So edel kann Glühwein schmecken - plus Rezepte

Glühwein muss nicht immer Kopfweh machen. Edle Variationen sorgen für Abwechslung. Bar-Alchemist Heinz Kaiser weiht uns ein in seine Geheimnisse – Rezepte zum Nachkochen inklusive.

Der Glühwein ist der Zaubertrank des Advents. Hawaiihemd-Wetter am Christkindlmarkt? Glühwein lässt uns dennoch himmlische Englein posaunen hören. Alte Freunde treffen oder ein erstes Date? Das pickige Heißgetränk lässt verlässlich Small Talk oder Herzen erglühen – und erlaubt uns notfalls den gesellschaftlich pardonierten Absprung nach zwei Häferln. Als sozialer Klebstoff der Vorweihnachtszeit ist dieses Getränk von unschätzbarem Wert. Und gehört zum Heiligen Fest wie die Flügerln zum Christkind.

Dass uns der Genuss mitunter Schnupfen oder Brummschädel beschert, nehmen wir in Kauf. Gegen die Kälte helfen lange Unterhosen. Und auch Kopfweh müsste nicht sein. Denn Glühwein ist eigentlich kein billig gepanschtes, überzuckertes Gesöff, wie es uns auf Parkplätzen von Einkaufszentren kredenzt wird – sondern ein Heißgetränk mit Historie. Eines, das man exquisit anmachen und variantenreich zubereiten kann.

Die alten Römer liebten es süß

Zuerst zur reichen Geschichte. 

Glühwein ist bereits aus der Antike bekannt, entstanden wahrscheinlich aus Zufall: In Ermangelung von Kühlschränken und dennoch vor die Herausforderung gestellt, Kräuter und Gewürze haltbar zu machen, legte man diese in Wein und Bier ein. Bald entdeckte man, etwa schon im Alten Ägypten, dass die so entstandenen Mischungen sich auch prächtig trinken lassen. Auch bei den alten Römern war der Würzwein sehr beliebt, der sogenannte Conditum Paradoxum.

Dafür wurde Honig, versetzt mit etwa Safran, Datteln, Pfeffer, Mastix (harzige Essenz des Mastixbaums, wird auch für Kaugummi verwendet) oder Lorbeerblättern, mit Wein eingekocht. Damit würzten die erfindungsreichen Römer ihre Mahlzeiten oder tranken die glorreiche Mischung. 

Im Mittelalter war der Hypocras beliebt, dem eine heilsame Wirkung zugeschrieben und der kalt zum Essen getrunken wurde. Dieser rote und äußerst süße Gewürzwein war ein elitäres Luxusgut: Der mit Zutaten wie Kardamom oder Ingwer angereicherte Wein war aufgrund dieser seltenen, kostspieligen Gewürze, nur Königen, Adeligen und Reichen vorbehalten. Alsbald entdeckte man, dass der exquisite Cocktail auch köstlich mundete, wenn man ihn erhitzte – und voilà, der Glühwein ward geboren.

Alchemist und Bar-Koryphäe: Heinz Kaiser, Chef der Dino’s Apothecary Bar, kreierte für uns zwei Glühwein-Rezepte zum Nachmachen für Zuhause

©Kurier/Gilbert Novy

Experimente: erwünscht!

Wie ihn aber modern veredeln? Eines vorweg: Eine goldene Regel gibt es dafür nicht. „Was die Würze betrifft, sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt“, erklärt Heinz Kaiser. Als Chef der Dino’s Apothecary Bar in Wien und Magister der Pharmazie gilt er als der Alchemist der Barszene und weiß um Historie wie Trinktrends bestens Bescheid. 

So muss etwa nicht zwangsläufig mit Zucker gesüßt werden. Honig, Agavensaft oder Marmelade bieten sich als Alternative an und bringen Schwung ins Häferl. Lorbeer, Thymian oder Majoran wiederum machen den Glühwein pikanter. Und die Zugabe von Zimtblüten oder Pfeffer lässt ihn schärfer schmecken. Je mehr man den Mainstream verlässt und experimentiert, weiß Kaiser, desto spannender wird das Ergebnis.

