
Experte über Krafttraining: "Kohlenhydrate sind wichtiger als Proteine"
Sportwissenschafter Michael Koller erklärt, warum Krafttraining alleine beim Abnehmen nicht hilft und was man bei der Ernährung beachten muss.
Krafttraining hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. "Es hat lange gedauert. Viele Menschen hatten Angst, dass sie wie Arnold Schwarzenegger aussehen, wenn sie Krafttraining betreiben. Frauen waren in Sorge, dass sie ihre weibliche Figur verlieren", erzählt Sportwissenschafter Michael Koller aus der Sportordination Wien gegenüber dem KURIER.
Inzwischen ist klar: Nur weil man Gewichte hebt, mutiert man nicht gleich zum Muskelprotz. Richtig angewendet, trägt Krafttraining wesentlich zur Gesundheit bei. Es hat positive Auswirkungen auf den Stoffwechsel, das Herz-Kreislauf-System, die Knochengesundheit sowie den Muskelerhalt. Zudem kann Krafttraining Schmerzen beseitigen und vorbeugen, zum Beispiel Gelenkbeschwerden wie etwa Arthrose oder Osteoporose. Die WHO, die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt mindestens zwei Mal die Woche ein gezieltes Krafttraining zu betreiben, das alle Muskelgruppe betrifft.
Aber was ist ein klassisches Krafttraining? Es geht um starke Reize, die eine muskuläre Erschöpfung mit sich bringen und das in einer relativ geringen Wiederholungszahl. „Die muskuläre Erschöpfung erreicht man, wenn die nächste Wiederholung nicht mehr sicher machbar ist“, erklärt Koller. Ideal sind 6 bis 12 oder 8 bis 15 Wiederholungen pro Satz, je nachdem, wie trainiert man ist bzw. was das Ziel ist. Minimum sind 3-4 Übungen (Ober- und Unterkörper) mit je drei Sätzen.
Welche Art von Krafttraining man betreibt, ist nicht entscheidend. Mit dem eigenen Körpergewicht zu trainieren ist genauso effektiv, wie mit Geräten oder mit freien Gewichten wie Kurzhanteln, Langhanteln oder Widerstandsbändern. Eine andere Möglichkeit sind an Gruppenkursen teilnehmen, zum Beispiel im Aktiv-Park, den sogenannte Calisthenics Anlagen, die aus Klimmzugstangen, Barren und Hangelstrecken bestehen. Welche Art von Krafttraining man betreibt, ist unerheblich. "Wichtig ist, dass man es macht", betont Koller.
Pausen beim Krafttraining
Sorgen vor einem Muskelkater braucht man keine haben. "Das ist per se nichts Schlechtes. Problematisch wird es nur, wenn es sich um einen Sehnenansatzschmerz oder Dauerschmerz handelt, der auftritt, weil man eine Übung falsch ausgeführt hat oder eine falsche Haltung eingenommen hat." In dem Fall sollte man lieber ein paar Tage kein Krafttraining machen. "Die Übung und die Technik muss immer sauber ausgeführt werden, das heißt ohne Ausgleichsbewegung oder Schmerzen", erklärt der Sportwissenschafter.
Auch Pausen zwischen den Sätzen sind wichtig, mindestens 60 Sekunden, höchstens drei Minuten. "Anfänger können nach Bedarf gerne länger eine Pause einlegen", rät der Medicalathletikcoach. Je nach Zielsetzung kann die Bewegungsgeschwindigkeit auch schnell und explosiv sein, wobei zu Beginn die technische Bewegungsschulung mit langsamer Übungsausführung geschult werden soll.

"Die Kohlenhydratversorgung rund um das Krafttraining ist sogar wichtiger als Protein."
©SportordinationWer sich unsicher ist, welche Körperteile es sich lohnt zu trainieren, macht am besten eine Kraft- und Muskelfunkationsdiagnostik. Diese werden in unterschiedlichen Sportordinationen angeboten. Bei dieser Analyse erfährt man unter anderen, welche Muskelgruppen abgeschwächt sind oder welche körperlichen Defizite sich durch einseitige berufliche oder alltägliche Tätigkeiten (zum Beispiel langes Sitzen im Büro) ergeben haben. Kosten: rund 200 Euro für zwei Stunden – je nach Paket.
Wie man mit Krafttraining abnehmen kann
Zum Abnehmen ist Krafttraining förderlich, aber nur in Kombination mit Ausdauersport und einer ausgewogenen Ernährung. "Sonst hat man früher oder später ein Defizit." Denn "Sportler, die kein Cardio machen und nur auf Krafttraining setzen, haben ein Problem mit dem Fettstoffwechsel und können schwerer regenerieren. Im Ausdauertraining hingegen braucht man die Kraft, um die Gelenke zu schützen", erklärt Koller. Idealerweise betreibt man Kraft- und Ausdauertraining an unterschiedlichen Tagen oder mit mindestens drei Stunden Pause zwischen den Einheiten.
Kohlenhydrate sind wichtiger als Protein
Die richtige Ernährung ist essenziell. "Die Kohlenhydratversorgung rund um das Krafttraining, sogar wichtiger als Protein. Sonst kommt der Körper in eine Ausnahmesituation." Die Folge: Es kann Muskelmasse verloren gehen, das Immunsystem wird überlastet und man ist anfälliger für Infekte. Es entsteht Energielosigkeit und Kraftlosigkeit. Zusätzlich sind pro Tag etwa 1,8 bis 2 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht ratsam. Übergewichtige Personen sollten diese Proteinmenge auf ihre Fettfreiemasse anpassen.
Ruhetage müssen nicht unbedingt gemacht werden, sagt Koller und ergänzt: "Leistungssportler bewegen sich mehrmals am Tag Sport. Wenn ich eine ordentliche Energieversorgung habe, die Trainingsreize richtig dosiert sind, kann ich durchtrainieren."
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