Trend "Solo Dining": Warum alleine Essen nicht mehr verpönt ist
Früher gab es für Einzelgäste nur schlechte Tische. Dank neuer, jüngerer Generationen nehmen Alleinesser aber zu.
Das Wiener Kaffeehaus war seiner Zeit schon immer voraus: Ein Ort für Menschen, die alleine sein wollen, aber dafür Gesellschaft brauchen, bezeichnete es der 1873 geborene Wiener Feuilletonist und Schriftsteller Alfred Polgar einmal.
In der Tat kann man auch heute noch dort sitzen, Kaffee trinken oder auch ein Mittag- oder Abendessen einnehmen, Zeitungen lesen (oder auch am Smartphone) und der Geräuschkulisse aus leisem Murmeln, Geschirrklimpern und Hintergrundmusik lauschen.
Im traditionellen Kaffeehaus geht das vielleicht noch, doch alleine essen zu gehen, ist für die einen eine Horrorvorstellung. Vielleicht womöglich auch noch am schlecht platzierten Katzentisch gleichermaßen ausgegrenzt wie am Präsentierteller zu sein.
Doch gerade für die jungen Generationen hat sich der Horror fast zur Wohltat gedreht. Die Millennials und Generation Z machen es unter dem Namen "Solo Dining" gerade zum Trend - und die Nachfrage dafür steigt. Dieser Tage veröffentlichte etwa die Reservierungsplattform OpenTable Zahlen, dass in Deutschland die Zahl der Einzelgäste in Restaurants gestiegen sei. Zwischen August 2023 und Juli 2024 wurden laut dem Genussportal Gourmetwelten um 18 Prozent mehr Einzelbuchungen verzeichnet, als im Vergleichsraum des Vorjahres.
Sich selbst etwas Gutes tun
Einerseits ist es den jungen Menschen egal, was andere denken könnten, andererseits wird alleine in einem Lokal zu essen als eine Form von "Selfcare", also Selbstfürsorge, stilisiert. Damit tue man sich selbst eben etwas Gutes, esse bewusster - was wiederum der Gesundheit nutze. Die 25-jährige Wienerin Lisa hat einen ganz pragmatischen Grund, alleine essen zu gehen. "Ich gehe gerne alleine essen: Ich hab Hunger, möchte nichts kochen und geh' halt essen. Bis das Essen kommt, lese ich, dann esse ich."
Fast noch gewichtiger ist aber ein weiterer Faktor: nämlich, dass man bei der Speisenauswahl auf niemanden Rücksicht nehmen müsse. Alleine zu essen sei mittlerweile gesellschaftsfähiger geworden, wird dazu auch die britische Food- und Reisebloggerin Nicola Easterby zitiert. Vor allem in Reisedestinationen komme man Alleinreisenden immer mehr entgegen.
Gastronomen berücksichtigen Kundenwünsche
Nun könnte man natürlich auch sagen, auf einer (Städte-)Reise sei die Hemmschwelle geringer, weil: Wer alleine reisen mag, hat auch weniger Probleme, alleine in einem Lokal zu sitzen als in der Heimat. Die moderne Restaurantarchitektur, auf die viele Restaurantbetreiber derzeit setzen, kommt dem Wunsch von Einzelgästen jedenfalls ebenso entgegen: Plätze an der Theke oder in Fenster- und Raumnischen ermöglichen die Teilnahme am Lokalleben, aber erlauben auch Rückzug. Größere Tische, zentral platziert, kommen wieder jenen entgegen, die gerne mit anderen Gästen unkompliziert ins Gespräch kommen.
Dafür wird mitunter auch das Personal geschult, wie die Hamburger Gastronomin und Köchin Cornelia Poletto den "Gourmetwelten" schilderte. Sie beraten Einzelgäste und unterhalten sich mit ihnen, das baue Hemmschwellen ab. Sie sieht es als Aufgabe der Gastronomen, "dass ein Gast, der alleine kommt, sich wohlfühlt, und, dass sich niemand umschaut, nur weil man alleine sitzt". Gastro-Expertin Sylvia Petz hatte damit allerdings ohnehin nie ein Problem. "Ich selbst genieße es immer schon, alleine essen zu gehen. Aber immer mit guter Lektüre bestückt, dann kann ich das zelebrieren."
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