Michael Bublé im Interview: „Meine Frau ist mein Held“

Der Sänger über gefährlichen Narzissmus und warum Paul McCartney für ihn kein Freund ist. Ein großer Spaß. Dennoch fließen an einer Stelle Tränen.

Auch so kann ein Interview beginnen: Noch bevor man die erste Frage stellen kann, wird man aufgefordert zu singen. Michael Bublé heißt der Mann am anderen Ende der Zoom-Leitung. Genau, der mit dem Schmelz in der Stimme, diesem Timbre ... der Sinatra von heute. Also stimme ich, mit viel Gefühl, „Happy Birthday“ an. Und siehe da, Bublé gefällt’s, Applaus, Lachen. Der Sänger lacht gerne, und endlich hat er wieder Grund dazu. Sein Sohn Noah, bei dem mit drei Jahren Leberkrebs diagnostiziert wurde, gilt heute als gesund. Gut lachen hat Bublé auch, weil eben sein Album „Higher“ rauskam: Ein mit smarter Coolness und Gefühl aufgeladenes Werk, das mit drei eigenen Songs aufwartet und bei dem er sich erneut als großer Interpret gut ausgesuchter Klassikern beweist, von Sam Cooke über Paul McCartney bis Bob Dylan. Auch ein Duett mit Willie Nelson ist dabei. Im Gespräch ist der Sänger enthusiastisch, witzig, selbstbewusst.

Michael, im Video zum Song „I'll Never Not Love You“ spielen Sie romantische Szenen berühmter Liebesfilme nach, von „Casablanca“ bis „Love Actually“. Welche Rolle hat Ihnen am meisten Spaß bereitet?

„Die Braut des Prinzen“. Der Dreh machte großen Spaß. Das ganze Album aufzunehmen war eine Freude; die gesamte Familie war miteinbezogen. Ganz ehrlich, Mann: Ich habe die beste Platte meines Lebens gemacht. Und ich glaube, die Leute können das spüren. Pure Freude.

War das aufwendige Musikvideo Ihre Idee?

Das Konzept war so verrückt, dass mein Anwalt mir zehnmal schrieb und riet, ich solle es nicht machen. Auch mein Manager meinte: Bitte, tu das nicht. Es ist zu aufwendig, zu schwierig, es kostet zu viel. Es gab eine Million Gründe, es nicht zu tun.

Hat das keine Zweifel in Ihnen geweckt?

Es war mir egal. Ich war mir sicher, dass ich es tun musste. Also habe ich es einfach durchgezogen. Das gilt auch für das Video zu „Higher“. Ein weiteres Beispiel für meine Einstellung: Ich bin dankbar, dass ich am Leben bin – lass mich jede Sekunde davon genießen. Sie wollen die Wahrheit? Man hat mir gesagt: Du bist Sinatra, du bist Dean Martin, du bist Tony Bennett – du brauchst diesen ganzen Aufwand nicht. Sie meinten, du bist verrückt, Alter, warum tust du das?

Und, warum?

Weil ich es verdammt nochmal kann. Deshalb will ich es. Das ist der Grund. Weil ich lebe und das Leben gut ist und ich essen will und schmecken und leben und lieben – und all die Dinge tun will, die ich tun kann.

Ihre erste Single ist eine wunderbare Liebeserklärung an Ihre Frau. Auch sie schlüpft im Video in viele Rollen. Was aber macht sie für Sie so einzigartig?

Menschen, die äußerlich schön sind, sind es im Inneren meist nicht. Und wenn die Dinge sich zum Schlechten wenden und man die Chance hat herauszufinden, wer jemand wirklich ist, dann wird es interessant. Ich habe meine Frau von ihrer schlechtesten Seite erlebt, weil uns etwas aufgebürdet wurde, das sich die Leute niemals vorstellen können. (Bei Bublés damals dreijährigem Sohn Noah wurde 2016 Krebs diagnostiziert, heute gilt er als geheilt, Anm.) Und das Ergebnis ist: Sie ist die, für die ich sie gehalten habe. Sie ist meine Heldin, mein Fels und mein bester Freund. In meiner dunkelsten Zeit, als ich dachte, ich kann nicht mehr atmen, hat sie mich hochgehoben, mich aus meinem Tief rausgeholt und mir geholfen, wieder zu leben. (Pause) Fuck ...

Michael Bublé kommen die Tränen. Er senkt den Kopf, greift sich an die Augen, verdeckt mit der Hand sein Gesicht. Stille. Eine halbe Minute lang, gefühlt: eine Stunde.

Geht es Ihnen gut, alles okay?

Ja, danke. Das ist Liebe. Das waren alles Dinge, die ich auch zu meiner Frau gesagt habe. Die ich ihr jeden Tag sage.

Das ist das Beste, was man über einen Menschen sagen kann. Wenn man diesen Menschen dann noch seine Frau nennen darf, ist das doppelt so schön.

(Fängt sich wieder) Was ist nur los mit mir? (lacht) Oh, shit. Mann, ich war früher so stolz auf mich, weil ich so zäh war, nichts konnte mich umhauen. Und jetzt ...

Hat das, was Sie durchgemacht haben, manches in Ihrem Leben wieder in die richtige Dimension gerückt?

Es hat alles verändert. Es ist witzig, dass Sie das erwähnen. Man muss sich das wirklich immer wieder in Erinnerung rufen. Denn ich ertappe mich dabei, wie ich abrutsche, wie ich wieder in meinen Egoismus zurückfalle. Diesen Narzissmus, der einen dazu bringt, sich über die falschen Dinge Gedanken zu machen, während es doch eigentlich darum gehen sollte, die Kunst, die man macht, zu lieben, und die Menschen, für die man sie macht. Es geht nicht um Verkaufsergebnisse oder Kommentare auf Instagram. Erfolg? Die Rezension meiner neuen Platte im Rolling Stone? Ich muss das nicht lesen. Ich muss nur eines: von Herzen wissen, dass ich eine wunderbare Platte gemacht habe.

