Alles Walzer: Wie Tanzen Lust auf Sex macht
Der Fasching ist bald zu Ende, macht aber nichts, weil: Ein paar Takte tanzen geht immer, zu zweit, aber auch alleine.
Und aus! Ein paar Walzerdrehungen noch, dann ist die Ballsaison 2024 wieder Geschichte. Kurzer Fasching, richtig – was aber keineswegs bedeuten sollte, dass das Vergnügen ruckartig ein Ende haben muss, zumal Aschermittwoch und Valentinstag heuer zusammenfallen. Ein gutes Omen – und Aufruf, nicht nur das Bein, sondern sich selbst schwingen zu lassen.
"Tanzt! Tanzt! Sonst sind wir verloren“, lautet ein Zitat der berühmten Tänzerin und Choreografin Pina Bausch. Ein schönes Motto für das gesamte Jahr – denn nur weil’s im Kalender steht, muss niemand damit aufhören, sich tanzend zu erfahren. Weil diese Form von Bewegung lebendig macht – und Lust erzeugt. Auch auf Sex, im besten Fall. Menschen, die miteinander tanzen, erleben so etwas wie eine angedeutete Vereinigung, sie transpirieren gemeinsam, sie atmen gemeinsam, sie schwingen gemeinsam.
Nein, keine Sorge: Das Tänzchen mit dem Chef oder Arbeitskollegen ist selbstverständlich keine Aufforderung zum Geschlechtsverkehr. Doch wer mag, kann Tanzen oder tanzende Bewegungen als Brücke zu seinem erotischen Ich verstehen – im Sinne von Körper- und Selbstwahrnehmung. Wer tanzt, fühlt – sich selbst im Raum – allein, aber auch gemeinsam mit anderen Tanzenden. Da ist Spannung, da ist Rhythmus, da fließen Bewegungen und Atem. Das pure Erleben und Leben, so viel Sinnlichkeit.
Wer tanzt, fühlt – sich selbst im Raum – allein, aber auch gemeinsam mit anderen Tanzenden. Da ist Spannung, da ist Rhythmus, da fließen Bewegungen und Atem. Das pure Erleben und Leben, so viel Sinnlichkeit.
Dazu die Musik als lautmalerisches Aphrodisiakum. Sie ermöglicht, dass Menschen, sich im Takt oder einfach nur so im Flow bewegend, den Fokus auf den Körper, die Wahrnehmung der Sinne und die Sinnlichkeit legen können. Ohne viel nachzudenken und sich den Kopf zu zerbrechen. Und das braucht’s in einer Ära verkrampfter Selbst- und Leistungsoptimierung sowie Zielorientierung als Signal mehr denn je. Wer sich und seinen Körper zu Musik, die er mag, bewegt, wird Momente von Zeitlosigkeit erfahren.
Für Paare ist das mehr als nur eine Pflichtübung auf dem Parkett. Ihr Tanz wird zum Wechselspiel von Yin und Yang. Am Ende braucht’s dafür aber gar keinen Zweiten. Auch das Solo ist magisch, der Tanz mit sich selbst, gedanken- und schwerelos. Für erwähnenswert halte ich da die Masterarbeit der deutschen Sexologin Christin Gemoll, die ich bei der Recherche entdeckt habe.
Sie untersuchte die Einflussnahme choreografierten Tanzes auf die weibliche sexuelle Selbstsicherheit. Dafür wurden Frauen choreografisch angeleitet, über einen begrenzten Zeitraum zu tanzen – als Möglichkeit, sich dem eigenen Körper positiv anzunähern. Die Ergebnisse sind beeindruckend. So wurde etwa das Tanzen in Bodennähe von manchen Teilnehmerinnen mit einem erhöhten Sicherheitsgefühl in Verbindung gebracht, was mehr Raum schuf, für sie selbst, für die eigene Weiblichkeit. Fließende Bewegungen oder Drehungen wurden als feminin eingestuft, allgemein förderten die natürlichen Bewegungen und Abläufe im Tanz eine intensivere Wahrnehmung der eigenen Weiblichkeit. Die Frauen fühlten sich danach selbstsicherer und empfanden mehr Lust am eigenen Sein, das Wissen um den eigenen Körper wuchs.
Alles in allem ein Türöffner, um sich neu, anders und vielleicht auch sinnlicher zu erfahren. Und vor allem richtig – in diesem Körper, mit diesem Ich. Was superwichtig ist, wenn’s um das Erleben der eigenen Lust geht. „Die Teilnehmerinnen entwickelten ein Verständnis dafür, dass keine ihrer Bewegungen falsch ist“, schreibt Gemoll. Und das ist für mich fast die wichtigste Erkenntnis ihrer Arbeit.
Alles Walzer II
Der Walzer, ursprünglich volkstümlicher „Drehtanz“ und schließlich, Ende des 18. Jahrhunderts, die fröhlich getanzte Antwort des Bürgertums auf starr-konventionelle Tanzpraktiken der Aristokraten. 60 Takte pro Minute, voller Gefühle, also abseits von Contenance, daher verpönt. Und verboten, weil der weibliche Fußknöchel dabei zu sehen war. Der Wiener Kongress, 1814/15 änderte alles – wie gut .
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