Vollgas in den zweiten Frühling

Von Peter Kraus bis Chris Lohner: Prominente gehen nicht in Pension, sondern starten mit zweiten Karrieren neu durch.

Den Mann zeichnet eine gewisse Rastlosigkeit aus. „Ich muss immer was unternehmen“, sagt uns Peter Kraus. „Die Ruhe und der Frieden, Zurückziehen und Ausruhen, das liegt mir nicht.“ Dem Sänger liegt der Rock ’n’ Roll in Fleisch und Blut. Die eine Hand an der Gitarre, die andere am Mikrofon, auf den Lippen „Sugar Sugar Baby“. So kennen wir ihn. Seit unglaublichen 60 Jahren hält die Karriere des „deutschen Elvis“ schon an. Fünf Abschiedstourneen hat er bereits hinter sich. Die sechste, geplant für kommendes Jahr, soll für Kraus – nun aber wirklich – die letzte sein.

So jemand dreht auch in seiner Freizeit nicht Däumchen. „Ich sitze nicht da und blättere in meinen Fotoalben“, lacht der ewig Junggebliebene. „Das ist etwas, das ich, glaube ich, nie machen werde.“ Deswegen gibt es Peter Kraus mittlerweile auch zu trinken: 2017 präsentierte er seinen ersten eigenen Wein. Einen Gelben Muskateller vom Ried Labitschberg, abgefüllt von seinem Freund, dem Winzer Manfred Tement.

Gesang und Gelber Muskateller

Gesang und Gelber Muskateller

Schon mit 15 spielte Peter Kraus in „Das fliegende Klassenzimmer“. Auch die Musikfilme mit Conny Froboess hatten großen Erfolg, und mit Liedern wie „Wenn Teenager träumen“ sorgte der Rock ’n’ Roller für Kreischalarm. Auf der Bühne ist der 83-Jährige weiter aktiv. Er wohnt im Tessin in der Schweiz und in der Südsteiermark, woher auch sein eigener Wein stammt.

In Gamlitz an der südsteirischen Weinstraße hat der Sänger einem Freund, mit dem er früher Rallyes fuhr, vor zehn Jahren ein altes Bauernhaus abgekauft und es renoviert. „Für meine Frau und mich war immer klar, dass wir einmal nach Österreich zurückkehren.“ Dabei: ein Weingarten von 7.500 Quadratmetern Größe und mit 3.000 Rebstöcken. „Ich fühle mich sehr wohl hier“, so Kraus. Bei der Weinlese packt er höchstselbst mit an. Der Wein? „So jung und lebendig, ganz wie der Peter“, sagt Winzer Tement.

Eigenschaften, die auch bei anderen Promis die Zeit nach der aktiven Karriere treffend beschreiben. Sich mit der bisherigen Lebensleistung zufriedenzugeben reicht vielen nicht mehr. Sie frönen ihren Leidenschaften, schlagen eine zweite Laufbahn ein. Und die ist nicht selten diametral zur ersten.

Als KInd half Gerhard Zadrobilek in einer Landwirtschaft, heute nennt er 40 Kobe-Rinder sein eigen – „die Erfüllung eines Traumes“

©Ian Ehm / Verlagsgruppe News / picturedesk.com/Ian Ehm/picturedesk.com

Wie bei Gerhard Zadrobilek. Einst begeisterte er als Österreichs erfolgreichster Radrennfahrer. Heute glänzt der 60-Jährige als Landwirt – und züchtet in Laab im Walde Kobe-Rinder der japanischen Rasse Wagyu, bekannt für ihr besonders hochwertiges Fleisch. Mit dem Radsport hat er abgeschlossen. 16 Jahre lang auf Reisen, davon hatte er genug. „Ein Zuhause haben, Heimat, Natur: Das waren Themen, die eine immer stärkere Bedeutung für mich bekommen haben.“

Vom Rad zum Rind

Vom Rad zum Rind

14 Jahre lang war Gerhard Zadrobilek im Profiradsport im Sattel unterwegs. Unter anderem kann er auf Erfolge als jüngster Sieger der Österreich-Rundfahrt, den Gewinn des Weltcuprennens in San Sebastian und den vierzehnten Platz bei der Tour de France verweisen. Als einziger Athlet weltweit gewann Zadrobilek sowohl Straßen- als auch Mountainbike-Rennen. Heute arbeitet der 60-Jährige als Wirtschaftscoach und Motivationstrainer. Und er ist Landwirt und Züchter von Kobe-Rindern der Wagyu-Rasse.