Gab es eine Zeit, in der Sie nachdachten, mit dem Musikmachen aufzuhören?

Ja, ich dachte, ich bin fertig. Wenn Sie mir vor fünf Jahren gesagt hätten, dass ich heute hier sitze, hätte ich es wahrscheinlich nicht geglaubt. Ich wollte keine Musik mehr machen. Ich wollte einfach nicht mehr. Mein Herz war ganz schön gebrochen. Heute also hier zu sein ist eine große Sache für mich.

Sie sind wieder so etwas wie: der Alte.

Als ich die Platte davor, 2018, machte, war ich noch im Überlebensmodus. Ich musste mich schützen, musste schauen, wie ich mich da durchbringe. Habe versucht, zu atmen. Jetzt bin ich geheilt. Und ja, ich bin ein glücklicher, glücklicher Mann.

Zur Person

Zur Person

Michael Bublé wurde 1975 in Kanada geboren. Er gilt als genialer Interpret von Swing-Klassikern,  auch eigene Songs (wie „Home“) sind Erfolge. Seine Alben verkauften sich 75 Millionen Mal, am   erfolgreichsten war sein Weihnachtsalbum. Er gewann vier Grammys. Verheiratet, drei Kinder: Noah, 8, Elias, 6, Vida, 3.

Was hat Ihnen geholfen, Ihre Karriere nicht an den Nagel zu hängen?

Keiner von uns kommt ohne Schmerz durch dieses Leben. Wir alle durchleben Momente, in denen wir uns fragen, worum es eigentlich geht. Man kann dann hoffentlich auf die Unterstützung seiner Familie bauen oder seinen Glauben. Was immer einem hilft, wieder auf die Beine zu kommen. Prinzipiell geht es darum: Nach dem Grund zu suchen, warum man tut, was man tut. Findet man den, reicht das, um wieder Kraft zu schöpfen. Und sich zurück ins Spiel zu bringen.

Paul McCartney produzierte einen Song. Hat es Sie nervös gemacht, mit so einer Legende zusammenzuarbeiten?

Wir sahen uns nicht das erste Mal. Paul ist schon vor vielen Jahren auf mich zugekommen, hat mich zu Konzerten eingeladen, er war auch backstage bei meinen. Er ist einfach ein wirklich herzlicher, liebenswerter Kerl. Ich glaube, wir begegnen uns auf Augenhöhe. So weit zu gehen, dass ich sage, wir sind Freunde, das würde ich mich niemals trauen.

Wie kam es zu der Kooperation mit dem legendären Alt-Beatle?

Sein Manager leitete seine Nachricht an mich weiter: Paul würde sich freuen, wenn ich seinen Song „My Valentine“ interpretieren würde. Wir schrieben also ein Arrangement und schickten das Demo an Sir Paul. Ich schrieb eine Notiz dazu: Hier ist meine Nummer. Sag mir, was du darüber denkst.

Offenbar gefiel ihm Ihre Interpretation.

Er rief mich an, und ich sagte, hör mal, ich will dich mit meiner Version nicht in Verlegenheit bringen. Ich könnte deine Hilfe wirklich gut gebrauchen, um daraus etwas echt Großartiges zu machen. Und so war es auch. Er brachte so viel Schwung in die Sache! Für den Song, aber auch für mich, meine Karriere. Was für ein wunderbarer Kerl. Ich hoffe, ich mache ihn stolz.

Ich möchte auch über Ihren Erfolg in sozialen Medien wie TikTok sprechen. Macht Ihnen das so viel Spaß, wie es aussieht, oder gehört das heute einfach dazu, wenn man Platten verkaufen will?

Ich liebe es, über mich selbst zu lachen. Ich habe große Freude an dieser Rolle. Und solange es Spaß macht und nicht beginnt, ein Job zu werden, mache ich damit weiter.

Purer Spaß an der Freud’ also?

Hören Sie, ich brauche es nicht. Was das Geschäft angeht, bringt es nicht wirklich etwas. Es verkauft keine Platten. Aber mir macht es Spaß. Ich schreibe die Sketches gemeinsam mit einer Freundin, die ich seit 20 Jahren kenne. Wenn wir die Clips schneiden, biegen wir uns bereits vor Lachen.

Und Leute werden zu Followern und Fans, die das vorher vielleicht nicht waren.

Ich liebe es, etwas zu kreieren. Wobei ich auf Trends immer viel zu spät aufspringe. Ich schere mich einen Dreck um Trends. Aber solange es lustig ist ... Wobei, was Follower angeht, tritt mir meine Frau ordentlich in den Hintern – und ich bin nicht glücklich darüber! Sie hat das Spiel mit Social Media besser drauf als ich und viel mehr Follower. Ich bin darüber sehr verärgert. (lacht)

Ihre Frau ist schwanger, Sie werden zum vierten Mal Vater. Wie fühlt sich das an?

Oh Mann, es ist das beste Geschenk aller Zeiten. Ich lerne eine weitere Liebe meines Lebens kennen. Und darf fasziniert zusehen, wie dieser Mensch wächst und lernt. Es ist das größte Privileg meines Lebens, auf meine Kids achtzugeben, und ich tue es mit gemeinsam mit meiner besten Freundin, meiner Frau. Kinder bringen Freude. Ich fragte meine Frau: ,Biiitte, können wir noch eines haben?’ Es ist ihr Körper, ihre Entscheidung. Ich war so glücklich, als sie zustimmte. Abgesehen davon mag ich den Teil mit dem Sex, was das Kinderkriegen betrifft.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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