Warum eine Umarmung das beste Mittel gegen Stress ist

Körperliche Nähe ist ein menschliches Grundbedürfnis. Sie streichelt nicht nur das seelische Wohlbefinden, sondern zahlt sich auch auf gesundheitlicher Ebene aus.

Heute schon gestresst gewesen? Die meisten würden die Frage vermutlich bejahen, denn Stress ist zum festen Bestandteil der modernen Welt geworden. Das Gefühl hat sich so in der Gesellschaft etabliert, dass es inzwischen von Statistiken als eine der größeren Gesundheitsrisiken aufgeführt wird.

Der österreichische Zahlenspiegel aus dem Jahr 2022 befasst sich unter anderem derartigen Risiken am Arbeitsplatz. Laut Datenauswertung leiden 40 Prozent der Erwerbstätigen unter starken Zeitdruck und Arbeitsüberlastung. Fünf Prozent von ihnen gaben außerdem an, dass sie Stress als schwerwiegendste arbeitsbedingte Einschränkung ansehen.

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Um dem Gefühl Herr zu werden, greifen einige auf Medikamente zurück. Doch das muss nicht sein. Zumindest laut wissenschaftlichen Untersuchungen. Die haben nämlich herausgefunden, dass eine einfache Umarmung Stress lindern kann.

Stress ist nicht gleich Stress

Um Stress zu verstehen, muss man das Gefühl auseinandernehmen. Da gibt es einmal den positiven Stress namens Eustress und den negativen Stress mit Namen Distress. Eustress kann in gewissen Situationen euphorisch machen, sodass man aus der Anspannung Energie gewinnt. Der positive Stress führt zu einer Steigerung der Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit. Unwichtiges wird ausgeblendet und Leichtigkeit kann sich breit machen.

Distress hingegen ist eine Belastung für den Körper. Der Adrenalinspiegel und Blutdruck sind über einem längeren Zeitraum auf hohem Niveau und fallen genauso rapide, wie sie anstiegen. Die Energie verharrt im Körper und findet sich kein Ventil, kann das zu Erkrankungen wie Burnout führen.

Textnachrichten und Speichelproben

Distress über einen längeren Zeitraum macht also krank. Um das Problem noch weitreichender zu erforschen, haben Wissenschaftler der Brigham Young University in Provo eine Studie durchgeführt, die sich darauf konzentrierte, den Effekt von Umarmungen auf das Stressgefühl zu untersuchen. 

Insgesamt meldeten sich über 100 Teilnehmende für die Studie, die mittels der Technik des Ecological Momentary Assessment (EMA) befragt wurden. Die Probanden erhielten fünf Textnachrichten von den Wissenschaftlern mit der Frage, ob sie sich an drei verschiedenen Tagen jeweils drei Stunden lang umarmten oder nicht. Somit gab jeder Teilnehmende maximal 15 Mal Auskunft über seine Umarmungsgewohnheiten.

Außerdem erhielten die Probanden Probesets, um Speichelproben bereitzustellen, die zur Messung der Stresshormone dienten. Entnommen wurden sie nach dem Aufwachen und nochmals 30 Minuten später.

Cortisol

Cortisol ist ein Stresshormon. Sogar eines der wichtigsten des Menschen. Es wird in den Nebennieren produziert und kann viel Gutes für den Körper tun. Dank Cortisol ist der Mensch belastbar. Doch schüttet der Körper zu viel des Stresshormons aus, kann sich der positive Effekt umkehren. Dann wird aus gutem Stress schlechter und zur Belastung.  

Cortisol wird im Laufe des Tages nur unregelmäßig ausgeschüttet. Doch typischerweise sind nachts die Werte niedriger und steigen erst am Morgen wieder an. Mithilfe der zeitlich versetzten Speichelproben konnten auf diesem Weg die sogenannten CAR (Cortisol Wakening Response) ermittelt werden. 

Umarmungen helfen gegen Stress

Die Wissenschaftler konnten tatsächlich einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Umarmungen und dem CAR feststellen. So hatten die Probanden, die mehr Umarmungen meldeten, am nächsten Morgen auch einen statistisch signifikant niedrigeren Cortisol-Wert im Vergleich zu all jenen, die Körperkontakt meldeten – und das sowohl bei Männern als auch Frauen, egal wie alt sie waren.

Was heißt das nun? Ja, Umarmungen reduzieren den Stresshormonspiegel. Und verbessern somit das Wohlbefinden. Die Forschenden vermuteten, dass Umarmungen eine Art biologisches Sicherheitssignal sind. Auf jeden Fall verdeutlicht das Ergebnis die Bedeutung liebevoller Berührungen auch außerhalb eines romantischen Kontextes. 

Die Wichtigkeit menschlicher Nähe

Das Studienergebnis knüpft an vorangehende Forschungen an und bestärken sie darin, dass körperliche Nähe unersetzbar ist. Das liegt unter anderem daran, dass bei angenehmen Berührungen Botenstoffe, auch Glückshormone genannt, ausgeschüttet werden. Dazu zählen Oxytocin, Dopamin und Serotonin.

Aber auch die Sensibilität unserer Haut als Sinnesorgan ist nicht zu unterschätzen. 

Spannend bei diesem Thema ist: Nicht nur die Berührung von einem anderen Menschen setzt Oxytocin frei. Auch beim Streicheln oder Umarmen eines Tieres strömt der Botenstoff aus. Und sogar das Umarmen eines Baumes kann eine ähnliche Wirkung haben. 

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