schmücken sich mit höchsten Qualitätsversprechungen, doch nicht alle können das einhalten. Um originale Murano-Ware zu erhalten am besten den Weg zum Campiello dei Squelini antreten, dort gibt es das Antiquitätengeschäft „L’Angolo del Passato“, was übersetzt bedeutet „Die Ecke der Vergangenheit“. Wie zutreffend, denn hier gibt es auch Raritäten von früher: Einzelstücke großer Namen wie Venini oder Saviati sowie zeitgenössische Kollektionen etwa von Giberto Arrivabene – diese Dynastie verkörpert frühere venezianische Aristokratie wie keine andere.

Und dann wären da noch die typischen venezianischen Samtpantoffeln. Rund ums Jahr 1800 erfunden, damals wurden dafür alte Tücher und Seilreste verwendet, später setzte sich Gummi für die Sohlen durch, vor allem von alten (Fahrrad)reifen. Heute sind die Materialien freilich andere, vor allem Samt und Leinen werden verwendet. Das rutschfeste Schuhwerk begeistert die Gondolieri, weil sie nichts zerkratzen und zugleich weich sein, doch es ist auch ein schönes Andenken für zu Hause.

Kunst bei der Biennale

Seit April steht Venedig außerdem im Zeichen der Biennale. Die Kunstausstellung zieht Interessierte aus aller Welt an, die in den Pavillons unterwegs sind. Österreichs Auftritt hat das Duo Ashley Hans Scheirl und Jakob Lena Knebl gestaltet und er sorgt für Aufsehen. Die bunte Installation befasst sich mit der Ästhetik der 70er und soll auf die Gegenwart treffen. Ereignisse von früher werden mit dem Heute verbunden und dargestellt. Nicht jedermanns Geschmack, aber jedenfalls zeitgemäß und vor allem unberührbar, denn: Es ist Kunst.

Luxus auf den Inseln

Selbst wenn Venedig die Besucherströme künftig beschränkt – die Stadt bleibt lebendig, mit einer spürbaren Portion Tradition. Doch die Lagune bietet noch mehr als das, nämlich absolute Ruhe. Wer sich mit einem Wasserbus oder -taxi (Achtung, letzteres ist sehr teuer und kann je nach Strecke rund 200 Euro pro Fahrt kosten) Richtung Burano, Mazzorbo und Murano aufmacht (Fahrzeit ca. 40 Minuten), erlebt Inseln, auf denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint: Bunte Häuser an kleinen Kanälen auf denen Ruderboote schippern und sogar ein Weingarten aus dem jährlich nur 2.500 Flaschen hervorgehen – ob ihrer reduzierten Stückzahl sind diese besonders für Weinsammler begehrenswert. Man kann durch die Rebzeilen flanieren, nebenan im „Venissa“ einkehren.

Auf Burano wird sogar Wein angebaut, die Anzahl der Flaschen ist auf 2500 Stück limitiert - hochbegehrt bei Sammlern.

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Noch ein Stück weiter nordöstlich von Venedig liegt ein weiteres Schmuckstück der Region: die Privatinsel Isola Santa Cristina. Es ist eine der exklusivsten Adressen und befindet sich im Besitz der Swarovski-Familie. Mit viel Liebe zum Detail wurden hier Gärten mit Obst und Gemüse angelegt, Wein angebaut, eine biologische Fischzucht errichtet und sogar eine eigene Trinkwasserversorgung installiert. Ebbe und Flut strömen täglich durch die Kanäle und werden durch händisches Bedienen der Klappen gesteuert.

Die Privatinsel Santa Cristina der Swarovski-Familie kann exklusiv gemietet werden.

©Isola Santa Cristina

Die Villa mit Platz für ca. 16 Personen (neun Zimmer), Pool und Terrasse kann exklusiv gebucht werden – Tagesbesuche sind nicht möglich, auch wenn sie immer wieder angefragt werden. Wer hierherkommt, genießt absolute Privatsphäre und kann auf Wunsch Ausflüge mit einem gecharterten Boot samt Skipper machen. Alleine die Fahrt durch die geschlängelten Lagunen ist vor allem eines: molto romantico.

Marlene Auer

Über Marlene Auer

Chefredakteurin KURIER-freizeit. War zuvor Chefredakteurin bei Falstaff und Horizont Österreich, werkte auch als Journalistin im Bereich Chronik und Innenpolitik bei Tages- und Wochenzeitungen. Studierte Qualitätsjournalismus. Liebt Medien, Nachrichten und die schönen Dinge des Lebens.

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