Eva Rossmann

Frauen lieben Spannung: Krimi-Autorin Eva Rossmann im Interview

Die Bestseller-Autorin spricht im "freizeit"-Interview über weibliche Lust am Verbrechen. Und warum sie sich von Verschwörungstheorien nicht den Appetit verderben lässt.

Verfassungsjuristin, Journalistin, Talkshow-Moderatorin, Aktivistin, Kolumnistin – und ausgebildete Köchin: Eva Rossmann ist eine Frau mit vielen Talenten. Doch die größte Bühne hat sie sich als Autorin geschaffen: Seit über zwei Jahrzehnten lässt sie ihre scharfzüngige Ermittlerin Mira Valensky auf Mörderjagd gehen.

Im aktuellen Buch löst Mira bereits ihren 23. Fall – und kommt dabei gefährlichen Verschwörungstheoretikern auf die Spur. Im Gespräch mit der freizeit erzählt Eva Rossmann, warum Frauen besonders gerne Krimis lesen (und schreiben), was sie mit ihrer Heldin gemeinsam hat – und was Kochen mit Kontrolle zu tun hat.

Für den 23. Fall Ihrer Hobby-Detektivin Mira haben Sie im vergangenen Jahr den österreichischen Krimi-Preis erhalten, aktuell schreiben Sie an einem  Band mit kulinarischen Kurzkrimis. Worum wird’s da gehen?

Eva Rossmann

Erfolgsautorin Eva Rossmann besuchte die -Redaktion in der Muthgasse. Mit Andreas Bovelino sprach die studierte Juristin über ihren neuen Krimi, Ähnlichkeiten zu ihrer beliebten Ermittlerin Mira und die Gefährlichkeit von Verschwörungstheorien. Aber natürlich auch über ihre große  Leidenschaft: das Kochen.

©kurier/Wolfgang Wolak

Bei den vielen wunderbaren Facetten der Kulinarik ist auch so manches Mörderische dabei. Es macht großen Spaß, über gekränkte Sterneköchinnen, einen verfressenen Mafiosi-Anwalt, ein sardisches Giftkraut, von dem schon Homer erzählt oder Oktopusse, die sich rächen, zu schreiben.  Als Draufgabe wird’s ein paar Rezepte zu den Gerichten geben, die im Buch vorkommen. Warum das Buch „Wer fastet, stirbt länger“ heißt, hat konkret mit einer der Geschichten zu tun ...

Sie selbst sind ja gelernte Köchin!

Ja, ich habe damals für den Krimi „Ausgekocht“ recherchiert und so bei Manfred Buchinger in seiner „Alten Schule“ in Riedenthal kochen gelernt.

Aber dass Sie dann auch tatsächlich eine Kochlehre absolvieren, ist doch ziemlich ungewöhnlich, nicht?

Vielleicht, ja ... 

Aber: Eine g’scheite Lehre kann niemandem schaden – davon bin ich überzeugt. Und in meinem Fall war’s eben so, dass in manchen Medien gesagt wurde, dass ich mich nur wegen  der Publicity in die Küche stell. Was tatsächlich nicht gestimmt hat, ich habe dort geschwitzt und mich verbrannt und hatte Stress – aber auch ganz einfach Freude an der Arbeit. Und so wollte ich dann Nägel mit Köpfen machen, hab eine Kochlehre gemacht und bin richtig stolz darauf, Köchin zu sein! 

Ein sehr fordernder Beruf ...
Ja sicher. Aber nennen Sie mir einen tollen Beruf, der nicht fordernd ist! Wenn man einen Beruf liebt, dann tut man auch alles dafür. Viele „Nine-to-Five“-Jobs sind natürlich nicht so, dass man sagt „wow, wie toll, ich geh da voll drin auf“, das ist schon klar.  Dann sucht man sich abseits des Berufs Beschäftigungen, in denen man „aufgeht“. Es muss halt passen.
Eva Rossmann

Auf einem Literatur-Festival  hat Eva Rossmann ihre Liebe zu Sardinien entdeckt. Heute lebt und schreibt sie im Winter auf der Mittelmeer-Insel

©kurier/Wolfgang Wolak

Mira kocht beinahe so leidenschaftlich wie Sie, auch wenn sie keine Kochlehre gemacht hat. Werden Sie im Gegenzug anfangen zu singen, so wie Ihre Heldin das im letzten Buch getan hat?

(lacht) Nein, definitiv nicht! Das kann ich niemandem antun. Ich kann so etwas von nicht singen. Und die Vorstellung, auf einer Bühne zu stehen und singen zu müssen ist ein Albtraum für mich.

Sie wirken nicht wie eine Frau, die sich etwas nicht traut.

Ich trau mich auch ganz wenig nicht. Aber in der Öffentlichkeit singen gehört zu diesen Dingen. Man muss sich doch auch selbst ein bissl einschätzen können, denke ich.

