Wie Tee mit Kohlensäure zum Trendgetränk wird

Der dänische Sommelier Jacob Kocemba bringt das beliebte Aufgussgetränk zum Sprudeln. Seine Sparkling Teas schmecken anspruchsvollen Gästen und Spitzengastronomen.

Sparkling, also sprudelnde Getränke, kennt man im Zusammenhang mit genussvollem Trinken –  ob Champagner, Sekt, Spumante, Prosecco oder Cava sind sie als Speisenbegleiter gerne gesehen. Tee zum Essen ist schon seltener, es sei denn man befindet sich gerade in Asien oder zum High-Tea in London. Nun gibt es etwas vollkommen Neues: Sparkling Tea, eine neue Produktkategorie, bestehend aus Tee, etwas Kohlensäure –  und keinem oder nur wenig Alkohol. Es ist ausgerechnet ein Sommelier, der die Idee hatte. Also ein Angehöriger jenes Berufsstandes, der eigentlich für die Wein-Auswahl und Beratung der Gäste im Restaurant verantwortlich ist.

Ex-Sommelier Jacob Kocemba kam vom Wein zum Tee – und der steht dem Rebensaft in Sachen Komplexität um nichts nach  

©Hanne Fuglbjerg

Der Däne Jacob Kocemba arbeitete in einigen Spitzenrestaurants seines Heimatlandes; und wie er erzählt, quälte ihn die immer wiederkehrende Frage: „Welcher Wein passt wirklich zu Desserts? Süßweine, Madeira, Portwein – ich hatte alles ausprobiert und weder mir noch meinen Gästen gefiel das wirklich. Denn entweder waren die Weine zu süß oder zu alkohollastig oder beides.“ Irgendwann Anfang der Zehnerjahre beschäftigte Kocemba sich mit Tees, selbst gebraut, mit Aromen versetzt, kalt als letzten Getränkegang serviert. „Die Gäste waren angetan und so experimentierte ich weiter.“ Es war ihm klar, dass noch etwas fehlte: „Frische und Kühle, die der Körper des Gastes nach zwei Stunden Essen und Trinken einfach braucht, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen.“

Perlende Erfrischung

Jeder weiß, was ein erfrischendes Getränk ausmacht (die Wiener kennen es von Alt-Bürgermeister Michael Häupl – Stichwort „Man bringe den Spritzwein“): Es sind die Perlen! So überlegte Sommelier Kocemba: „Frische kann man auch durch Textur erzeugen, also durch Bläschen.  Ich dachte, dass ein Teegetränk, das im Erscheinungsbild Champagner oder Sekt ähnelt, den Gästen gefallen könnte.“ In dieser Zeit arbeitete Kocemba wie ein Kellermeister in der Champagne oder in Jerez, kostete, mischte, verwarf, mischte wieder, kostete erneut. „Ich brauchte unendlich lange, um aus den Tees jene Blends (Mischungen, Anm.) und Aromen zu erzeugen, die den Menschen zusagten.“ Er machte seine eigenen Blends. „Für mich ist Tee von ähnlicher Komplexität wie Wein und er hat ja auch eine vergleichbar lange Geschichte. Auch die Qualitätsunterschiede sind beim Tee ähnlich wie beim Wein, eigentlich sogar noch größer. Meine Idee war natürlich nicht leicht zu erklären, denn wenn sich die Leute auch mit Wein auskannten, Tee war in diesem Zusammenhang doch neu.“ 

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2017 hängte Kocemba den Sommeliersjob an den Nagel und gründete das Unternehmen „Copenhagen Sparkling Tea Company“.  Wenn der Name Copenhagen (der aktuellen Hauptstadt für Foodies) mit einem Unternehmen in der Kulinarikbranche im Zusammenhang steht, ist die Begehrlichkeit groß: Sparkling Tea gibt es mittlerweile über den ganzen Globus verteilt. Siebzig Michelin-besternte Restaurants führen diese Getränke und im Jahr 2021 wurden insgesamt vierhundertzwanzigtausend Flaschen davon verkauft.

Weniger Alkohol ist derzeit mehr

Natürlich – und das werden der Ex-Sommelier und sein Partner bald erkannt haben –  geht es hier längst nicht um die Nische der Getränkebegleiter zu Desserts. Es geht um das rasch wachsende Segment alkoholfreier Getränke, bei dem alle dabei sein wollen. Dass man anspruchsvolle Gäste nicht länger mit Apfelsaft gespritzt, alkoholfreiem Bier oder Orangensaft glücklich machen kann, hat die Spitzengastronomie erkannt, vom Kopenhagener Noma bis zum Wiener Steirereck lassen sich Sommeliers nullprozentige Drinks zu verschiedenen Speisen einfallen. Kocemba geht bei seiner Produktion allerdings mitunter ähnlich wie beim Wein vor. Einzel-Lagen interessieren ihn naturgemäß besonders. „Es war meine Idee, den Terroir-Gedanken in ein Getränk zu bekommen, dessen Basis Tee ist“, sagt der Sparkling-Tea-Gründer.  „Beste Qualität aus erster Ernte, alles bio, und das bei Preisen, die in den vergangenen Jahren um fünfundzwanzig Prozent zugelegt haben.“ Er hat schon bis zu vierhundert Euro für ein Kilo bezahlt. Spannend, wie unterschiedlich die Kompositionen aus verschiedenen Tees ausfallen, denen man je nach Bedarf noch Zitrus- und Traubensaft hinzufügt, um das Getränk abzurunden. Jasmin und Zitrus prägen den Eindruck des aus dreizehn Teesorten komponierten, komplett alkoholfreien „BLÅ“, der außerdem mit Aromen von grünem und weißem Tee aufwartet, während Darjeeling First Flush  die Tannine beisteuert. Dieser Sparkling Tea ist nicht nur ein guter Aperitif, sondern auch feiner Begleiter zu Gemüsegerichten. Der roséfarbene „Lyserød“ (elf Teesorten) mit seinen rotbeerigen und rotapfeligen Aromen, die er aus Oolong-Tee und dem Grüntee Silver Needle erhält, paart sich gut mit Austern, Hummer oder Kaisergranat und liefert den perfekten Aperitif. Die feine Perlage der beiden Getränke kommt von einem eigens entwickelten Verfahren, in dem bei verschiedenen Temperaturen Kohlensäure in das Getränk gepumpt wird, Luftdruck und Temperatur korrelieren.

Aromen sind sehr komplex

Noch komplexer in den Aromen wird es bei den beiden anderen Sparkling Teas mit einem Alkoholgehalt von fünf Prozent, dieser kommt von der Beimengung von deutschem Riesling. Die Produktionsstätte befindet sich in einem aufgelassenen Weingut in der Nähe der Nahe. „Grøn“ enthält sieben Teesorten, bringt Ingwer und Zitronengras ins Spiel, sowie Zitrus und grünen Tee.  „Rød“ besteht aus zehn Teesorten und ist ein besonders trockenes Getränk, sozusagen die Zero-Dosage-Version der Sparkling Teas. Wie ein Rosé-Champagner duftet er nach dunklen Beeren, dazu gesellen sich Minze und ein Hauch Hibiskus. Sie pur zu trinken, ist allerdings nur eine Möglichkeit, die Sparkling Teas zu genießen. Die perlenden Tees machen ebenso in Cocktails eine gute Figur. Trotz oder gerade wegen ihrer Aromenvielfalt ergänzen sie sich mit gehaltvollen Spirituosen, etwa Gin und Whiskey, und bieten Jacob Kocemba weiterhin unendliche Möglichkeiten zum Experimentieren.

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