Ab 30 geht's bergab: Warum man besser früher als später sporteln sollte

Je Jahrzehnt verlieren wir bis zu zehn Prozent Muskelmasse. Wer lange und gesund leben möchte, sollte möglichst bald zu trainieren beginnen, meinen Experten.

Rund 600 Skelettmuskeln befinden sich in unserem Körper. Wie gut sie zusammenspielen, hängt nicht nur vom Trainingszustand, sondern auch vom Alter ab: "Ab einem Alter von 27 Jahren bauen wir langsam Muskelmasse ab. Pro Jahrzehnt verlieren wir  dann etwa fünf bis zehn Prozent der sogenannten Typ-II-Muskelfasern – das sind jene, die für unsere Muskelkraft verantwortlich sind", sagt Orthopäde und Sportarzt Martin Reschl vom Gesundheitsportal Healthdoctors

Typ-II-Muskelfasern braucht es vor allem für kraftvolle Bewegungen, etwa beim Heben von Gewichten. Der altersbedingte Abbau zeigt sich in langsameren Kontraktionszeiten des Muskels, wobei Krafttraining, zum Beispiel durch gezielte Eigengewichtsübungen oder über die Arbeit mit Fitnessgeräten, diesem Rückgang entgegenwirken kann. Auch die Typ-I-Muskelfasern, die vor allem bei Ausdauersportarten wie Laufen, Radfahren oder Rudern beansprucht werden, bilden sich im Lauf des Lebens zurück, allerdings deutlich langsamer. 

Um den Muskelabbau möglichst gering zu halten, braucht es gezieltes und regelmäßiges Training,  idealerweise ein Mix aus Kraft und Ausdauer. "Mit Bewegung und Sport kann man jederzeit und in jedem Alter beginnen – je früher, desto besser. Man ist nie zu alt dafür, sondern wir wissen aus wissenschaftlichen Studien, dass Muskelmasse und Muskelkraft ein Indikator für ein langes Leben sind", betont Reschl. 

Schritt für Schritt beginnen, idealerweise mit Profis

Gerade für alle ab 50 Jahren sei gezieltes Krafttraining auch wichtig, um Osteoporose vorzubeugen, da der Knochenstoffwechsel angeregt und die Knochenfestigkeit erhöht werden. Zudem hilft der Muskelaufbau die Sturzgefahr im Alter zu reduzieren. Bevor man beginnt, sollte man sich insbesondere bei Vorerkrankungen oder früheren Verletzungen von einem Arzt durchchecken lassen und darüber sprechen, welche Bewegung zu einem passen könnte. "Ich empfehle einen Schritt-für-Schritt-Plan mit professioneller Begleitung, etwa angeleitete Übungen im Fitnessstudio. Wichtig ist, etwas zu finden, das einem Spaß macht und das man nicht widerwillig angeht", so Reschl. 

Nicht unterschätzen dürfe man, dass der Aufbau von Muskeln etwa ab dem 50. Lebensjahr nicht mehr so einfach geht wie in 20ern. Diese Erfahrung machte auch Ralph Steiger. Der 57-jährige Schauspieler und Bodybuilder, merkte am eigenen Leib, dass der Muskelaufbau mit zunehmendem Alter zwar langsamer vorangeht als in jüngeren Jahren, aber sich positiv auf seine Gesundheit auswirkt.  

"Alter ist keine Ausrede"

In einer längeren Trainingspause litt er immer wieder unter Rückenproblemen. Seit er wieder regelmäßig Sport macht – er kommt im Schnitt auf vier Einheiten pro Woche – habe er keine Beschwerden mehr. "Alter ist keine Ausrede. Es muss nicht unbedingt Kraftsport sein, sondern jeder Sport, der die Muskeln kontrahiert. Das können täglich ein paar Liegestütze, die Wandergruppe oder genauso Funsportarten wie Axtwerfen sein."

"Es geht nicht mehr um die Bikinfigur, sondern darum, gesund alt zu werden"

Seine Erfahrungen hat Steiger im Buch "Fit wie ein Wikinger" zusammengefasst, in dem er mit Motivations- und Trainingstipps sowie Ernährungsempfehlungen versucht, Menschen ab 40 Jahren davon zu überzeugen, wie sehr Bewegung und Sport die Lebensqualität im Alter beeinflussen. "Es geht dann nicht mehr wie oft bei Jüngeren um die Bikinifigur, sondern wirklich darum, Erkrankungen vorzubeugen und gesund alt zu werden. Wer fitter ist, hat weniger Schmerzen beim Aufstehen morgens, kommt leichter die Treppen hinauf und hat allgemein ein höheres Wohlbefinden", betont Steiger. 

Mit Jüngeren könne er durchaus mithalten, "schlimm" seien nur die ersten 14 Tage, wenn man neu mit Sport beginnt, meint der Kraftsportler. Hier helfe, sich jemanden zum Trainieren mitzunehmen, der einen motiviert, um den Anfang nicht alleine machen zu müssen. "Qualifizierte und motivierende Trainer helfen, dranzubleiben. Man darf sich aber nicht selbst überschätzen – der Körper braucht etwas Zeit, bis Effekte merkbar sind", so Steiger. Muskelkater am Anfang sei normal, bei Schmerzen sollte man aber einen Arzt aufsuchen.

Mehr Zeit für dieselben Effekte nötig 

Allgemein müsse man etwas mehr Zeit aufbringen, um dieselben Effekte wie in jungen Jahren zu erzielen. Zudem dauere die Regenerationsphase im Alter länger. Das beeinflusst auch die Heilung von etwaigen Verletzungen: Zwar sind ältere Sportler nicht anfälliger dafür, mitunter dauert es aber länger, bis sportbedingte Blessuren verheilen. 

Unterstützend wirkt die Ernährung. Was vielen nicht bewusst ist: Mit dem Alter steigt der Eiweißbedarf an. "Wenn man Bewegung und Sport macht, hat man einen Bedarf von 1,5 bis 2 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Das ist relativ viel, aber wenn man bei jeder Mahlzeit eine Eiweißquelle einbaut und zwischendurch eiweißhaltige Snacks wie Nüsse oder Eiweißshakes, ist der Bedarf zu decken", sagt Mediziner Reschl. Schauspieler Steiger empfiehlt, vor allem Pilze auf den Speiseplan zu setzen. "Die Natur bietet all die Dinge, die wir brauchen, wir müssen sie nur richtig einsetzen", sagt Steiger.  

Elisabeth Gerstendorfer

Über Elisabeth Gerstendorfer

Redakteurin Gesundheit, Wissen Studierte Psychologie und Soziologie in Wien. Journalistenkolleg des Kuratorium für Journalistenausbildung in Salzburg. Seit 2013 bei KURIER im Ressort Lebensart. Zuvor u.a. tätig für Presse, Schaufenster und Österreichische Ärztezeitung.

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