Zurück zu  Mira Valensky, die seit über zwanzig Jahren für Sie auf Verbrecherjagd geht: Wie viel von Ihnen steckt noch in ihr?
Weniger als viele glauben. Wenn man so eine lange Serie macht, nehmen viele Leser an, die Personen des Autors und der Hauptfigur seien praktisch ident. Aber das ist nicht so. Für mich ist sie eher eine gute Freundin. 

Wie viele Freiheiten geben Sie Ihren Figuren? Hat Mira auch schon Dinge gemacht, mit denen Sie nicht ganz einverstanden waren?

Ich glaube, das ist ein weit verbreitetes Gerücht, dass Romanfiguren ein extremes Eigenleben entwickeln. Das wäre ja praktisch, dann bräuchte ich mich nur hinsetzen und  Mira machen lassen!

Ganz so einfach ist es also nicht?

Nein ... (lacht) Wobei, manchmal, wenn ich Dialoge schreibe, kommt es mir beinahe vor, als hätte ich das Gespräch gerade gehört und dann nur aufgeschrieben. Also ja, das passiert ... Aber im Großen und Ganzen bin ich schon Herrin meiner Figuren. 

Sie wissen also auch von Anfang an, wer der Mörder ist?
Hm ... Wenn ich  zu schreiben beginne, dann schon. Während der Vorarbeit nicht unbedingt. Und auch während des Schreibens hat sich das schon mal geändert. 
Ah, das hatte ich mit den Freiheiten der Figuren gemeint!

Gut, das passiert, manchmal scheren sie dann sogar so weit aus, dass ich den Entwurf neu schreibe. Mag ich zwar nicht unbedingt, aber wenn’s so ist, ist's halt so ...

Im Buch taucht eine interessante Figur auf, so an  der Kippe zwischen kritischem Warner und Verschwörungstheoretiker. Wo liegt die Grenze?

Die ist fließend. Und das ist genau die G'schicht dahinter. Das große Problem ist ja, wenn du dich sehr intensiv mit einem Thema beschäftigst, kann das manisch werden. Alles dreht sich nur noch darum, und dann ist es zu einer verengten Weltsicht nicht mehr weit. Und dieses Problem haben auch Menschen, die toll und engagiert sind, dass ihre Sicht der Dinge irgendwann so eng wird, bis sie sonst nichts mehr sehen – und an der Welt verzweifeln. Und dann ist es zur Verschwörungstheorie gar nicht mehr weit.

Was oft zur „Spaltung der Gesellschaft“ führt.  Dass es Extremisten jeder Richtung genau darum geht, ist klar. Die Frage ist: Warum sind sie so erfolgreich?

Gäbe es darauf eine konkrete Antwort, könnte man erfolgreich versuchen, genau das zu verhindern. Es gibt allerdings viele Antworten, eine hab ich versucht, ins Buch einzubauen: Es gibt immer mehr Menschen, die sich „abgehängt“ fühlen. Die suchen einen Rächer, der sich, angeblich für sie, über das Gesetz stellt. Der vorgibt, gegen die Obrigkeit zu kämpfen, sich „was traut“. Dem laufen sie dann gerne nach, weil er ihrer Fantasie fürs eigene Leben entspricht.

Eva Rossmann

Eine Frau, die sich sehr viel traut: Eva Rossmann

©kurier/Wolfgang Wolak

Wobei „sich zu empören“ per se ja nichts Schlechtes ist.

Genau. Die Frage ist immer: Wo sind die Grenzen? Bin ich nur mehr wütend auf „das System“ oder kann ich benennen, was mich ärgerlich macht? Nur stinkig zu sein, selbst aus besten Gründen, wird nichts bringen. 

Zurück zum Krimi: Die Statistik sagt uns, dass vor allem Frauen Krimis lieben. Woran liegt das?

Prinzipiell glaube ich, dass Frauen immer noch mehr lesen als Männer. Mit Krimis ist es meiner Meinung nach so, dass Frauen eben  Stoffe lieber haben, die näher am Leben dran sind. Ein Verbrechen in einem vertrauten Milieu ist  greifbarer als spektakuläre Verfolgungsjagden, brutale Massenschießereien und andere Gewaltexzesse. Und dann ist da natürlich die Herausforderung, ein Rätsel zu lösen, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Dinge zu entwirren. 

Das Rätsel ist es also?

Ja, und ich glaube auch, dass Buben auf der anderen Seite auch heute noch immer so erzogen werden, dass Kampf und Stärke die wichtigen Dinge sind. 

Man tritt also die Tür auf und fängt mal an zu ballern?

Genau, Kampf ist notwendig zur Konfliktlösung. Bei klassischen Krimis steht der allerdings nicht so im Vordergrund. Ich kenne allerdings recht viele Frauen, die auch Thriller sehr mögen. Da kommt's vielleicht drauf an, wie er gemacht ist, welche Mittel eingesetzt werden. Spannung per se ist ja nichts, was Frauen NICHT mögen.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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