 

Rallye-Legende Franz Wittmann und Livingstone-Wirt Peter Rössler brachten ihn auf den Geschmack hoher Fleischqualität. Gegen allerlei Widerstände (Motto: „Brauch ma ned“) setzte Zadrobilek sein Zucht-Vorhaben durch und strafte die Neider Lügen. Er wurde der erste Wagyu-Züchter Österreichs, schuf sich mehr als ein zweites Standbein. „Ich habe das Gefühl, ich bin angekommen.“ Sein Fleisch findet vor allem private Abnehmer. Kommt etwas aus seiner Zucht auf den Tisch, ist das quasi Feiertagsessen. Zadrobilek: „Ich habe in der Genusswelt Fuß gefasst und das ist ein schönes Erfolgserlebnis.“

Schwingt jetzt den Pinsel anstatt des Kochlöffels: Der Osttiroler Alois Mattersberger in seinem neuen Element – dem Atelier

©Kurier/Deutsch Gerhard

Solches bietet auch die Kunst, wenngleich vielleicht anderer Emotion. Alois Mattersberger verzeichnet seit 2004 als Maler in diesem Metier neue Erfolge. Auch sein Umstieg ist bemerkenswert: Als Koch erkochte er sich zwei Gault-Millau-Hauben. Im ORF war er mit Österreichs erster täglicher Kochshow „Frisch gekocht ist halb gewonnen“ wohlbekannt. Heute steht er im Atelier statt am Herd. Sein Ziel sei, „mit kräftigen Farben Lebensgefühle darzustellen“, sagte er einmal, „Freude, Zuneigung, Liebe, Erotik, Gelebtes, Fantasien – aber auch Ängste und Trauer“.

Erst Küche, dann Kunst

Erst Küche, dann Kunst

Haubenkoch Alois Mattersberger, 61, präsentierte von 1999 bis 2003 mit „Frisch gekocht ist halb gewonnen“ die erste tägliche Kochshow des österreichischen Fernsehens. Seit 2004 ist er Maler und setzt seine Arbeiten etwa mit Acryl und Kohle in Szene. Thema: „Lebensgefühle“.
 

Auch Chris Lohner hat in der Kunst ungeahnte Erfüllung gefunden. Der Schauspielerin hat es allerdings die Fotografie angetan. Dass es sich bei ihren Arbeiten um Naturaufnahmen handelt, ist auf Anhieb nicht erkennbar: Die Bilder vertiefen sich bis zur Unkenntlichkeit ins Detail von Holz oder Wasser.

Abstrakt: Bei ihren Spaziergängen fotografiert Chris Lohner die Natur. „Details haben mich immer fasziniert, weil man sich das Ganze dazudenken kann“

©Andreas Lepsi / picturedesk.com/Andreas Lepsi/picturedesk.com

„Mir gefällt, dass jeder etwas anderes in den Fotos sieht“, erklärt uns Lohner. „Das tut gut, in einer Zeit, in der unser aller Fantasie doch recht verkümmert. Alles wird einem fertig serviert, in nichts kann man mehr etwas hineingeheimnissen.“

Foto zur Stimme

Foto zur Stimme

Chris Lohner, 78, war langjährige Moderatorin beim ORF, ist Schauspielerin („Kottan ermittelt“), Autorin und tritt mit ihren Bühnenprogrammen  auf. Zudem ist die Frau mit dem roten Pagenkopf die wohlklingende Stimme der ÖBB. 2018 präsentierte Lohner ihre erste Fotos-Ausstellung: „Findungen“.

Wagnisse einzugehen und Neues zu entdecken sind für Lohner selbstverständlich. „Ich erfinde mich gerne immer wieder neu“, verrät sie. „Jemand, der sich auf seinen Lorbeeren ausruht, war ich noch nie.“

Ein Erfolgsrezept, das vor allem eines zu garantieren scheint: einen zweiten Frühling, der niemals endet.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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