Nach Shiffrins Zyklus-Sager: Wie Athletinnen ihre Hormone nutzen können

Mikaela Shiffrin will es normalisieren, über den weiblichen Zyklus zu sprechen. Warum die Hormone nicht immer nur Störfaktor sein müssen.

Mikaela Shiffrin ist nicht die erste, die es laut ausspricht. Aber eine der Prominentesten. Sie sei unfassbar müde, sagte die US-Amerikanerin nach ihrem zweiten Sieg am Kronplatz am Mittwoch – noch müder, weil sie sich in einer "ungünstigen Phase" ihres Zyklus befinde.

Die 27-Jährige wolle "normalisieren", über dieses Thema zu sprechen, sagt sie. Eisprung, PMS, Menstruation – all das kann die Leistungsfähigkeit von Athletinnen beeinflussen, ihre Verletzungsanfälligkeit, ihren Schlaf und damit die Regeneration. Und, nein, dabei geht es nicht nur um Bauchschmerzen.

Nicht nur "normal", sondern Teil ihres Berufes ist das Thema für Astrid Mathy. Die Sportwissenschafterin am Institut Leistungssport Austria forscht zum Thema Zyklus und Leistungssport. Sie habe sich über Shiffrins Aussage gefreut, sagt Mathy. Der weibliche Zyklus sei in vielen Bereichen immer noch Tabuthema, und es sei wichtig, dass ein Vorbild wie Ausnahme-Athletin Shiffrin zur Enttabuisierung beiträgt.

Tabuthema

Viele hätten die Aussage der US-Amerikanerin auch falsch verstanden. Hatte sie ihre Periode und war deshalb müde? "Es gibt eine grobe Einteilung des weiblichen Zyklus – der der Einfachheit halber meist mit 28 Tagen angegeben wird – in Phasen", sagt die Wissenschaftlerin. Die Phasen und der damit verbundene Hormonstatus wirken sich unterschiedlich auf die Leistungsfähigkeit der Athletinnen aus.

©Kurier Grafik/Ortega

Grundsätzlich fällt mit Tag eins des Zyklus, also der Menstruation, die hormonelle Belastung ab, sagt Johanna Novak, selbst Triathletin, Trainerin und Expertin für das Thema zyklusbasiertes Training. "Im Grunde wären hier Höchstleistungen möglich", aber Schmerzen oder Unwohlsein kommen bei vielen Frauen als limitierende Komponenten dazwischen. Während der Periode sei die hormonelle Belastung "der eines Mannes am ähnlichsten".

Bis nach dem Eisprung in der Mitte des Zyklus steigert sich die Leistungsfähigkeit. Das ist gut auch in der Trainingssteuerung zu nutzen. Die weiblichen Hormone hätten in Bezug auf Leistungsfähigkeit einen schlechten Ruf, sagt Mathy, "dabei macht uns Östrogen eigentlich stärker", weiß die Sportwissenschaftlerin.

Mit dem sinkenden Energielevel nach dem Eisprung empfehlen die Expertinnen, auf die Hormone zu reagieren, grundlegenderes Training zu wählen, Kraftausdauer, Koordinationstraining und niedrigere Intensität. Vor der Regel steige die Verletzungsanfälligkeit. Weiß man das als Athletin, kann man besser damit umgehen.

Auch beim ÖSV Thema

Die Frauenbeauftragte im ÖSV, Petra Kronberger, begrüßte die "mutige" Aussage von Mikaela Shiffrin. "Ich war überrascht, dass Mikaela Shiffrin offen und ehrlich darüber spricht, da das Thema noch immer tabuisiert wird." Dabei werde es "immer mehr zum Thema", auch im österreichischen Skiverband. "Die Athletinnen stellen vermehrt Fragen. Es gibt Betreuer und Betreierinnen, die sich intensiv damit auseinandersetzen."

"Den Wettkampfkalender der Athletinnen können wir natürlich nicht beeinflussen", sagt Wolfgang Schobersberger, Referatsleiter Medizin beim ÖSV, "sehr wohl aber die Trainingssteuerung". Er erklärt: "Die Idee dabei ist, das Konditions- und Krafttraining individuell auf den Zyklus abzustimmen, um einen adäquaten Trainingsreiz zu setzen und damit eine optimale Leistungsfähigkeit zu gewährleisten."

Schobersberger, Mathy und Novak bemängeln allerdings die Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Studien zu dem Thema. "Sport ist – kulturell und historisch bedingt – eine männliche Sache", sagt Mathy. Zudem seien im Männersport um ein Vielfaches mehr Medien, Geld, Sponsoren vertreten. "Viele Frauen machen Spitzensport nebenberuflich, sie hätten gar nicht die Zeit, vor dem Training zur Blutabnahme für eine Studie zu gehen, weil sie da einfach gerade arbeiten." Frauen waren daher in sportwissenschaftlichen Studien jahrelang unterrepräsentiert.

Schwächen zeigen

Grundsätzlich werde aber immer mehr erkannt, dass Zyklus nicht mehr nur ein Störfaktor ist, sondern auch zur Trainingssteuerung genutzt werden kann. Das sagt auch die Sportpsychologin Friederike Michlmayr. "Es gibt immer mehr Interesse, auch von Trainerseite. Sie erhoffen sich, mit dem Wissen vielleicht eine Leistungssteigerung erzielen zu können." Gleichzeitig sei es schwierig für viele Athletinnen, über das Thema zu sprechen. Vielleicht auch, weil ihre Trainer mehrheitlich Männer sind, vermutet Mathy. Michlmayr hat eine andere Erklärung: "In bestimmten Zyklusphasen hat man Schmerzen oder ist weniger leistungsfähig – Schwächen zu zeigen passt aber nicht in die Sportwelt."

Doch Mathy hat positive Erfahrungen am Leistungssportzentrum in der Südstadt gemacht: „Mädchen und Trainer sprechen immer offener über das Thema“, sie bemerke aber, dass viele Mädchen selbst noch zu wenig über ihren eigenen Zyklus wissen. Sie rät jeder Frau, Buch zu führen und dadurch darauf gefasst zu sein, was sie im nächsten Monat erwartet. Denn was Mikaela Shiffrin am Kronplatz über ihren Zyklus sagte, weiß mit Sicherheit nicht jedes Mädchen.

Karoline Krause-Sandner

Über Karoline Krause-Sandner

Karoline Krause-Sandner ist Sport-Redakteurin beim KURIER mit langjähriger Erfahrung in der Außenpolitik.

Kommentare