Etwa, indem man mixt, was auf den ersten Blick nicht zusammengehört. Scharfer Ingwer und süße Ananas. Grapefruit und Kirsche. Preiselbeere und Wacholder. Salbei und Pfirsich. „Gegensätze ziehen sich an“, so Kaiser, „und widersprüchliche Komponenten halten es interessant.“

Wichtig, so der Experte, sei aber vor allem der Wein. „Die Qualität des Ausgangsprodukts definiert die Qualität des Endprodukts.“ Bei rotem Glühwein bietet sich Portwein an. Verwendet man süßen Grundwein, sollte man später weniger süßen. Und: die Mischung bitte nie kochen, nur erhitzen und das nicht über 70 Grad Celsius. Ansonsten rät Kaiser, sich an die ewige Formel für Punsch zu halten, die man in Indien verortet: „One of sour, two of sweet, three of strong, four of weak, five of spice to make it nice.“ Saures, Süßes, Wein, Wasser und Gewürze – und viel Fantasie für einen tollen Glühwein.

REZEPT GLÜHWEIN WEISS:

"Conditum Paradoxum“

Zutaten: 
0,75 Liter Pineau des Charentes (Likörwein aus leicht vergorenem Traubenmost und Eau de vie, jungem weißen Cognac, ca. 16 Vol. % Alkoholgehalt) 
1 Sternanis 
1 TL Timut Pfeffer, gemörsert
10-15 Zimtblüten 
Etwa 1 TL Ingwer, geschält, frisch gerieben, ein Stück in etwa der Größe eines halben Daumens 
1 Briefchen Safran 
2 Kardamomkapseln, frisch aufgebrochen 
5 Gewürznelken
Schale von 1 Pink Grapefruit 

Zubereitung:
1 Unbehandelte Schale einer Pink Grapefruit mit einer Microplane-Reibe direkt in den Wein reißen. Die übrig gebliebene Frucht in Scheiben schneiden und zugeben. Bei Bedarf mit Blütenhonig süßen.

2 Alle Bestandteile außer den Honig in einem Topf unter strenger Temperaturkontrolle zugedeckt auf maximal 70 Grad Celsius erwärmen, nicht kochen! Bei dieser Temperatur mindestens 45 bis 60 Minuten ziehen lassen.  Je länger, desto besser wird das Ergebnis.  Bei Bedarf mit Honig süßen (am Ende, kurz vor dem Servieren, da der Wein von sich aus süß ist).

3 Absieben, in hitzefeste Gläser geben und mit frischen Himbeeren garniert servieren. Zum Essen passen sehr gut Spekulatius oder Short Bread dazu.

REZEPT GLÜHWEIN ROT:

"Hypocras“

Zutaten: 
0,75 Liter frischer, junger Portwein (Ruby oder Ruby Reserve) 
2 Blätter Lorbeer 
1 EL Macisblüte 
5 Pimentkörner, frisch gemörsert 
1 Vanillestange längs aufgeschnitten 1 Msp. Tonkabohne, frisch gerieben 1-2 EL frisch geröstete Walnüsse
1 kleiner Zweig Rosmarin
Schale von 1 Orange

Zubereitung: 
1 Unbehandelte Orangenschale mit einer Microplane-Reibe direkt in den Wein reißen. Die übrig gebliebene Frucht in Scheiben schneiden und zugeben. Bei Bedarf mit Muscovado-Zucker süßen.

2 Die Zubereitung erfolgt genau wie beim weißen Glühwein, auch hier sollte das Süßen erst am Ende erfolgen. Garniert wird mit getrockneten Feigen und Datteln. Dazu passt sehr gut Bitterschokolade mit hohem Kakaoanteil (85 %).

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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