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Von der Syphilis zum Safe Sex: Wiener Narrenturm räumt mit Mythen auf

Eine neue Sonderschau widmet sich dem Thema „Geschlechtskrankheiten“ und „Safe Sex“. Wichtiger denn je – weil dazu immer noch zahlreiche Mythen und Missverständnisse kursieren.

Safe Sex: Comeback der Geschlechtskrankheiten“: Klingt ein bisserl nach mittelalterlichem Fluch für sündiges Schnackseln oder nach Gesundheitskampagne aus den 1980ern. Ist aber der Titel einer aktuellen Sonderausstellung im Wiener Narrenturm – und leider ziemlich zeitgemäß. Denn was viele für ein Relikt aus Großmutters Zeiten halten, ist gerade wieder auf dem Vormarsch: sexuell übertragbare Infektionen (STIs). Anhand historischer Präparate werden unterschiedliche Krankheitsbilder gezeigt und erklärt. 

Gut so. Zumal einiges zurechtgerückt werden muss. Wer heute an Syphilis, Tripper & Co denkt, hat oft ein falsches Bild: War mal schlimm, ist heute harmlos und eh irgendwie kein Thema mehr. Schon gar nicht für mich! Einerseits ist da was dran, andererseits auch wieder nicht.

Viele STIs sind mittlerweile gut therapierbar, dennoch kursieren zahlreiche Missverständnisse. Vor allem, was die Verbreitung betrifft. Viele, die lustvoll schnackseln, haben keine Ahnung, dass die Fallzahl der Geschlechtskrankheiten auch in Europa kontinuierlich zunimmt. Am eindrücklichen Beispiel Gonorrhoe: Die Erkrankung ist um über 300 Prozent seit 2014 gestiegen, dazu kommen vermehrte Fälle von Syphilis oder Chlamydien.

Mythos: „Mit der Pille bin ich geschützt.“ Klar, vor einer Schwangerschaft, aber nicht vor einer Ansteckung. Am Ende bieten nur Kondome einen veritablen Schutz vor einer Übertragung. Und dann noch dieser Evergreen aus dem Sparefroh-Universum: „Kondome kann man mehrfach verwenden.“ Nein. Einfach nein.

Und HIV? Ist zwar mittlerweile gut behandelbar, aber Betroffene müssen in der Regel ein Leben lang Medikamente nehmen. In der Ausstellung wird daher ein besonderer Fokus auf Aufklärung und Prävention gelegt, Motto: Behandlung gut, Vorbeugen besser. Und nur so: STIs können jede Person treffen, unabhängig von Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung und sozioökonomischem Status.

Das zentrale Problem: Das Unwissen ist groß. Zahlreiche Studien zeigen, dass viele Menschen völlig falsche Annahmen zu Themen wie Ansteckung, Schutz und Behandlung haben, obwohl man ja „so aufgeklärt“ ist. Die Klassiker: „Klar merke ich, dass ich sowas habe …“ Nix da. 

Viele STIs verlaufen ohne Symptome oder nur mit unspezifischen Beschwerden. Am Ende bringt nur ein Test Gewissheit. Weiters: „Nur die Promiskuitiven bekommen sowas.“ Nope. Jeder sexuell aktive Mensch kann betroffen sein, auch in monogamen Beziehungen. Mitunter reicht ein ungeschützter Kontakt – und: zack. 

Schließlich wäre da noch dieser Sager: „STIs betreffen eh nur die Jungen und Unvorsichtigen.“ Nein, die treten in allen Altersgruppen auf, auch bei Menschen über 50. Ebenso eine tückische These. „Mit der Pille bin ich geschützt.“ Klar, vor einer Schwangerschaft, aber nicht vor einer Ansteckung. Am Ende bieten nur Kondome einen veritablen Schutz vor einer Übertragung. Und dann noch dieser Evergreen aus dem Sparefroh-Universum: „Kondome kann man mehrfach verwenden.“ Nein. Einfach nein.

Und wie begegnet man dem? Bitte nicht mit PowerPoint-Folien, Gänsehaut-Bildern oder Belehrung im „Das darfst du nicht“-Modus. Jugendliche – und ehrlich gesagt auch Erwachsene – reagieren darauf mit maximalem Augenrollen. Besser: Augenhöhe statt Zeigefinger. Kein moralinsaurer Ton, sondern ehrliche Botschaften, in Sprache, die verstanden wird – und hängen bleibt. 

Basis sind die Jungen, die ins wunderbare Reich von „Intimität, Nähe, Lust“ gleiten. Die mit dem erhobenen Zeigefinger und Betroffenheitsblick auf unerwünschte Erreger aufmerksam zu machen, ist maximal unsexy. Also weg mit der Moralkeule, her mit Augenhöhe. Beispiele dafür gibt es einige – wie etwa die „Hautnah“-Kampagne in Deutschland, 2021, mit eindeutig-witzigen Sprüchen: „Socken aus! Kondom an!“, „Mein Date juckt mich noch immer.“ Oder: „Oben ohne. Unten mit.“

Zahlen & Fakten

„Big Five“ – so werden die wichtigsten Geschlechtskrankheiten in Europa genannt: Syphilis, Gonorrhoe, Chlamydien, Hepatitis und HIV. Laut aktuellen Untersuchungen des ECDC (European Center of Disease Control) ist die Zahl der sexuell übertragbaren Infektionen (STIs) wieder im Steigen begriffen. Schätzungen der WHO zufolge kommt es europaweit  zu zirka einer  Million Übertragungen – täglich.  

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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